Das hätte sich der alte König Harald Blåtand Gormson, der im ausgehenden 10. Jahrhundert die Dänen einte und fortan für seine Kommunikationsfähigkeit gerühmt wurde, auch nicht träumen lassen: Ein gutes Jahrtausend später wird sein Name zum Synonym für ein Phänomen, das es ermöglicht, Sprache oder Musik schnurlos und unhörbar bis zu 100 Meter weit zu übertragen und erst am Empfangsort wieder in Ton zu verwandeln.
Was zu Blåtands Zeiten glatt als höhere Magie durchgegangen wäre, trägt – heute – seinen (englischen) Namen: Bluetooth, jenen Kurzstreckenfunk, der von der schnurlosen Verbindung von Computermäusen mit dem PC über die energiesparende Kopplung von Smart-Home-Komponenten bis zur ebenso ungebundenen Highend-Klangübertragung vom Smartphone in den Kopfhörer reicht.
Flut von Neuheiten zur IFA
Vor allem letztere Eigenschaft verschafft dem Bluetooth-Funk in diesen Tagen eine besondere Aufmerksamkeit. Ob bei den deutschen Soundtüftlern von Beyerdynamik, den amerikanischen Klang-Künstlern von JBL, bei der britischen Verstärker-Schmiede Marshall oder beim Elektronikriesen Sony – wer immer auf der IFA in Berlin gleichermaßen Kommunikationstechnik- und Klangkompetenz demonstrieren wollte, präsentierte ein mehr oder minder umfangreiches Portfolio neuer Kopfhörer, bei denen der Sound nicht mehr per Kabel sondern via Funk den Weg zum Ohr findet.
Aus gutem Grund: Mit rund 130 Millionen weltweit verkauften Bluetooth-Headsets wird die Akustikbranche in diesem Jahr einen Absatzzuwachs von rund zehn Prozent und damit einen neuen weltweiten Verkaufsrekord und verzeichnen. Und fürs kommende Jahr rechnen die Marktforscher mit einem Wachstum in gleicher Höhe – mindestens.
Schnurlosmusik fürs neue iPhone 7
Denn Apples Entscheidung, beim neuen iPhone 7 auf einen Kopfhörerstecker zu verzichten, wird die Nachfrage nach Schnurloskopfhörern noch weiter in die Höhe treiben. Dabei hat sich Apple dieses Mal erkennbar mehr Mühe gegeben, seinem Smartphone passable Kopfhörer beizulegen. Gerade die frühen iPhone-Generationen zeichneten sich durch akustische Billigware aus und machten den Nachkauf passabler Akustikstöpsel mindestens für Freunde des ausgefeilten Klanges quasi zur Pflichtübung.
Nun bietet Apple selbst ein „AirPods“ genanntes Schnurloskopfhörer-Set an. Die knapp 180 Euro teuren Mikro-Boxen nehmen „schnurlos“ sogar so wörtlich, dass die beiden Ohrstecker nicht mal mehr ein Kabel verbindet. Stattdessen kommunizieren sie per Funk miteinander und mit den neuen iPhones – aber auch mit älteren Modellen bis zum iPhone 5, mit der Apple Watch sowie Macs und iPads.
Apple selbst geht nicht ins technische Detail, verspricht aber, der selbst entwickelte W1 Chip für die drahtlose Musikübertragung erlaube nicht bloß, bis zu fünf Stunden Dauerbeschallung, sondern auch eine besonders hochwertige und sichere Verbindung. Doch egal, ob Apple dabei auf einen eigenen Funkstandard setzt, oder nur einen neuen Namen für die etablierte Funktechnik gewählt hat, laut technischer Beschreibung beherrscht auch die neue Smartphone-Generation Bluetooth-Funk in der aktuellsten Version 4.2.
Unterschiedlichste Kopfhörer-Konzepte
Damit dürfte der Musikfreund seine vorhandenen Schnurloskopfhörer auch am neuen iPhone 7 weiter verwenden können. Für Besitzer hochwertiger Kabelhörer legt Apple den neuen Telefonen einen Adapter bei, der den klassischen analogen Klinkenstecker mit dem digitalen Lightning-Stecker verbindet und der auf diese Weise den Werterhalt des alten Hörers garantiert.
