Radikaler kann kaum ein Entwickler umsatteln, der Autos sicherer machen will: Fast zehn Jahre lang arbeitete Sascha Simon bei Daimler in den USA an Apparaten zur Abstandsmessung per Radar und zur Erkennung von Fußgängern mit Kameras. Zuletzt mit dem wohlklingenden Titel eines Chefs der Planungsabteilung für Zukunftsprodukte.
Dann hatte der deutsche Physiker genug. Statt zu warten, bis autonome Autos in 15 Jahren Vergleichbares leisten, besann er sich auf kleine, flache Kästchen, um das Fahren sicherer und den Verkehr flüssiger zu machen: Smartphones.
Die sollen „wie ein aufmerksamer Beifahrer vor Gefahren warnen“, verspricht der 46-Jährige. Um seine Idee umzusetzen, gründete er 2012 in der US-Hauptstadt Washington das Start-up Apio Systems.
Zahlen und Fakten zum Smartphone-Markt
Im vergangenen Jahr wurden rund 1,3 Milliarden Smartphones verkauft. Laut dem Marktforscher IDC war das ein Plus von 27,6 Prozent. Die Marke von einer Milliarde war erst 2013 geknackt worden.
Samsung und Apple lieferten sich im Weihnachtsquartal ein Kopf-An-Kopf-Rennen um den Spitzenplatz beim Absatz mit rund 75 Millionen verkauften Smartphones.
Die teureren iPhones (Durchschnittpreis zuletzt 687 Dollar) machen Apple mit Abstand zum profitabelsten Anbieter.
Im gesamten Jahr 2014 verkaufte Samsung klar die meisten Smartphones mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent. Das war allerdings ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu 31 Prozent 2013. Apple liegt bei rund 15 Prozent der weltweiten Verkäufe.
Zur weltweiten Nummer drei im Smartphone-Markt wurde mit dem Kauf des Handy-Pioniers Motorola der weltgrößte PC-Hersteller Lenovo. Die Chinesen erreichten zuletzt einen Marktanteil von 6,6 Prozent.
Smartphones machen inzwischen mehr als zwei Drittel des gesamten Handy-Marktes aus.
Das Google-Betriebssystem Android und die iOS-Plattform füllen zusammen mehr als 90 Prozent des weltweiten Smartphones-Marktes aus. Entsprechend wenig Platz bleibt für die Anbieter anderer Systeme.
Handys, die wissen, was im und ums Fahrzeug passiert? Das klingt fast zu abgedreht, um wahr zu sein. Aber Simon reizt bloß die Technik der Taschentelefone maximal aus. Ihre Sensoren erfassen längst jede Menge Daten – von Bewegungsrichtung bis Luftfeuchtigkeit. „So kann das Gerät aus dem Klang prasselnden Regens auf die Straßenverhältnisse schließen, Schleudern erkennen oder erfassen, wie viele Airbags bei einem Unfall ausgelöst haben – und Autofahrer in der Nähe warnen oder Rettungsdienste alarmieren“, sagt Simon.
Handys als Fahrassistent – das ist ein Beispiel für den nächsten großen Entwicklungssprung der Smartphones: Hersteller und Gründer sind dabei, die Kommunikationsgeräte zu virtuellen Butlern hochzuzüchten, die mit uns, ihren Benutzern, mehr gemein haben, als wir uns vorstellen können.
Mithilfe der winzigen Sensorchips und gepaart mit künstlicher Intelligenz und dem Weltwissen des Internets, sollen die Telefone ein eigenes Umweltbewusstsein erlangen – angelehnt an die fünf menschlichen Sinne: Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen. Sie sehen, ob das Bild an der Wand von van Gogh oder Cézanne stammt. Sie hören, ob wir fröhlich oder traurig sprechen. Sie schmecken, ob Früchte wie Bananen, Äpfel überreif oder gar faul sind – und uns krank machen können. Sie riechen wie Brandmelder gefährliche Gase. Und sie erspüren an unserem Gang erste Symptome von Parkinson.
Die Technik ist da, teils als Prototyp, teils als externer, über Funk mit dem Telefon gekoppelter Messfühler. Bis das Handy selbst die Funktionen übernimmt, ist bloß noch eine Frage der Zeit.
Samsung übertrumpft Apple
Einer der wichtigsten Treiber der Entwicklung ist der südkoreanische Technikriese Samsung, der traditionell in Barcelona ein neues Spitzenmodell vorstellt – und in diesem Jahr Apples iPhone 6 mit dem neuen Galaxy S6 kontern wird.
Es ist ein fortwährendes Rennen um technische Höchstleistungen. Kam Nokias Top-Handy N95 vor acht Jahren noch mit einem GPS-Empfänger und einem Lagesensor aus, so zählen Experten des US-Marktforschers IHS im iPhone 6 zehn Sensoren – Erzrivale Samsung packt in sein Modell S5 sogar elf Sensoren einschließlich eines optischen Pulsmessers. Und es geht mit noch mehr Gefühl: Schon 2018 soll die Zahl auf bis zu 14 Fühler steigen.
Entsprechend boomt der Markt der winzigen Sensibelchen. Bis 2018 wächst das weltweite Geschäft mit Smartphone- und Tablet-PC-Sensoren laut IHS-Prognose auf 6,5 Milliarden Dollar, von rund 3,5 Milliarden Dollar in 2013.
Wie gut Smartphones bereits heute unsere fünf Sinne imitieren können und was sie bald mit deren Hilfe zu leisten vermögen, lesen Sie auf den folgenden Seiten.