iPhone 6 und Apple Watch Apple bleibt Premium – auch beim Preis

Mit der sechsten Generation des iPhones und seiner Smartwatch schließt Apple zu den Wettbewerbern auf. Endlich wagt Konzernchef Tim Cook Neues. Doch bei den happigen Preisen bleibt Apple sich treu.

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Apple-Event: iPhone 6 und Apple Watch vorgestellt Quelle: REUTERS

Im August 2011 wurde Tim Cook offiziell Apple-Chef. Drei Jahre später geht er nun die zwei großen Kritikpunkte seiner Amtszeit an. Am Dienstagabend stellte Cook im Silicon Valley mit der Apple Watch die lange angemahnte neue Produktkategorie vor. Und endlich beugt sich der Konzern dem Diktat des Marktes, der seit langem Smartphones mit größeren Displays bevorzugt. Laut dem britischen Marktforscher Canalys Research haben 40 Prozent der derzeit weltweit verkauften Smartphones einen Bildschirm mit mindestens 5 Zoll. Das Segment wird von Samsung dominiert.

Genau genommen erschließt Apple, das jahrelang stur auf kleineren Displays beharrte, damit auch eine neue Kategorie für sich. Der kalifornische Unterhaltungselektronikkonzern war der einzige Premium-Smartphone-Hersteller, der kein Gerät mit übergroßem Display anbot. Das ist ab nächster Woche Geschichte. Das ab 19. September erhältliche iPhone 6 hat 4,7 Zoll Diagonale, das iPhone 6 Plus gar 5,5 Zoll. Die vorherige Generation mit 4 Zoll wird weiter angeboten.

Was Aktionäre freut und Kunden ärgert: Apple bleibt seinen Premiumpreisen treu. Während der Durchschnittspreis von freigeschalteten Android Phones laut Erhebungen des Marktforschers IDC auf 195 Euro gesunken ist, startet die günstigste Variante des freigeschalteten iPhone 6 bei 699 Euro mit Mehrwertsteuer. Die Einstiegsvariante des großen Bruders schlägt gar mit 799 Euro zu Buche. Allerdings drücken die vielen günstigen Android-Einstiegshandys den Preis. Bei Sonys neuem Flaggschiff etwa, dem Xperia Z3 mit 5,2 Zoll Display, das 649 Euro kostet, ist der Unterschied zwar vorhanden, aber nicht so enorm.

Apple Watch erst ab Frühjahr erhältlich

Die große Sensation, die von einigen Beobachtern zum “Schicksalstag für Apple” hochstilisiert wurde, blieb indes aus. Schließlich sorgen Wettbewerber wie Samsung oder LG dafür, dass die Messlatte hoch liegt. Smartphones sind als Produktkategorie in die Jahre gekommen.

Einen so offensichtlichen Unterschied wie 2007 zwischen dem ersten iPhone und den damaligen Nokia-Modellen kann es gar nicht mehr geben. Und die Akzente bei Smartwatches setzte bislang vor allem Samsung. Der Wermutstropfen: Apples smarte Uhr ist erst ab 2015 erhältlich, voraussichtlich im Frühjahr.

Ob der Spätstart der Apple Watch wirklich an den kolportierten Produktionsproblemen und Verspätungen bei der Software liegt, darüber schweigt sich Apple offiziell aus. Aber Cook hat geschickt aus der Not eine Tugend gemacht. Mit der Vorankündigung legt er Teile des noch jungen Smartwatch-Marktes lahm, weil potentielle Käufer wahrscheinlich erstmal den Start von Apples Uhr abwarten, anstatt ein Modell der Android-Konkurrenz zu erwerben und womöglich ins Android-Lager zu wechseln.

Apple Watch funktioniert nur mit iPhone

Apples Interpretation eines modernen Zeitmessers funktioniert nur zusammen mit einem iPhone. Derzeit ist die Apple Watch offensichtlich als Stimulanz für den Absatz der Telefone gedacht. Zumal sie erst ab der Generation iPhone 5 funktioniert.

Laut Cook ist das derzeit ein potentieller Markt von etwa 200 Millionen kompatiblen iPhones. Das Kalkül ist, dass die Uhr Android-Nutzer ins iPhone Lager zieht.
Richtig kühn wäre es gewesen, wenn die Apple Watch auch Android unterstützen würde, so wie damals der iPod nicht nur mit Mac, sondern auch Windows zusammenspielte.

