Gadgets Das Smartphone bekommt menschliche Sinne

Entwickler rüsten Smartphones mit allen fünf menschlichen Sinnen auf. So verwandelt sich das Handy zum fürsorglichen Beifahrer im Auto, warnt vor ungesundem Essen und muntert uns bei schlechter Laune auf.

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Fünf menschliche Sinne für das Smartphone Quelle: Presse

Radikaler kann kaum ein Entwickler umsatteln, der Autos sicherer machen will: Fast zehn Jahre lang arbeitete Sascha Simon bei Daimler in den USA an Apparaten zur Abstandsmessung per Radar und zur Erkennung von Fußgängern mit Kameras. Zuletzt mit dem wohlklingenden Titel eines Chefs der Planungsabteilung für Zukunftsprodukte.

Dann hatte der deutsche Physiker genug. Statt zu warten, bis autonome Autos in 15 Jahren Vergleichbares leisten, besann er sich auf kleine, flache Kästchen, um das Fahren sicherer und den Verkehr flüssiger zu machen: Smartphones.

Die sollen „wie ein aufmerksamer Beifahrer vor Gefahren warnen“, verspricht der 46-Jährige. Um seine Idee umzusetzen, gründete er 2012 in der US-Hauptstadt Washington das Start-up Apio Systems.

Zahlen und Fakten zum Smartphone-Markt

Handys, die wissen, was im und ums Fahrzeug passiert? Das klingt fast zu abgedreht, um wahr zu sein. Aber Simon reizt bloß die Technik der Taschentelefone maximal aus. Ihre Sensoren erfassen längst jede Menge Daten – von Bewegungsrichtung bis Luftfeuchtigkeit. „So kann das Gerät aus dem Klang prasselnden Regens auf die Straßenverhältnisse schließen, Schleudern erkennen oder erfassen, wie viele Airbags bei einem Unfall ausgelöst haben – und Autofahrer in der Nähe warnen oder Rettungsdienste alarmieren“, sagt Simon.

Ende 2014 stiegen Investoren mit mehr als fünf Millionen Dollar beim Start-up ein, darunter der US-Kommunikationsriese Verizon. Seit vergangenem Donnerstag nutzt eine US-Tochter des französischen Mischkonzerns Veolia als erster Kunde die Verkehrssicherheitsdienste von Apio Systems im Regelbetrieb.

Handys als Fahrassistent – das ist ein Beispiel für den nächsten großen Entwicklungssprung der Smartphones: Hersteller und Gründer sind dabei, die Kommunikationsgeräte zu virtuellen Butlern hochzuzüchten, die mit uns, ihren Benutzern, mehr gemein haben, als wir uns vorstellen können.

Diese Gadgets rüsten das Smartphone auf
Deeper von Friday Lab lauscht per Ultraschall, wo Fische schwimmen und es sich lohnt, die Angel auszuwerfen Quelle: Presse
Flir One macht das Handy zur Wärmebildkamera und zeigt Hausbesitzern, wo ihr Gebäude Energie verschwendet Quelle: Presse
Das neuartige Display der Apple Watch fühlt, wie stark ein Finger es berührt Quelle: Presse
Breeze ermittelt den Promillewert des Nutzers Quelle: Presse
Scio Spektrometer Quelle: Presse

Mithilfe der winzigen Sensorchips und gepaart mit künstlicher Intelligenz und dem Weltwissen des Internets, sollen die Telefone ein eigenes Umweltbewusstsein erlangen – angelehnt an die fünf menschlichen Sinne: Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen. Sie sehen, ob das Bild an der Wand von van Gogh oder Cézanne stammt. Sie hören, ob wir fröhlich oder traurig sprechen. Sie schmecken, ob Früchte wie Bananen, Äpfel überreif oder gar faul sind – und uns krank machen können. Sie riechen wie Brandmelder gefährliche Gase. Und sie erspüren an unserem Gang erste Symptome von Parkinson.

Die Technik ist da, teils als Prototyp, teils als externer, über Funk mit dem Telefon gekoppelter Messfühler. Bis das Handy selbst die Funktionen übernimmt, ist bloß noch eine Frage der Zeit.

Wie weit dieser derzeit wohl wichtigste Trend der Branche gediehen ist, zeigt sich in dieser Woche, wenn sich in Barcelona die Mobilfunkindustrie zum Mobile World Congress trifft. Ob Samsung oder Sony, HTC oder Huawei – fast alle wichtigen Hersteller präsentieren dort neue Top-Modelle.

