Die Hersteller mechanischer Uhren kennen harte Zeiten. Mit der Quarzkrise ist in den Achtzigerjahren den Herstellern von Zahnrädchen, Federn und Zeigern das erste Mal Angst und Bange geworden. Unternehmen verschwanden, eine Branche schien am Boden zu liegen. Es war zu einem großen Anteil Nicolas G. Hayeks Verdienst, mit der Marke Swatch als Ausgangspunkt der Schweizer Uhrenindustrie zu einer weiteren Blütezeit zu verhelfen. Mechanische Uhren als Luxusprodukt feierten in den vergangenen Jahren einen Erfolg nach dem anderen.
Nun zittern sie zwischen Genf und Biel wenigstens wieder ein klein wenig. Schuld ist der Siegeszug der Smartwatch – allen voran die Apple Watch. Deren genaue Verkaufszahlen sind zwar immer noch ein Geheimnis. Aber der Durchschnitt aller Analystenschätzungen ergäbe eine Summe von knapp vier Millionen Stück - allein im dritten Kalenderquartal 2015. So befinden sich die Uhrenhersteller plötzlich in einem Wettbewerb mit Unternehmen, die gar nicht auf der Baselworld ausstellen. Die chinesischen Hersteller von Smartphones wie Huawei zählen ebenso dazu wie Angebote von den Marktführern bei Activity Trackern und Sportuhren wie Fitbit, Polar oder Garmin.
Und erstmals seit 2009 sind die Umsätze der Schweizer Uhrenhersteller leicht gesunken. 20 Milliarden Franken waren es 2015. Der Konzern Richemont, zu dem unter anderem Cartier, IWC, Jaeger-LeCoultre und Lange & Söhne gehören, erklärte, 350 Stellen in der Schweiz abzubauen.
Nick Hayek bewahrt sich dennoch seinen Optimismus. Hayek ist Chef der Swatch Group, zu der Marken wie Omega, Breguet, Glashütte Original, Longines, Tissot, Rado oder Calvin Klein gehören. In der Krise sieht er auch etwas Gutes. Denn immerhin: „Apple verführt mit seiner Kampagne dazu, eine Uhr zu tragen“, sagte Hayek in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"
Wenn die führenden Schweizer Hersteller von luxuriösen mechanischen Uhren von Rolex bis Patek Philippe ihre neuen Modelle bis zum Ende der Messe am 24. März den Händlern vorlegen werden, ist dennoch die Zeit eine andere als vor zwei Jahren, als das Thema Smartwatches die Branche kaum beunruhigte.
Die beliebtesten Uhren
Das Unternehmen Chronext für gebrauchte Uhren hat 10 Millionen Suchanfragen des zweiten Halbjahres 2015 ausgewertet. Am häufigsten gesucht wurden vor allem Uhren einer Marke.
Die Rolex Submariner. Das ursprünglich als Sportuhr geplante Modell erfreut sich nicht nur großer Beliebtheit, sondern zeigt sich auch über Jahre als wertstabil. Ganz weit vorne in der Gunst der Kunden liegt die Version mit schwarzer Lünette.
Die Datejust ebenfalls von Rolex wurde erstmals 1945 präsentiert. Zehn Jahre später erhielt das Uhrglas eine kleine Lupe, die es erlaubt, das Datum genauer abzulesen. Mit 36 Millimetern Durchmesser ist sei vergleichsweise kompakt.
Die Cosmograph Daytona ist ebenfalls von Rolex und ist ausgerechnet als Stahlmodell vergleichsweise selten. Seit dem Jahr 2000 steckt in der Daytona auch ein eigenes Werk, zuvor wurde eines von Zenith verwendet.
Platz 4 geht an: Rolex. Die GMT-Master II ist eine Uhr, die mehrere Zeitzonen anzeigt. Die Lünette, ist drehbar und mit zwei Farben ausgestattet, die Tag und Nacht signalisieren. Ein eigener Zeiger ist für die Zeit in einer anderen Ecke der Welt.
Und auf Platz 5 folgt erstmals eine andere Marke, kaum weniger ikonisch: Omega. Das Modell Speedmaster, das auch als Moonwatch oder Speedy bezeichnet wird war ursprünglich eine Uhr für den Autorennsport. Sie war an Bord der Apollomission 1970.