Immerhin ist die Situation durchaus ähnlich. Nur dass die Marktgröße nicht mehr Windows heißt. Android dominiert laut den Marktforschern von IDC derzeit mit einem Marktanteil von weltweit 80 Prozent das Smartphone-Geschäft. Apples Anteil ist – allerdings in einem wachsenden Markt – auf 14 Prozent geschrumpft. Aber da Telefon-Hardware und Uhr so eng aufeinander abgestimmt sind, wird eine Apple Watch, die auch mit Android kommuniziert, wohl Illusion bleiben.

Ein winziger Markt

Mit dem Start nächstes Jahr fokussiert Cook zudem Aufmerksamkeit und Vertrieb auf das iPhone 6. Schließlich ist das iPhone, das im vergangenen Quartal 52 Prozent des Umsatzes ausmachte, das mit Abstand wichtigste Produkt des Konzerns.

Während die Marktforscher von IDC in diesem Jahr einen weltweiten Absatz von 1,2 Milliarden Smartphones aller Hersteller erwarten – gegenüber 967 Millionen im Vorjahr – prognostizieren sie nur einen Absatz von 19 Millionen Smartwatches für 2014. Ein winziger Markt also.

Zuviel Produkte auf einmal, zumal in diesem Jahr auch noch neue Macbook Airs und iPads erwartet werden, hätten zudem die Apple Lieferkette arg strapaziert.

Happiger Preis für eine Computeruhr

Außerdem nimmt Cook – zumindest begeisterten Apple-Fans – die Entscheidung ab, ob das Weihnachtsbudget für ein neues iPhone oder eine Apple-Uhr draufgeht. Ob Smartwatches sinnvoll sind oder unnütz, gar hässlich, darüber werden in den nächsten Jahren noch viele hitzige Debatten geführt werden. Die sich nicht nur daran entzünden werden, ob das Modell von Samsung, LG, Sony, Motorola oder Apple stammt. Gut möglich, dass eine Flut von Computeruhren eine Gegenbewegung startet, von der mechanische Uhren profitieren.

Ein Preis ab 349 Dollar – abhängig vom verwendeten Material beim Uhrgehäuse – ist happig. Zumal die Smartwatches der aktuellen Generation nur im Tandem mit Smartphones funktionieren und deren Verlängerung aufs Handgelenk teuer bezahlt werden muss. Allerdings macht es bei Smartphones mit riesigen Displays schon Sinn, diese für den schnellen Check von Uhrzeit, SMS oder E-Mails nicht immer aus der Tasche ziehen zu müssen.

Gute Puls- und GPS-Uhren für Läufer, beispielsweise von Garmin oder Suunto, kosten um die 200 Dollar. “Begehrte und gut gemachte Modeuhren kosten auch schon 350 Dollar”, gibt Gartner-Analyst Brian Blau zu bedenken. Vergleicht man die Uhr allerdings mit ausgewachsenen Smartphones, besonders den vielen Android-Modellen, mutet der Preis hoch an.

Auch für weibliche Träger interessant

Im Anschluss an die Präsentation konnten Journalisten in einem eigens errichteten Gebäude im Design der Apple-Stores die neuen Produkte ausprobieren. Was allerdings nur für einen kurzen Eindruck reichte.
Feststellen lässt sich, dass die Apple-Uhr die erste ist, die auch für weibliche Träger in Frage kommt. Nicht nur wegen der Uhrgehäuse in verschiedenen Farben und dazu abstimmbarer Armbänder. Apple bietet neben einem Modell mit 42 Millimeter Gehäuse auch eines mit 38 Millimeter an, das auch an zierliche Arme passt.

Die Apple Watch liegt leicht am Handgelenk und wird mit einem zum Patent angemeldeten Magnetverschluss befestigt. Das Schließen des Armbandes, bei dem beherzt gedrückt werden muss, ist zunächst gewöhnungsbedürftig, funktionierte beim zweiten und dritten Mal schon leichter. Wie gut die Uhr unter direktem Sonnenlicht ablesbar ist, ließ sich leider nicht testen, da die Modelle nicht ins Freie genommen werden durften. In der Eingangshalle wurden allerdings Uhren unter grellem Kunstlicht demonstriert, dabei war die Anzeige immer noch gut lesbar.

