Fotografie Was Smartphone-Apps für Digitalkameras bringen

Viele Digitalkameras sind inzwischen Wlan-fähig und können mit dem Smartphone zusammenarbeiten. Apps übertragen Geo-Daten auf die Kameras oder dienen als Fernsteuerung. Die spannendsten Funktionen und Praxistipps.

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Die Vorteile von Wifi-Kameras liegen auf der Hand. Wie Sie den Spagat zwischen Kompaktkamera und Smartphone meistern. Quelle: Pressebild, Montage

Vor wenigen Jahren galten Apps für Digitalkameras als Spielerei für Nerds, die auch beim Fotografieren ihr Smartphone nicht aus der Hand geben wollen. Heute ist aus dem Trend ein Standardfeature geworden, an dem auch klassische Anbieter wie Nikon oder Canon nicht vorbeikommen.

Doch wozu braucht man überhaupt noch eine Digitalkamera, wenn sowieso jedes Smartphone eine integrierte Kamera hat? Zum einen ist eine Digitalkamera nützlich, wenn man qualitativ hochwertige Fotos ins Web stellen will. Zum anderen hat eine Digitalkamera ein wesentlich leistungsfähigeres Zoomobjektiv als ein Smartphone. In die flachen Smartphone-Gehäuse passt nun mal kein Teleobjektiv für die Nahaufnahme vom Löwen im Tierpark.

Das Gespann aus Smartphone und Digicam erweitert die fotografischen Möglichkeiten beträchtlich. Im Wesentlichen gibt es vier Grundfunktionen:

Vier Grundfunktionen beim Duo Digitalkamera und App

Welchen Nutzen bringen die Apps im Fotografie-Alltag? Wir haben sechs Digicams der führenden Hersteller und ihre Zusammenarbeit mit der dazugehörigen App getestet. Es handelt sich um WiFi-taugliche Kameras von Canon, Nikon, Panasonic, Sony, Fujifilm und Olympus. Als Smartphone wurde ein Android-Gerät von Mobistel mit 5-Zoll-Display genutzt. Die Apps gibt es aber genauso für Apples iOS. Nachfolgend finden Sie die getesteten Produkte:

Fujifilm Camera Remote

Ausprobiert wurde die App mit der Fujifilm X30, eine hochwertige Kompaktkamera im soliden Metallgehäuse.

Die Fujifilm-App bietet drei Grundfunktionen. Sie überträgt Standortdaten auf die Kamera, holt sich die Fotos von der Digicam aufs Smartphone oder Tablet und dient als Fernbedienung. Der Verbindungsaufbau funktioniert problemlos. Beim Fotografieren über Smartphone stehen eine Reihe von Einstellmöglichkeiten zur Verfügung. Man kann Parameter wie Weißabgleich, ISO-Wert und Blitzmodus einstellen. Über einen virtuellen Schieberegler auf dem Smartphone-Display lässt sich die Helligkeit der Aufnahme regeln. Auch Filtereffekte stehen zur Verfügung. Eine Fujifilm-Spezialität sind die Filmsimulations-Filter. Dabei wendet man den Look klassischer Analog-Kleinbildfilme an.

Auch Zoomen ist mit der App eigentlich möglich - mit der X30 funktioniert dies aber nicht, da hier die Brennweite von Hand über einen Zoomring am Objektiv verstellt wird. Videoaufnahmen per App sind nicht vorgesehen.

Fazit: Eine leistungsfähige App, die auch Hobbyfotografen zufriedenstellt.

Nikon Wireless Mobile Utility

Verwendet wurde eine Nikon Coolpix S9900, eine reich ausgestattete Digicam mit starkem 30-fachen Zoom, GPS-Modul und nach allen Seiten schwenkbarem Display.

Nikons App kommt optisch etwas schlicht daher. Es gibt zwei Funktionsbereiche: Bilder von der Kamera auf das Smartphone übertragen oder das Smartphone als Fernsteuerung benutzen. Videoaufnahmen per App sind nicht möglich. Immerhin kann man beim Fotografieren den Zoom verändern und die Bildhelligkeit direkt in der App regeln. Ein etwas kurioses Feature ist die Möglichkeit, die Fotos nicht auf dem Smartphone-Display auszulösen, sondern über den Auslöser der Digicam, und zwar auch dann, wenn die Fernsteuer-App aktiv ist. Der Sinn erschließt sich dem Autor nicht.

Standortdaten vom Smartphone kann man ebenfalls auf die Fotos übertragen, falls die Digicam kein eigenes GPS-Modul hat.

Der Verbindungsaufbau klappt gut. Betätigt man den Zoom in der App, muss man allerdings immer etwas warten, weil das Objektiv der Nikon mit deutlicher Verzögerung reagiert.