Die spannendsten Neuheiten von Samsung, HTC & Co.
Blackberry Leap Quelle: Presse
Wiko Highway Star und Highway PureDer französische Smartphone-Hersteller Wiko präsentiert zwei neue LTE-Handys der Highway-Reihe. Das größere von beiden, das Highway Star (Foto), ist 123 Gramm leicht und wird angetrieben von einem nicht näher spezifizierten Octa-Core-SoC mit Cortex-A53-Kernen und einem Takt von 1,5 GHz. Diesem stehen zwei Gigabyte Arbeitsspeicher sowie 16 Gigabyte Flash-Speicher zur Seite. Das Display ist fünf Zoll groß und bietet eine Auflösung von 720 × 1.280 Pixeln. Vorne hat das Highway Star eine Fünf-Megapixel-Kamera für bessere Selbstportraits. Das kleine Modell Highway Pure ist mit 98 Milligramm noch leichter und nur 5,1 Millimeter dick. Der Bildschirm ist mit 4,8 Zoll ein wenig kleiner, bietet aber dieselbe Auflösung. Schwächer ist allerdings der Prozessor: Im Highway Pure ist ein Snapdragon 410 von Qualcomm mit vier mit 1,2 GHz taktenden Cortex-A53-Kernen und eine Adreno-306-GPU verbaut. Quelle: Presse
HP Spectre x360 Quelle: Presse
Alcatel OneTouch Idol 3Mit seinem OneTouch Idol 3 will Alcatel Smartphones auf den Kopf stellen - und das nicht nur bildlich gesprochen: Das Smartphone hat an beiden Enden Lautsprecher und Mikrofon und funktioniert somit auch um 180 Grad gedreht. Das Idol 3 kommt gleich in zwei Varianten: Für 300 Euro ist das High-End-Modell mit 5,5-Zoll-Bildschirm erhältlich, für 70 Euro weniger gibt es die Ausführung mit 4,7-Zoll-Display. Das große Modell ist mit einem Snapdragon 615 mit acht Kernen ausgerüstet und deutlich leistungsfähiger als sein kleiner Bruder, bleibt allerdings hinter den neuen Handys von Konkurrenten wie LG oder HTC zurück.
Silenct Circle Blackphone 2 und Blackphone+Lange war es ruhig um Silent Circle geworden, nun meldet sich das Unternehmen mit gleich zwei neuen Geräten zurück: Einer neuen Version des Blackphones und einem Tablet. Das Smartphone soll im Juni dieses Jahres auf den Markt kommen und rund 630 Euro kosten. Wie sein Vorgänger soll das Blackphone 2 vor allem durch seine Sicherheitssoftware punkten, diesmal aber mit noch mehr Leistung und einem größeren Display (5,5 Zoll). Vom Tablet-Computer Blackphone+ ist bisher nur ein Prototyp vorhanden, ein Erscheinungstermin steht noch nicht fest. Quelle: Presse
Saygus V2Die Firma Saygus ist fast unbekannt, trotzdem gehört das V2 zu den spannendsten Smartphones der Messe: Full-HD-Bildschirm, 21-Megapixel-Kamera und auf bis zu 464 GB erweiterbarer Speicher sprechen für sich. Zudem wird das Gerät von einem Snapdragon 801 Quad Core-Prozessor mit 2.5 GHz Taktung angetrieben und hat drei Gigabyte Arbeitsspeicher. Saygus zeigte bisher allerdings nur einen Prototypen, im zweiten Quartal soll das Smartphone dann auf den Markt kommen - für 599 Dollar. Quelle: Presse
Samsung Galaxy S6 Quelle: dpa

Samsung übertrumpft Apple

Einer der wichtigsten Treiber der Entwicklung ist der südkoreanische Technikriese Samsung, der traditionell in Barcelona ein neues Spitzenmodell vorstellt – und in diesem Jahr Apples iPhone 6 mit dem neuen Galaxy S6 kontern wird.

Es ist ein fortwährendes Rennen um technische Höchstleistungen. Kam Nokias Top-Handy N95 vor acht Jahren noch mit einem GPS-Empfänger und einem Lagesensor aus, so zählen Experten des US-Marktforschers IHS im iPhone 6 zehn Sensoren – Erzrivale Samsung packt in sein Modell S5 sogar elf Sensoren einschließlich eines optischen Pulsmessers. Und es geht mit noch mehr Gefühl: Schon 2018 soll die Zahl auf bis zu 14 Fühler steigen.

Entsprechend boomt der Markt der winzigen Sensibelchen. Bis 2018 wächst das weltweite Geschäft mit Smartphone- und Tablet-PC-Sensoren laut IHS-Prognose auf 6,5 Milliarden Dollar, von rund 3,5 Milliarden Dollar in 2013.

Wie gut Smartphones bereits heute unsere fünf Sinne imitieren können und was sie bald mit deren Hilfe zu leisten vermögen, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

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