Welche Innovationen Apple sich sichert
Akkulaufzeit neu verwaltenApple hat ein neues Patent angemeldet, dass eine neue clevere Funktion beschreibt. Diese merkt sich über die Geoinformationen den Ort, an dem der Nutzer sein Smartphone in der Regel auflädt. Je nach Akkustand und Entfernung zu der gespeicherten Position, werden im Smartphone Funktionen abgeschaltet, um die Stromversorgung bis zur Energiequelle zu sichern. So würden zum Beispiel bestimmte Apps, die selten benutzt werden und im Hintergrund Strom ziehen ausgestellt, um so den Akku zu schonen.
Patente für den iPenNachdem Steve Jobs den Stift für das iPad und das iPhone immer abgelehnt hatte, setzt Samsung voll auf die Möglichkeiten eines intelligenten Stylus. Vor allem Architekten, Ingenieure und Zeichner wissen die Funktion zu schätzen. Auch Drittanbieter haben versucht die Apple-Produkte mit ihren Stiften zu erweitern. Nun legt Apple offensichtlich nach und setzt voll auf Gesten. Laut Patentantrag soll der sogenannte iPen angeblich erkennen, wie er gehalten wird und diese Informationen über Orientierungssensoren direkt an das Tablet übermitteln. Auf diesem Weg könnte der Zeichner zum Beispiel die Strichbreite einstellen – ganz wie beim Halten eines Füllers. Insgesamt soll Apple laut der Website Patentlyapple  bereits über 20 Patente für Stylus-Geräte bekommen haben. Etliche davon dienen wohl auch nur der Absicherung der Rechte. Ob daraus am Ende auch wirklich ein Stift wird, ist bisher noch nicht klar. Quelle: dpa
Kopfhörer mit SensorenApple hat in den USA ein Patent für neue Kopfhörer eingereicht und genehmigt bekommen. Die neuen "In-Ear" sollen mit Sensoren ausgestattet werden, die Körpertemperatur, Puls und Schweißabsonderung messen und die Daten speichern. Der Vorteil gegenüber Fitnessarmbändern: Die Kopfhörer sind kein Extra-Gadget, sie werden von den meisten Sportlern sowieso am Körper getragen. Erstmals hat sich Apple mit so einer Anwendung vor über sieben Jahren beschäftigt, wie der Patentantrag zeigt. Neben der Tracking-Funktion sollen die Sensoren auch Kopfnicken erkennen. Über diesen Weg ließe sich zum Beispiel die Musik steuern. Quelle: WirtschaftsWoche Online
Beim Mac und iPad anklopfenEs wäre eine spannende Erweiterung der Tastatur - zumindest hat Apple einen Patentantrag genehmigt bekommen, in dem beschrieben wird, wie Tablet und Notebook auf akustische Signale reagieren. Gemeint ist zum Beispiel das Kratzen oder Klopfen am Gehäuse der Geräte. Sensoren im Gerät sollen die Töne erfassen und sie zur Auswertung an den Prozessor schicken, der sie interpretiert. Erleichtern könnte die Technik das Markieren von Texten oder das Aufrufen eines Kontextmenüs. Quelle: REUTERS
Krumme Sensoren auf dem iPhoneApple hat in den USA das Patent für gekrümmte Touch-Sensoren zugesprochen bekommen. Die Herstellung der gekrümmten Sensoren ist aufwendig. Zunächst werden die Sensoren als Rohling mit einer leitenden Filmschicht und dem Deckmaterial in flacher Form angefertigt. Durch gleichmäßige Wärmezufuhr wird das Material gekrümmt. So stellen die Handybauer außerdem sicher, dass die Sensoroberfläche den gleichen Abstand zum Deckmaterial behält. Nur so ist die Touch-Oberfläche in der Mitte wie am Rand empfindlich. Quelle: REUTERS
Solardeckel für das MacbookFür einen ganz neuen Notebookdeckel hat Apple in den USA ein Patent erhalten. Der Deckel soll mit einer Solarzelle den Akku des Computers laden und gleichzeitig als zweiter Display mit Touchscreen arbeiten. Bekannt ist die Technik bereits als elektrochromes Glas in Form eines Sonnen- oder Sichtschutzes im Kfz-Bau. Auch als Trennwand in Büros wird die Technik eingesetzt - allerdings ohne die Displayfunktion. Klappt man das Macbook künftig zu, könnten also auf der Außenseite trotzdem Verkehrsinformationen oder Statusupdates aus sozialen Netzwerken eingeblendet werden. Inwieweit das Patent jedoch wirklich zu einem konkreten Produkt wird, ist derzeit noch fraglich. Quelle: dpa
iWatch aus der Entfernung aufladenSamsung hat mit der Computeruhr Galaxy Gear vorgelegt, nun will Apple nachziehen. Angeblich arbeitet der Konzern bereits seit Jahren mit einer hundert Mitarbeiter starken Mannschaft an dem Gadget fürs Handgelenk. Ein Patentantrag gibt den Gerüchten neuen Aufwind, wie das chinesische Magazin ctech berichtet. Demnach soll sich der Akku der iWatch sogar über mehrere Meter hinweg aufladen lassen. Somit ließe sich das Gadget über den Apple-Laptop oder -Computer laden, ohne es abzunehmen. Quelle: REUTERS