Fazit: Die App Wireless Mobile Utility überwältigt nicht gerade durch Funktionsreichtum, ist aber leicht zu bedienen und unkompliziert. Von der App eines führenden Kameraspezialisten würde man aber mehr erwarten.

Olympus, Panasonic und Sony

Olympus Image Share

Zum Einsatz kam die wasserdichte Outdoorkamera Olympus Stylus Tough TG-4.

Die App Image Share überträgt Fotos auf Smartphone oder Tablet, dient als Fernbedienung und erlaubt dabei auch die Einstellung der Belichtungswerte. Bei Olympus-Modellen ohne GPS überträgt die App die GPS-Daten vom Handy auf die Digicam.

Im Test klappt der Verbindungsaufbau zwischen Kamera und App ohne Probleme über einen QR-Scan: Einfach den Code auf dem Digicam-Display mit der Smartphone-Kamera ins Visier nehmen und die App baut eine Verbindung auf. Beim Fotografieren lassen sich auch Einstellungen wie Weißabgleich, ISO-Wert, Blendenwerte oder Aufnahmemodus regeln und der Zoom betätigen. Videos lassen sich nicht per App starten.

Die Tough TG-4 verkraftet Tauchgänge bis zu 15 Metern Tiefe. Unter Wasser bricht der Funkkontakt zum Smartphone aber sofort ab. Solange das WiFi-Modul auf der Oberseite der Kamera noch aus dem Wasser ragt, funktioniert die Fernsteuerung. Taucht die Digicam komplett ein, ist die Verbindung weg.

Tipps zum steuern einer Digicam per Smartphone-App

Fazit: Unproblematischer Verbindungsaufbau und einfache Bedienung zeichnen die Olympus-App aus. Die Funktionsvielfalt ist ausreichend, aber nicht üppig.

Panasonic Image App

Getestet wurde mit einer Lumix DMC-GF7, eine kompakte Systemkamera mit Wechselobjektiv.

Die App von Panasonic ist neben der noch zu beschreibenden App von Sony (siehe unten) Spitzenreiter in Sachen Funktionsvielfalt. Der Anwender kann Fotos auf das Smartphone hochladen und die Digicam fernsteuern. Dabei sind nicht nur Fotos möglich, sondern auch Videoaufnahmen. Natürlich überträgt die App auch Geo-Tags vom Smartphone auf die Digicam.

Beim Fotografieren via Image App sind vor allem die vielen Einstellmöglichkeiten interessant. Der Anwender kann den Zoom steuern, das Seitenverhältnis der Fotos festlegen und alle wichtigen Belichtungswerte regeln. ISO-Wert, Autofokusmodus, Belichtungsmessung, Weißabgleich, alles ist über die App zugänglich. Auch Filtereffekte fügt man bei schon beim Fotografieren hinzu. Viel mehr Einstellmöglichkeiten bietet auch die Kamera selbst nicht.

Der Verbindungsaufbau zum Smartphone funktioniert auf Anhieb. Zu beachten ist, dass man die Brennweite in der App nur bei Digicams mit elektronischer Zoomregelung verstellen kann. Bei den Wechselobjektiven an der Lumix GF7 wird die Brennweite aber mechanisch über den Zoomring am Objektiv verändert und lässt sich daher nicht in der App einstellen.

Fazit: Eine sehr leistungsfähige App mit enorm vielen Einstellmöglichkeiten. Sogar Videoaufnahmen sind per App möglich. Die Image App ist ein starkes Verkaufsargument für Panasonic-Digicams.

Sony Play Memories Mobile

Hier kam eine von Sonys "Lens Style Cameras" zum Einsatz, die Cybershot DSC-QX30.

Sony DSC QX30 Quelle: Mehmet Toprak

Die Sony-Software gehört zu den leistungsfähigsten Apps im Testfeld. Neben Standardfunktionen wie dem Übertragen der Bilder oder dem Hinzufügen der Geodaten stehen beim Fotografieren und Filmen jede Menge Einstellmöglichkeiten zur Verfügung. Fast so, als hätte man die Kamera selbst in der Hand, stellt man Parameter wie Bildformat, Fokusmodus, Belichtungsmessmethode, Brennweite, ISO-Wert und Weißabgleich ein.

Ihre Qualitäten entfaltet Play Memories Mobile besonders mit Sonys "Lens Style Cameras". Die QX30 ist eigentlich ein Zoomobjektiv mit Bildsensor, Bildprozessor und Anschluss für eine Speicherkarte. Kameratypische Bedienelemente und Display sucht man vergebens. Fotografieren kann man mit der Kamera erst, wenn man sie über einen Klammermechanismus am Smartphone befestigt. Danach stellt man die Funkverbindung zum Smartphone her. Das kuriose Gespann aus Smartphone und angeklemmter Optik verwandelt sich in eine Digicam mit allen Schikanen.

