




Die attraktivste Online-Plattform, die coolste App auf dem Smartphone oder der per Software erweiterbaren Kamera wird darüber entscheiden, welche Marken in der Bilderbranche Zukunft haben. Bei den Verantwortlichen der klassischen Hersteller müssten alle Alarmsirenen tönen, wenn sie sehen, dass heute App-Anbieter wie Instagram oder Netz-Dienste wie Pinterest als Trendsetter der Fotowelt gelten. Und nicht mehr die Kameraproduzenten selbst.
In diesem sich radikal wandelnden Markt mit eigenen Cloud-Angeboten präsent zu sein, wird über kurz oder lang zur Überlebensfrage für eine Kamerabranche, die heute schon unter drastisch schrumpfenden Geräteverkäufen ächzt.
Genau deshalb ist Canons Irista zwar bisher enttäuschend wenig attraktiv, aber im Grunde alternativlos. Die Plattform ist der letzte Weckruf für die Kamera-Dinosaurier, das Zukunftsgeschäft nicht gänzlich der Online-Konkurrenz zu überlassen, die in Sachen Software und Services ohnehin viel agiler und kreativer ist, als die hardware-fokussierten Ingenieurstruppen der traditionellen Foto-Konzerne.
Ehrlich gesagt, ist das neue Angebot, wenn man das Canon zugute halten will, denn auch kaum mehr als der Wechsel von der geschlossenen zur offenen Beta-Phase, der ein rascher Ausbau von Funktionalität und Vernetzung folgen muss. Zumindest inoffiziell deuten die Verantwortlichen auch an, dass ihr entwickeltes Produkt vermutlich bereits zur Photokina im September funktional deutlich aufgewertet wird.
Und nicht bloß das: Bei Canon weiß man, dass Cloud-Dienste wie Irista auf Dauer der Anker sein müssen, um die Kunden im Web-Zeitalter an die Marke zu binden. Fotos, mit einer (Canon-) Kamera geschossen oder dereinst womöglich mit einer (Canon-) Kamera-App auf dem Smartphone aufgenommen, müssen per Auto-Upload direkt im Canon-Online-Speicher landen. Der wiederum muss die Möglichkeit bieten, die Bilder optimiert direkt auf (Canon-) Druckern auszugeben oder über einen externen Dienstleister als Fotobuch produzieren lassen.
Gadgets
Angesichts dessen fragt man sich, warum die Japaner nicht beispielsweise längst das Entwicklerteam hinter der großartigen „Camera+“-App gekauft haben? Bis heute rätsele ich, warum sie beispielsweise Flickr Xahoo überlassen haben, statt selbst zuzugreifen. Warum bietet Apple ein durchgängiges Angebot vom Bildermanagement mit der Software iPhone über den Netzspeicher iCloud bis zum professionellen Bilderdruck und nicht Canon?
Denn nur wer künftig als Kamerahersteller dieses Ökosystem beherrscht, hat in der digitalen Bilderwelt eine Überlebenschance. Einem Markt in dem die Hersteller – die Mobilfunkwelt macht‘s vor – schon bald ihren Abo-Kunden womöglich alle zwei bis drei Jahre eine neue Kamera zur Verfügung stellen, solange die nur (gut) zahlende Kunden des Online-Portals bleiben.
Von all dem ist Irista aktuell noch weit entfernt. Aber es ist der erste Schritt – und Canon ist der erste unter den klassischen Kameragiganten, der ihn macht. Bleibt zu hoffen, dass ihm rasch weitere folgen.