Und wer die Gelegenheit nutzen will – ob mit oder ohne neues iPhone – auf drahtlosen Klang umzusteigen, dem hat die IFA nun eine neue Vielfalt unterschiedlichster Bluetooth-Kopfhörer gebracht.
Fünf interessante Exemplare stellen wir Ihnen im Folgenden vor.
Bluetooth-Kopfhörer für Freunde klaren Hörens
Optisch erinnert der Bluetooth-Kopfhörer Trekz Titanium des US-Hersteller AfterShokz an einen regulären Sportkopfhörer mit einem im Nacken verlaufenden Tragebügel. Beim genauen Hinsehen aber fällt ein irritierendes Detail auf. Wenn der Bügel richtig aufgesetzt ist, liegen die Lautsprecher vor den Ohren auf dem hinteren Wangenknochen auf. Und das soll so sein, denn der nach IP55 gegen Staub, Wasser und Schweiß geschützte Trekz Titanium ist ein sogenannter Vibrationskopfhörer und der überträgt den Klang nicht über die Trommelfelle ins Ohr sondern über die vor den Ohren liegenden Gehörknochen. Das sieht ungewöhnlich aus, fühlt sich (zumindest am Anfang) etwas ungewöhnlich an und klingt für den Nutzer auch nicht ganz so, wie er es von einem HiFi-Kopfhörer gewöhnt ist.
Dennoch liefert der umgerechnet rund 140 Euro teure Klangbügel einen zumindest für den sportlichen Gebrauch recht ordentlichen Klang. Wer den Bassverstärker aktiviert bekommt, neben sehr ordentlichen Höhen und Mitten auch leidlich brauchbare Tiefen ins Gehör vibriert – bei minimaler akustischer Belastung der Umstehenden. Und bei umgekehrt ebenso geringer Beeinträchtigung des Gehörs beim Träger. Denn weil die Gehörgänge offen bleiben, leidet die Wahrnehmung der Umgebung beim Titanium nicht im Entferntesten so wie bei klassischen In-Ears. Wer zum Joggen oder Radeln aufbricht, kann also für rund fünf Stunden lang der Musik lauschen - ohne dass er herannahende Radler oder Autofahrer überhört.
Der Byron BT ist mit 99 Euro das günstigere von zwei neuen (den beiden ersten) In-Ear-Bluetooth-Headsets, das der Heilbronner Audio-Spezialist zur IFA vorgestellt hat. Die beiden Klangstöpsel liefern einen angenehm ausgewogenen Klang mit klaren Höhen und ohne übertriebene Bässe. Fans des elaborierten Wumms im Ohr dürfte es beim Byron allerdings etwas an Durchschlagskraft in den Tiefen fehlen.
Die Hörer sind über ein kurzes Flachkabel verbunden, das sich erfolgreich gegen die übliche Neigung zum Verknäueln wehrt und auch durch auch das kleine Bedienungsmodul mit integriertem Freisprechmikrofon und Akku verläuft. Darüber lässt sich nicht nur die Lautstärke regulieren, sondern auch zwischen Musikstücken wechseln oder Anrufe managen. Die Klangübertragung (10-23.000 Hz) läuft – sofern vom Handy unterstützt – über den weitgehend verlustarmen Audio-Standard aptX und soll bis zu sieben Stunden mit einer Akkuladung durchhalten.
Wer noch ein paar Hertz mehr herauskitzeln (10 bis 25.000 Hz) und Apples verlustfreien AAC-Codec für die Klangübertragung nutzen möchte, der greift zum Top-Modell, dem Byron BTA, der dann aber (inklusive Ladeschale) 199 Euro kostet.
Absoluter Minimalismus, gepaart mit einer gehörigen Portion Klangdynamik, auf diese Eigenschaften lässt sich der kleinste und leichteste Bluetooth-Kopfhörer von JBL verdichten. Nicht mal 20 Gramm wiegt der Winzling mit seinen charakteristischen gehörnten Ohrsteckern. Die dreht der Benutzer sozusagen in seine Ohrmuschel hinein. Das sorgt für festen Sitz beim Sport, ohne jedoch in den meisten Fällen ernsthaft zu drücken. Notfalls hat JBL noch zwei weitere Alternativstecker ins Set gepackt.