Der Vorteil des Konzepts hängt vom Blickwinkel ab. Man kann entweder sein Smartphone mit einem erstklassigen Kameramodul aufrüsten oder seine Digicam mit einem Riesendisplay aufmotzen und die Fotos direkt ins Web hochladen.

Fazit: Play Memories Mobile bietet enorm viele Einstellungen, sogar Videos lassen sich drehen. In Verbund mit einer Objektivkamera von Sony entfaltet die App ihre ganzen Qualitäten.

Canon und abschließende Bewertung

Canon Camera Connect

Im Praxistest haben wir die Canon-App mit der Powershot G1X Mark II ausprobiert. Die G1X ist eine anspruchsvolle Kompaktkamera mit lichtstarkem Objektiv und vielen Einstellmöglichkeiten für engagierte Hobbyfotografen.

Die Software von Canon gehört zu den eher schlichten Apps, die sich auf Grundfunktionen beschränken. Gleich zu Beginn des Tests eine kleine Panne: Hat man die im Handbuch einer WiFi-tauglichen Canon-Digicam genannte App "Camera Window" installiert, wird man aufgefordert, eine neue Version namens "Camera Connect" herunterzuladen und zu installieren. Das Problem besteht nun schon seit einigen Monaten - höchste Zeit für Canon, die Bedienanleitungen auf den neuesten Stand zu bringen, vor allem, wenn es sich um leicht zu aktualisierende PDFs handelt.

Gemessen an der Funktionsvielfalt der Kamera ist die App sehr einfach geraten. Viel mehr als die Standardfeatures wie Bilder übertragen, GPS-Daten einfügen und Fernauslösung bietet sie nicht. Zwar kann man zoomen und ein paar Belichtungseinstellungen verändern, mehr aber auch nicht.

Fazit: Die Canon App Camera Connect ist eine solide, aber sehr schlichte App. Sie bietet nur wenig Gestaltungsspielraum.

Abschluss-Bewertung

Für die Kamerahersteller sind die Smartphone-Apps ein unerwartetes Geschenk. Jahrelang hatten Smartphones auf den Absatz gedrückt, vor allem Kompaktkameras verkaufen sich laut Photoindustrie-Verband immer schlechter. Durch die Smartphone-Apps haben die Kamera-Hersteller die Chance, ihre Produkte mit einem attraktiven Gadget auszustatten.

Der größte Nachteil der Technik besteht darin, dass WiFi und GPS eine Menge Strom ziehen. Wer mit Digicam und Smartphone unterwegs ist, viele Fotos macht, diese mit GPS-Daten versieht und hochlädt, wird schnell einen zweiten Akku brauchen.

Bei der Fernsteuerung via Smartphone ist die relativ geringe Reichweite der Funkverbindung das größte Manko: In der Regel ist nach zehn Metern Schluss. Profis, die für bestimmte Foto-Shootings auf Fernauslöser angewiesen sind, kaufen sich Funkfernsteuerungen. So hat etwa Nikons WR-R10 für Spiegelreflexkameras eine Reichweite von 20 Metern, die sich durch den Einsatz von zwei Fernsteuermodulen auf bis zu 50 Meter ausdehnen lässt. Manche Funkauslöser bieten sogar eine Reichweite von 100 Metern und mehr, etwa für die Action-Cams von GoPro oder Rollei.

Zudem warnen Datenschützer vor Geo-Tags. Wer regelmäßig getagte Bilder auf Online-Landkarten platziert oder sogar komplette Reiserouten daraus bastelt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies auch für Datenschnüffler interessant sein könnte.

Im Test wird schnell klar, dass die Systeme bei einigen Herstellern noch nicht ganz ausgereift sind. Der Aufbau der Verbindung funktioniert oft anders als im Handbuch beschrieben erst dann zuverlässig, wenn man das Android-Smartphone zuerst nach Wlan-Netzwerken suchen lässt und erst danach die Verbindung zur Digicam aufbaut. Hier ist viel Ausprobieren angesagt.

Qualität und Funktionsumfang der Apps sind sehr unterschiedlich. Der Praxistest zeigt, dass die Apps von Sony oder Panasonic sehr viele Funktionen bieten, die Apps von Nikon oder Canon dagegen nicht so üppig ausgestattet sind. Vor dem Kauf einer Digitalkamera sollte man sich also überlegen, ob man eine Smartphone-App dazu nutzen will und welche Funktionen gewünscht sind.

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