
Spektakuläre Dopingfälle haben den Radsport in Verruf gebracht. Doch selbst die engmaschigen Kontrollen von Blut- und Urinproben können die kriminelle Energie mancher Teams nicht bremsen. Nun manipulieren sie eben die Rennräder mit versteckten Motoren: Technik-Doping statt Blut-Doping.
Die Veranstalter der großen Rennen wie der gerade laufenden Tour de France, des Giro d’Italia oder der Crossrad-Weltmeisterschaften rüsten ihrerseits auf, um Betrügereien auf die Spur zu kommen. Erste Fälle haben sie aufgeschreckt. Bei den Cyclocross-Weltmeisterschaften in Belgien Anfang des Jahres entdeckten Kontrolleure erstmals ein Rad mit Hilfsmotor. Es soll der belgischen Fahrerin Femke van den Driessche gehören. Die aber bestreitet, es benutzt zu haben.
Die illegalen Basteleien der Profis haben aber auch etwas Gutes: Sie beschleunigen den Trend zu immer kleineren und leichteren Elektromotoren und Akkus. Denn nur dann lassen die sich in schmalen Rennrädern verstecken.
Fakten zur Fahrradindustrie
Im Jahr 2014 wurden 2,165 Millionen Euro durch Fahrradverkäufe umgesetzt. Zum Vergleich: 2000 lagen die Umsätze mit knapp 1,8 Millionen Euro noch deutlich darunter.
Quelle: Statista // Confederation of the European Bicycle Industry, Industry and Market Profile 2015 , ZIV
Allein durch die Produktion von Fahrradteilen und -zubehör wurden in Deutschland 2014 286 Millionen Euro erwirtschaftet.
Was den Fahrradbestand betrifft, liegen aktuellere Zahlen vor. Er bleibt - genauso wie im Vorjahr - auch 2015 bei 72 Millionen Rädern.
Importiert werden die meisten Fahrräder aus Kambodscha. 2015 machten sie einen Anteil von 21 Prozent aus.
Auch europaweit ist die Produktion von Fahrrädern in den letzten Jahren stetig gestiegen. 2014 wurden knapp 12 Millionen Räder produziert. Betrachtet man die Produktion seit 2000 ist der Höchststand von circa 14,5 Millionen Fahrrädern im gleichen Jahr jedoch nach aktuellem Stand ungebrochen.
Was die Fahrradpreise betrifft, so liegt Deutschland mit 528 auf dem zweiten Platz. Noch teurer sind die Räder nur noch in den Niederlanden, wo sie durchschnittlich 844 Euro kosten.
Die Produktion von E-Bikes ist seit 2010 rapide gestiegen - und zwar von 127.000 Exemplaren im Jahr 2010 auf 305.000 im Jahr 2015. Gleiches gilt für den Absatz: Er war im vergangenen Jahr mit 535.000 abgesetzten Rädern in Deutschland am höchsten. Auch in der europäischen Union stieg der Absatz von 2014 auf 2015 auf insgesamt knapp 1,14 Millionen Räder. 2006 waren es gerade einmal 98.000.
So profitieren sogar Alltagsradler von den Tricksereien, weil E-Bikes nur noch 10 statt 25 Kilogramm wiegen. Und auch sie wünschen sich, unentdeckt zu bleiben, wenn sie mit elektrischer Unterstützung leichtfüßig Berge erklimmen. Folgerichtig reagieren die Hersteller mit Nachrüstsätzen und immer filigraneren Modellen.
Nachfrage nach unsichtbaren Motoren steigt
So bietet die österreichische Firma Vivax Assist eine clevere Lösung zum nachträglichen Einbau an: Versteckt im Sattelrohr wirkt ein 200 Watt starker Antrieb direkt auf die Tretkurbel. Ein Druck auf den Knopf am Lenker, und der Motor schiebt an. Der Akku, getarnt als Satteltasche oder Trinkflasche, hat Power für 90 Minuten. Das komplette System wiegt nur 1,8 Kilogramm und kostet ab 2900 Euro.
„Wir suchen ständig nach noch kleineren Antrieben und Akkus“, sagt auch David Horsch, Gründer der Heidelberger Edelfahrradschmiede coboc. Vor allem jüngere Kunden wollten schöne E-Bikes – ohne hässlichen Akkublock und dicken Motorknubbel. Ihnen reichen laut Horsch auch Reichweiten von 80 Kilometern, wenn nur ja niemand erkennt, dass da ein Motor mitradelt.





Eine steigende Nachfrage nach Miniantrieben registriert auch Christian Gerlach, Geschäftsführer des Motorenherstellers Kappstein aus Gotha in Thüringen. Es gibt jedoch eine Herausforderung: „Je kleiner der Motor, desto höhere Drehzahlen muss er erreichen, um leistungsfähig zu sein“, sagt Gerlach. Höhere Drehzahlen bedeuten mehr Lärm, sie machen unter Umständen ein Getriebe notwendig, was Platz und Gewicht kostet, und erhöhen die Temperatur an der Einbaustelle des Motors.
Womit sich wiederum die Trickser im Profisport verraten. Bei der Tour de France suchen die Kontrolleure nach genau diesen Wärmeinseln mit Infrarotkameras – bereitgestellt von der französischen Atombehörde.