Sebastian hat ein schönes Rennrad mit Francesco Moser-Rahmen. Damit fährt er jeden Tag ins Büro, es sind etwa zwölf Kilometer. Klaus fährt mit der U-Bahn ins Büro, nutzt aber zum Einkaufen ein praktisches Stadtrad mit Nabenschaltung, gefederter Sattelstütze und stabilem Gepäckträger. Isabella wohnt am Stadtrand und fährt auch bei Regen. Sie nutzt ihr Trekking-Rad mit 24-Gang-Kettenschaltung, um zügig ins Zentrum zu kommen.
Drei Großstadtbewohner mit drei völlig unterschiedlichen Rädern, die Aufzählung verschiedener Fahrrad-Typen ließe sich noch lange fortsetzen. Es wird aber schnell klar, dass es das "City Bike" eigentlich gar nicht gibt. Sondern höchstens unterschiedliche Zweirad-Typen, die mehr oder weniger zu den eigenen Bedürfnissen und Vorlieben passen. Das bestätigt auch René Filippek, Experte beim ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub): "Das ideale Stadtrad gibt es so nicht, weil die individuellen Bedürfnisse zu unterschiedlich sind."
Praxistipps beim Fahrradkauf
Für kürzere Distanzen und Wartungsmuffel: Nabenschaltung. Für größere Entfernung oder hügeliges Gelände: Kettenschaltung.
Gemeinsam mit dem ADFC-Experten René Filippek bringt Wiwo.de die Checkliste für den Kauf des City Bikes.
Durchaus empfehlenswert, weil wartungsarm, aber nicht unbedingt nötig.
In Deutschland beliebt, aber relativ geringe Bremskraft. Besser sind zwei Handbremsen.
Gehen leicht kaputt, müssen gelegentlich nachgestellt werden. Besser ist ein bequemer gefederte Sattel.
Schützt die Hosenbeine vor Verschmutzung, ist aber bei Kettenschaltungen ein Quell des Ärgers, weil unzuverlässig und schadensanfällig.
Fest montiert unbedingt zu empfehlen.
Zuverlässig und besser als Batterielicht.
Typisch für Stadträder, aber eher Geschmackssache.
Sinnvoll, bei Fahrten, die häufig unterbrochen werden oder für ältere Menschen. Allerdings sind solche Rahmen meist nicht so steif wie Diamantrahmen; das könnte ein Problem bei schwerer Zuladung sein.
Gut, wenn man schwere Einkäufe transportiert oder ein Kindersitz montiert hat.
Sinnvoll, verhindern manche Reifenpanne.
Beide Werkstoffe sind im Prinzip gut. Hier kommt es eher auf die Sorgfalt bei der Fertigung an, deshalb Vorsicht bei Billigrädern. Stahl sollte den Zusatz CrMo oder 25CrMo4 (Chrom-Molybdän) tragen, Hi Ten-Stahl ist beim Rahmen nicht so gut.
Beides ist gleich gut, entscheidend ist die Sorgfalt bei der Fertigung.
Sehr verwindungssteif und leicht, aber auch teuer. Spielt bei City Bikes praktisch keine Rolle.
Das nüchterne, zweckmäßige City Bike mit stabilem Gepäckträger und Nabenschaltung ist da nur noch eines von vielen Modellen. Es spielt seine Rolle als letzzes Relikt einer Zeit, als Fahrräder noch nicht schick waren und noch nicht unter dem Schlagwort "Urban Bike" vermarktet wurden.
Unter diesem Schlagwort findet man heute elegante Nostalgie-Räder mit Ledergriffen und Stahlrahmen, teure Hightech-Maschinen mit 14 Gang-Nabenschaltung und Zahnriemenantrieb, behäbige Retro-Gleiter mit Ballonreifen oder leichte Flitzer ohne Gepäckträger, aber mit 30-Gang-Kettenschaltung. Nicht zu vergessen die mehr oder weniger schrulligen Exoten mit fragwürdigem Nutzwert aber hohem Spaßfaktor.
Die bunte Auswahl macht offenbar auch den Käufern Spaß. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) wurden 2013 rund 3,8 Millionen Fahrräder verkauft, E-Bikes eingeschlossen. Urban Bikes machen nach den Trekking-Bikes die meistverkaufte Modellgruppe aus. Im Durchschnitt geben deutsche Verbraucher 520 Euro pro Fahrrad aus. Das Qualitätsbewusstsein ist laut ZIV in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Und 65 Prozent der Deutschen wollen 2014 wieder "mehr Fahrrad fahren".
