Google will sich für Fitnessfans unentbehrlich machen: Das im Herbst erschienene Google Fit erkennt nicht nur, wenn seine Anwender gehen, laufen oder Rad fahren, sondern bündelt auch die Daten anderer Apps wie Strava, Runtatstic oder Runkeeper. Damit dient das Programm als zentrale Sammel- und Auswertungsstelle für Gesundheits-Apps und Wearables aller Art.
Und davon gibt es eine Menge: Sie zeichnen nicht nur die Bewegungen auf, sondern helfen auch bei Krankheiten weiter. Diabetiker können etwa ihre Blutzuckerwerte in die App Diabetes Plus eintragen und verwalten; MyTherapy erinnert chronisch Kranke daran, ihre Medikamente einzunehmen. Schon 22 Prozent der Deutschen nutzen einer Umfrage der Krankenkasse IKK classic vom Mai 2014 zufolge medizinische Apps. 65 Prozent der 1.000 Befragten finden eine App, die medizinische Werte misst und direkt an den Arzt übermittelt, hilfreich.
Was auf den ersten Blick praktisch für Patienten ist, birgt jedoch auch Gefahren. Das neue Jahr beginnt gleich mit zwei mahnenden Aussagen seitens der Politik und dem Verbraucherschutz zu Gesundheits-Apps: So warnt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in einem "Bild"-Interview davor, den Anwendungen blind zu vertrauen und den Arztbesuch auszulassen.
Der Chef des Verbraucherzentralen-Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, macht auf die teuren Folgen aufmerksam, wenn Versicherungen an die gebündelten Daten kommen: Rabatte für Menschen in guter Verfassung – und damit einhergehend höhere Preise für sportlich inaktive und gesundheitlich angeschlagene Menschen.
„Gegen den informierten Patienten spricht erst einmal nichts“, sagt Minister Gröhe in der "Bild". „Aber den Arztbesuch kann der Klick im Internet nicht ersetzen.“ Eine App, die dazu verleitet diesen auszulassen ist etwa „Klara“. Sie ermöglicht es, Fotos von Hauptproblemen – auch im Intimbereich – gegen eine Gebühr von 29 Euro von Dermatologen beurteilen zu lassen. Eine Antwort gibt es innerhalb von 48 Stunden. Der Haken: Ärzte dürfen in Deutschland keine Ferndiagnosen stellen; nur Begutachtung und Empfehlung sind über die Ferne erlaubt.
Gröhe empfiehlt Nutzern solche Apps mit Vorsicht zu genießen: „Es gibt manche Gesundheits-Apps, die helfen, sich zu orientieren. Andere sind eher Geschäftemacherei. Hier gibt es wachsenden Informationsbedarf.“ Während der Minister sich mit den gesundheitlichen Gefahren für Patienten beschäftigt, treibt Klaus Müller vom vbzv um, was mit den Daten geschieht, wenn sie im Internet gespeichert werden. Denn außer Patienten und Sportfanatikern profitieren auch Datensammler. Wenn Versicherungen an die Informationen kommen, können diese ihre Preise anpassen.
Abkehr von der solidarischen Versicherung
Tarifmodelle, die bei einem gesunden Lebensstil niedrige Preise in Aussicht stellen, seien eine Abkehr von der solidarischen Versicherung warnt Klaus Müller. Zudem bedeuten Apps, die Daten an die Versicherung senden, dass das Unternehmen „rund um die Uhr auf meiner Schulter“ sitze. Eine solche Rundum-Überwachung „mag vermeintlich attraktiv wie ein Wurm an der Angel daherkommen, wenn ich jung, gesund, fit und fidel bin“. Aber man wisse leider auch aus anderen Versicherungstarifen, dass dies selten bis zum Ende des Lebens so sei. „Und insofern können wir nur eindeutig davor warnen“, sagt Müller.
Die italienische Generali-Gruppe kündigte Ende November auf einer Investorenversammlung in Köln an, als erster großer Versicherer in Europa den Lebensstil seiner Kunden über eine App erfassen zu wollen. Die App soll Schritte zählen, sportliche Aktivitäten erfassen sowie Ernährung und ärztliche Vorsorgetermine dokumentieren. Wer das Angebot nutzt und einen gesunden Lebensstil vorweist, wird zunächst mit Gutscheinen für Reisen und Fitnessstudio belohnt. Später winken dann Rabatte bei den Versicherungsprämien. Derzeit entwickelt Generali das Programm mit dem südafrikanischen Versicherer Discovery; in einem bis eineinhalb Jahren soll das Angebot in Deutschland erhältlich sein.
Was im Gesundheitsbereich noch in naher Zukunft liegt, hat bei den Autoversicherern schon begonnen. Seit Anfang 2014 bietet die Sparkassen-Tochter S-Direkt einen „Telematik-Tarif“ an. Kunden installieren dafür eine Box im Auto, die Daten übers Fahrverhalten speichert, etwa die Geschwindigkeit und die Zahl der Nachtfahrten. Wer vorsichtig und selten nachts oder in der Stadt fährt, kann bis zu fünf Prozent Rabatt erhalten.
Auf seiner Website kürt die Versicherung stets seine „Fahrer des Monats“ und führt auf, wie viel Prämie sie dadurch erhalten haben. „Herr Sautter aus Schweer“, Fahrer des Monats September 2014, durfte sich etwa über eine Prämie von 180,27 Euro freuen, bei „Herr E. aus Sömmerda“, Fahrer des Monats August 2014, waren es 173,62 Euro.
S-Direkt hat den Verkauf nach 1.000 Policen vorerst eingestellt und prüft nun, wie das Modell in der Praxis funktioniert. Ebenso interessant ist es, wie die Verbindung von Gesundheits-Apps mit Versicherungen klappt. Bei all den scheinbaren Vorteilen, die diese Anwendungen bieten, sollten Nutzer die Gefahren nicht unterschätzen.