Informationen wie Uhrzeit, Wetter und die erste Zeile einer E-Mail ließen sich auch auf dem kleineren Modell gut ablesen, ohne die Augen zusammenkneifen zu müssen. Wie gut die Bedienung der Uhr funktioniert, ließ sich nicht testen. Auf den Vorführmodellen lief nur eine Demoversion. Die digitale Sprachassistentin Siri, mit dem sich die Uhr ebenfalls bedienen lässt, hätte in der Geräuschkulisse ohnehin nicht funktioniert.

Apple hatte Sportler angeheuert, die auf einem Laufband mit der Apple-Uhr ihre Runden drehten. Die Frage, ob verschwitzte Finger das Bedienen der Uhr erschweren, wurden vom daneben stehenden Präsentator zwar verneint. Doch zumindest einer der Athleten hatte genau damit Schwierigkeiten.

Einhand-Bedienung mit Trick in Griff bekommen

Die neuen iPhone 6 Modelle wirken – selbst gegenüber der Vorgängerversion 5s und 5c – riesig. Trotz ihrer Dimensionen lagen die Telefone gut in der Hand, auch die Plus-Variante. Was wahrscheinlich an dessen 7,1 Millimeter Dicke und den abgerundeten Kanten lag – das iPhone 5s misst 7,6 Millimeter. Mit 172 Gramm ist es zwar 60 Gramm schwerer als das iPhone 5s, aber für die Größe noch erstaunlich leicht. Man erwartet rein optisch mehr Gewicht.

Selbst die Einhand-Bedienung, die Cook immer als Maßstab für Bedienerkomfort anlegte und weswegen er jahrelang auf kleineren Bildschirmen beharrte, hat Apple mit einem simplen, aber eleganten Trick im wahrsten Sinne des Wortes in den Griff gekriegt: Hält man das Handy in der Hand, bewegen sich die Inhalte mit einem leichten Klopfen in die Mitte des Schirms und lassen sich dort wiederum mit dem Daumen bedienen.


Die 88 Prozent mehr Betrachtungsfläche gegenüber dem iPhone 5s nutzt Apple durch das Einblenden von zusätzlichen Informationen aus, beispielsweise wenn das Gerät in den Landschaftsmodus gedreht wird. Dann erscheinen bei der Wetter-App Angaben etwa zur Windgeschwindigkeit und Regenwahrscheinlichkeit, die in der derzeitigen App nicht enthalten sind oder bei der Konkurrenz erst durch Scrollen sichtbar werden. Selbst in die Hosentasche meiner Jeans passte das iPhone 6 – nachdem die zunächst protestierende Hüterin des Geräts ihre Schrecksekunde überwunden hatte.

Der Akku hat in dem größeren Gehäuse mehr Raum bekommen. Laut Apple soll er trotz des größeren Displays und damit höherem Stromverbrauch länger durchhalten als beim iPhone 5s. Das iPhone 6 erlaubt endlich auch das Einbinden von Wifi-Netzwerken für Telefonate, was Konkurrenzmodelle schon seit Jahren bieten.

Die neue iPhone Generation ist eine Revolution – allerdings nur innerhalb von Apples Welt. Dass Apple-Kunden nicht mehr Premium-Preise berappen müssen, wäre eine echte Revolution gewesen. Doch die lässt auf sich warten - wenn sie denn jemals kommt.

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