Gibt es trotz der riesigen Auswahl nicht doch einige Aspekte, die man beim Fahrradkauf beachten sollte, wenn es hauptsächlich um Mobilität in der Stadt geht? Die gibt es natürlich schon. Aber worauf kommt es beim Fahrradkauf an?
Was wirklich zählt
Ein Hauptkriterium ist die Wartung. Wer fünf Mal die Woche mit dem Rad zur Arbeit fährt, wird in der Regel ein wartungsarmes, unkompliziertes Modell bevorzugen. Das spricht für Komponenten wie den zuverlässigen und vor Regen geschützten Nabendynamo und eine Nabenschaltung. Letztere ist aber nicht immer die richtige Wahl. In hügelig angelegten Großstädten oder wenn die täglich zurückgelegten Wege sehr lang sind, ist die Kettenschaltung oft die bessere Wahl. Sie ist zwar wartungsintensiver, bietet aber ein wesentlich größeres Übersetzungsverhältnis, so dass man auch Steigungen leichter überwindet.
Typisch für klassische Stadträder ist auch die aufrechte Sitzhaltung. Am Fahrrad im Laden erkennt man sie daran, dass der Lenker meist relativ hoch ist und der Abstand zwischen Lenker und Sattel etwas kleiner. Die herrschaftliche Sitzhaltung gewährt den schönen Rundum-Blick, allerdings ist sie nicht ideal für schnelle Fahrer, die sich auf die Fahrbahn konzentrieren müssen.
Bis vor einigen Jahren waren Federgabeln oder gefederte Sattelstützen in Mode. Hier gilt die Faustregel: Nur gut, wenn teuer. Billigere Modelle machen das Fahren eher instabil.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist das Gewicht. Wer sein Fahrrad täglich in den Keller trägt und an einem Wandhaken aufhängen muss, ist dankbar für ein Rad, das weniger als 15 Kilo wiegt.
Glaubenskriege um Aluminium und Stahl
Wahre Glaubenskriege werden von Zweiradfans beim Rahmen ausgetragen. Soll es ein Stahlrahmen sein oder einer aus Aluminium? Oder gar einer aus Carbon? Fahrräder mit Stahlrahmen sind schwerer und gehören meistens zur klassischen Sorte. Die Rahmen bieten in der Regel eine gewisse Elastizität beim Fahren und sind sehr zugfest und langlebig. Allerdings muss es dann ein Rahmen aus Chrom Molybdän (25CrMO4) sein, der sogenannte Hi-Ten-Stahl ist nicht so hochwertig.
Bei den leichten Alu-Rädern verwenden die Hersteller entweder die Alu-Legierung 6061 oder 7005. In den Zweirad-Foren bietet das eine Menge Diskussionsstoff. Alu 6061 gilt bei manchen als etwas elastischer im Fahrverhalten, Alu 7005 dagegen als fester und steifer.
Solche Unterscheidungen lassen sich in der Praxis allerdings kaum nachweisen, zumal für den Fahrkomfort Aspekte wie die Rahmengeometrie, die Sitzhöhe und die Lenkerhöhe viel ausschlaggebender sind. Eine eindeutige Empfehlung für den Kauf lässt sich aus der Alu-Legierung nicht ableiten, auch wenn manche Hersteller bei Alu 6061 mit der schönen Bezeichnung "Flugzeug-Aluminium" werben.
Carbon-Räder erfordern viel Know-how in der Fertigung und sind daher sehr teuer. Sie sind dafür sehr leicht und verwindungssteif, machen dann aber wiederum Ärger bei einer Reparatur, weil diese wieder eine Menge Know-how erfordert. Für den Großstädter sind sie daher nicht erste Wahl.
Aluminium oder Stahl, Naben- oder Kettenschaltung, Federgabel oder starre Gabel, man kann all diese Erwägungen einfach weglassen und ein Fahrrad anschaffen, das schön ist und Freude macht. In diese Kategorie fallen die Retro-Cruiser. Beim Start an der Ampel legen die behäbigen Dickschiffe mit den fetten Reifen nicht gerade einen Katapultstart hin. Doch beim gemütlichen Gleiten durchs Stadtviertel oder auf der entspannten Fahrt zum Kinoabend, machen sie eine Menge Spaß.
Und Spaß ist am Ende vielleicht genau das, was wirklich zählt.