5G-Ausbau in Deutschland Das ganz persönliche Funkloch

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Erste 5G-Handys für unter 400 Euro

Mittlerweile haben schon ein Dutzend Hersteller rund 40 unterschiedliche 5G-taugliche Smartphones im Portfolio. Nachdem nun endlich auch Apple der Konkurrenz gefolgt ist und mit seiner iPhone-12-Serie erste Telefone für den neuen Funkstandard anbietet, reicht das Angebot jetzt von „A“ wie Apple bis „X“ wie Xiaomi. Und mit Modellen wie dem OnePlus Nord oder Samsungs neuem Galaxy A42 5G gibt es bereits erste Mittelklasse-Handys mit 5G-Modul teils deutlich unterhalb der 399-Euro-Grenze.

Auch da unterscheidet sich der Start von 5G von der Markteinführung seines Vorgängers: 2010 gab es anfangs nämlich so gut wie keine LTE-Handys. Stattdessen öffneten Funk-Sticks zum Anstecken an den Computer den Menschen in der Internetdiaspora den Weg ins schnelle Mobilfunknetz. Mehr noch, zum LTE-Start gab es nicht mal ein genormtes Übertragungsverfahren, um über die neuen Netze zu telefonieren. Selbst die ersten LTE-fähigen Telefone mussten bei ein- oder ausgehenden Anrufen zunächst auf die ältere UMTS-Technik zurückschalten, um Gespräche übertragen zu können.

Und zu allem Überfluss waren die Mobilfunkchips der ersten LTE-Handys auch nicht in der Lage, alle für den neuen Standard freigegebenen Frequenzen zu nutzen. Wer den Netzbetreiber wechselte, dem konnte es deshalb passieren, dass das neue LTE-Handy, das eben noch mit Turbotempo im Internet gesurft hatte, anschließend nur noch durchs Netz kroch, weil der neue Anbieter auf einer anderen, vom Handy nicht unterstützten Frequenz funkte.

So schlimm kommt es beim Übergang von LTE zu 5G nun nicht mehr. Doch an einer Stelle knirscht es auch dieses Mal: Wieder einmal stampfen die Netzbetreiber zum Start keine komplett neue Netzinfrastruktur aus dem Boden, sondern setzen auf einen Mix aus Alt und Neu. Bisher rüsten die Mobilfunker ihre Infrastruktur zuerst bei der Funktechnik und den Übertragungsverfahren auf 5G um. Darunter aber arbeitet das etablierte LTE-Kernnetz weiter, über das die Netzsteuerung läuft und die Kunden gemanagt werden.

Jonglieren mit den Frequenzen

Das führt zu dem technischen Spagat, dass neue Handys Daten nicht bloß über die schnellen 5G-Frequenzen übertragen, sondern gleichzeitig noch eine LTE-Verbindung benötigen, um sich mit dem Kernnetz zu verbinden. Zwar gehört das Jonglieren mit mehreren Frequenzen und Datenverbindungen mittlerweile selbst bei Mittelklasse-Smartphones zu den leichteren Tricks.

Gänzlich trivial ist es aber trotzdem nicht – speziell beim Übergang zu 5G. „Gegenüber LTE sind nun nochmals eine ganze Reihe zusätzlicher Frequenzbänder hinzugekommen“, sagt Nokia-5G-Experte Beltrop. „Damit nimmt auch die Komplexität des Frequenzmanagements für die Endgeräte nochmals zu.“ 

Was das für Folgen hat, haben kürzlich erst Tester des Digitalmagazins Chip.de ermittelt. Sie prüften, wie rasch und wie zuverlässig sich die aktuellen 5G-Smartphones bei entsprechenden Sendestationen von Deutscher Telekom oder Vodafone einbuchten und wie schnell sie anschließend Daten senden und empfangen konnten. Fazit: „Es gibt gegenwärtig nicht ein einziges Smartphone, das alle 5G- und LTE-Ankerkombinationen unterstützt.“ Abhängig vom Standort und den dort vom jeweiligen Netzbetreiber genutzten Frequenzen drohe 5G-Kunden deshalb „ab und zu ihr persönliches Funkloch“ beziehungsweise der Rückfall ins langsamere LTE-Netz.


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Damit wird klar: Auch wenn der 5G-Aufbau in Deutschland dieses Mal rekordverdächtig schnell läuft, wirklich ausgereift ist die neue Netztechnik so kurz nach dem Start noch nicht. In Nachbarländern wie etwa Frankreich hat der Ausbau noch nicht einmal begonnen. Dazu kommt, dass es neue Anwendungen, die ohne 5G-Netze nicht nutzbar wären wie etwa Spiele, die hochauflösend, in 3D-Darstellung und schnurlos auf VR-Brillen übertragen werden, es über das Stadium cooler Technik-Demos bisher noch nicht hinaus geschafft haben.

Und so kommentiert etwa Thomas Husson, Mobilfunkexperte beim Marktforscher Forrester den gegenüber der Konkurrenz merklich späteren 5G-Einstieg von Apple noch recht nachsichtig: „Bisher war die Technik in einem sehr frühen Stadium und Apple hat das Spiel noch nicht verpasst.“ Das aber ändere sich zunehmend und so scheine die Zeit reif, den Markt nicht länger der Konkurrenz zu überlassen, glaubt Husson: „Apple tut gut daran, jetzt bei 5G einzusteigen“.

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