Die Deloitte Switch Watch Study 2015 ermittelte, dass im Jahr 2014 gerade mal 11 Prozent der Unternehmenschefs die Smartwatches als eine Bedrohung sahen. 2015 war es immerhin schon ein Viertel der Befragten.
Die Anzahl der nachdenklichen CEOs dürfte weiter steigen. Oder sie üben sich in Zweckoptimismus, so wie der stets überenergetische Jean-Claude Biver. Er kaufte 1982 für 22.000 Franken die Marke Blancpain und verkaufte sie zehn Jahre später an Swatch. Heute ist er im Luxuskonzern LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton für die Marken Hublot, TAG Heuer und Zenith verantwortlich. Vergangenes Jahr gab TAG Heuer eine Zusammenarbeit mit Intel und Google bekannt. Dieses Jahr sollen rund 50.000 Smartwatches von TAG Heuer verkauft werden, 2017 sollen es schon 200.000 sein.
Starker Franken bringt schwächere Geschäfte für Uhrenkonzerne
Andere Marken aus dem Luxussegment suchen ihr Glück teilweise im Kompromiss. Das hamburgische Unternehmen Mont-Blanc hat mit dem E-Strap zumindest einen Activity Tracker im Angebot, der am Armband der mechanischen Uhr befestigt wird. Die Marke deGrisogono wiederum hat sich mit Samsung zusammengetan und präsentiert die Gear S2 by dG. Fossil zeigt ebenso eine Smartwatch mit Display statt Zeigern, hat aber auch Hybridmodelle, die einen Schrittzähler enthalten, aber analoge Zeiger besitzen.
Je teurer die Uhren, desto schwieriger die Integration elektronischer Komponenten, meint Jean-Claude Biver in einem Interview mit Schweizer Zeitung "Finanz und Wirtschaft". Vor allem die Uhrenmodelle bis 2000 Euro würden den Druck zu spüren bekommen. Hersteller, die überhaupt nur Uhren jenseits von 5000 Euro anböten, könnten laut Biver jedoch keine elektronische Uhr anbieten, ohne ihre Marke zu schädigen.
Die mechanischen Preziosen, die teils Kalender enthalten, die 100 und mehr Jahre nicht gestellt werden müssen, beziehen ihre Anziehungskraft auch aus der Langlebigkeit - Bauteile, die nach wenigen Jahren veraltet wären, passen nicht dazu.
Swatch-Chef Hayek bleibt betont gelassen. Schließlich sei die operative Gewinnmarge im Uhren- und Schmuckgeschäft zwar gefallen – aber nur von 22,1 auf 18,8 Prozent. Und mit der Konzerntochter Belenos, die bei Batterien weit vorne liegt, sei man andererseits beim technischen Fortschritt dabei.
Doch auch die Hersteller von Uhren, die mit Preisen jenseits der 10.000 Euro vornehmlich eine andere Klientel bedienen, haben 2016 auf der Leitmesse Baselworld keinen Grund zum Jubel. Noch immer steckt vielen die Aufhebung des fixen Wechselkurses des Franken zum Euro in den Büchern. Die Uhren wurden weltweit deutlich teurer, geplante Preissteigerungen wurden verschoben oder gleich ausgesetzt.
Rückgang in China
Dazu kommt der Rückgang der Umsätze in einem der wichtigsten Märkte für die Luxusuhrenhersteller: China. Das Anti-Korruptionsgesetz zeigte Wirkung, zudem kauften auch immer mehr Chinesen lieber unauffälligere Uhren als noch vor Jahren. Und eine schlichte Stahl-Uhr bringt eben deutlich weniger Umsatz als eine aus Gold mit möglichst reichlich Diamanten am Gehäuse.
Entsprechend zurückhaltend sind die 1500 Aussteller aus 40 Nationen auf der Baselworld mit einem Feuerwerk an Innovationen. Modellpflege und Konsolidierung stehen im Vordergrund. Die Exporte der Schweizer Uhrenindustrie sind im Januar weltweit um 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Nach Hong Kong, einem der wichtigsten Märkte für die Luxusindustrie, sogar um 33 Prozent. Entsprechend sind die Lager der Händler voller, so dass sie zurückhaltender bei den Produzenten bestellen dürften.
Und alle schielen am 21. März mehr oder minder nervös aus der Schweiz nach Kalifornien: Dort lädt Apple in Cupertino zu einer Präsentation ein. Und zeigt vielleicht den Nachfolger der erfolgreichsten Smartwatch der Welt.