Passen die Stecker, dichtet der 99 Euro teure Reflect Mini BT das Ohr gut ab und lässt so im Gehörgang einen recht vollen Klang, Rock- und Pop-tauglichen entstehen. Wie geschaffen für dynamische Beats, die einen beim Sport antreiben sollen. An die klangliche Finesse ausgewogener konstruierter und weniger auf Allwetterfähigkeit ausgelegter In-Ear-Hörer reicht der wasserfeste Mini von JBL aber nicht heran.
Soll er auch nicht. Er ist der robuste Antreiber für unterwegs; und das feine, mit besonders stark reflektierender Farbe (daher der Name) bestrichene Kabel, das die Ohrstöpsel und die Fernbedienung verbindet, sorgt bei Dunkelheit sogar noch für etwas bessere Erkennbarkeit. Alleine auf die Reflexionskraft diese Kopfhörer aber sollte sich der Läufer in der dunklen Jahreszeit nicht verlassen. Als wirkliches Warnsignal ist der JBL einfach zu winzig geraten.
Kopfschmuck für Audiophile
Unter Musikern haben die Verstärker der Soundschmiede Marshall aus Großbritannien Kultcharakter, und es gibt genug Musik-Fans, die auch bei Kopfhörern auf ihre Marshall Headphones schwören.
Mit dem Major II Bluetooth haben die Briten für 149 Euro ein On-Ear-Headset auf den Markt gebracht, dass neben der klassischen Optik in Schwarz und Gold mit dem weißen Markenschriftzug nicht nur absolut stilecht aussieht. Es klingt auch so. Auch wenn die 40-Millimeter-Treiber in den Hörmuscheln nicht ganz so einen Bums erzeugen, wie etwa die extrem basslastigen Beats, der Major II BT setzt bei den Tiefen Akzente.
Und das ausgesprochen ausdauernd, denn weil das On-Ear-Gehäuse nicht nur Lautsprechern sondern auch dem Akku reichlich Platz bietet, reicht die Batterieladung weit über einen Tag Dauerbeschallung hinaus. Marshall verspricht gar 30 Stunden Dauerbetrieb. Und wenn der Akku tatsächlich mal leer ist, kommt Musik noch immer per anstöpselbares Kabel in den Hörer. Im Bluetooth-Betrieb lässt der Klinkenstecker-Anschluss übrigens als Soundbrücke zum nächsten Kabel-Kopfhörer nutzen ... und der Musikgenuss so weitergeben.
Auch wenn die meisten Käufer von Bluetooth-Kopfhörern bisher zu möglichst kompakten In-Ear-Modellen greifen, es gibt auch das andere Extrem. Opulente Over-Ear-Boxen etwa wie den edlen P7 Wireless der britischen Klangkünstler von Bowers&Wilkins. Den nur als mobiles Headset (samt Mikrofon) fürs Smartphone zu nutzen, greift sicherlich zu kurz – obwohl das natürlich geht.
399 Euro kostet der Kopfschmuck für Audiophile, und unter den sehr ordentlich gegen Außengeräusche abschirmenden ledernen Ohrmuscheln vernimmt der Musikfreund tatsächlich einen feinen, detailreichen Soundmix. Die Treiber in den großen Hörern zeichnen einzelne Instrumente ohne überladene Bässe erfreulich plastisch in den Klangraum, der sich – anders als bei In-Ears – erkennbar akustisch außerhalb der Hirnschale aufbaut. Konzertsaal statt Hardrock-Bühne, könnte man die Charakteristik zusammenfassen.
Das gilt, dank des zur schnurlosen Übertragung der Musik genutzten Audio-Codecs aptX (und erst bei Übertragungen über Apples AAC-Codec) auch im Bluetooth-Betrieb. 17 Stunden Batterie-Power verspricht B&W. Und legt zudem ebenfalls noch ein traditionelles Audiokabel bei.