Gepanschtes Olivenöl, gammeliges Fleisch, schimmeliges Getreide – die Liste der Lebensmittelskandale ist lang. Niemand kann dem verpackten Schnitzel ansehen, wie viele Keime sich auf ihm tummeln, der Erdbeere, ob sie mit Pestiziden belastet ist, und dem Biospinat, ob er mehr Vitamin A enthält als konventioneller. Selbst den Angaben zu den Inhaltsstoffen auf der Verpackung ist nicht zu trauen. Gerade erst musste der schwedische Möbelgigant Ikea in Deutschland seine Mörk-Schokolade zurückrufen, weil der Gehalt an Haselnüssen ungenau angegeben war – gefährlich für Nuss-Allergiker.
Gesünder ernähren: Die Befunde alarmieren
3,5 Millionen Europäer sind Lebensmittelallergiker.
35 Millionen Europäer sind Diabetiker.
43 Millionen fettleibige Vorschulkinder gibt es weltweit.
Damit Erwachsene wie Kinder ihr Essverhalten besser kontrollieren können, fördert die EU-Kommission mit einem Wettbewerb die Entwicklung preiswerter Lebensmittelscanner. Eine Million Euro Preisgeld hat sie dafür ausgeschrieben. Wenn die Menschen sich richtig ernähren, so die Erwartung, sinken auch die Gesundheitskosten deutlich.
Da wäre es praktisch, einen handlichen Scanner mitzuführen, der ruck, zuck Frische, Qualität und Zusammensetzung von Obst, Fleisch, Fisch, Brot, Fertiggerichten oder einer Mahlzeit analysiert: im Supermarkt, beim Metzger oder im Restaurant.
Zwei Start-ups, Consumer Physics aus Israel und Tellspec aus Kanada, bieten solche Geräte für die Brusttasche jetzt im Internet an – für 250 beziehungsweise 450 Dollar. Andere Entwickler, auch aus Deutschland, stehen in den Startlöchern.
Robin Gruna und Henning Schulte vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB), die den Markt aktuell analysieren, glauben an ein baldiges Milliardengeschäft. „Gesunde Ernährung ist ein Megatrend“, sagen sie. Zwei von drei Deutschen interessieren sich laut einer Fraunhofer-Studie für Innovationen auf diesem Gebiet, weit mehr als für solche bei Autos oder Computern.
Was Fehler hat, darf nicht in den Supermarkt
Auch die Industrie selbst befeuert die Entwicklung. In den USA startete mit Target einer der größten Einzelhändler des Landes Anfang des Jahres eine Kooperation mit dem Media Lab des Bostoner Massachusetts Institute of Technology (MIT). Konzernchef Brian Cornell wünscht sich einen Scanner, mit dem seine Mitarbeiter selbst prüfen können, welche Ware einwandfrei ist. Dazu baut er mit den Forschern eine umfassende Datenbank auf. „Altes Zeug soll es nicht in den Laden schaffen“, sagt Targets Innovationsmanager Casey Carl.
Im Prinzip arbeiten alle Systeme ähnlich. Sensoren erfassen, beispielsweise per Infrarotlicht, den charakteristischen Fingerabdruck jeder Substanz in einem Produkt. Die Messwerte gehen über das persönliche Smartphone via Internet an Datenbanken; im Display erscheint dann das Ergebnis der Auswertung mit entsprechender Kaufempfehlung.
Eine Umwälzung der Verhältnisse bei der Lebensmittelkontrolle
Die ersten Scanner sind jedoch noch längst keine Alleskönner, die von Allergenen über Keimzahl, Vitamingehalt und Reifegrad bis zu Giftstoffen wirklich alles lückenlos erkennen. Dafür müssen die Forscher die Datenbasis vergrößern und die Analysealgorithmen erst deutlich verbessern. Mehrere beteiligte Fraunhofer-Institute kündigen daher an, ihre Geräte aus diesem Grund erst in drei bis fünf Jahren auf den Markt zu bringen. „Die Gefahr ist groß, eine Produktenttäuschung zu produzieren“, warnt der Karlsruher Experte Gruna vor allzu voreiligen Versprechungen.
Tatsächlich verraten die Systeme von Tellspec und Consumer Physics dem Nutzer vorerst nur, welche Mengen an Fett, Eiweiß, Zucker, sonstigen Kohlenhydraten und Kalorien in einem Produkt stecken. Immerhin ein Anfang. Doch bald sollen sie zum Beispiel auch Schimmelsporen oder Gluten, das manche Menschen nicht vertragen, detektieren können.
Das Start-up Freshdetect aus Pullach bei München geht es vorsichtiger an. Gründer Oliver Dietrich will nächstes Jahr zunächst Schlachtern, Fleischern und Lebensmittelhändlern ein mobiles Handgerät anbieten, das die Bakterienbelastung von Schweinefleisch misst – sogar durch eine Verpackung. Bewährt sich die Technik, ist auch seine Vision ein Scanner für jedermann.
Die sieben Erfolgsfaktoren gesunder Ernährung
“Buy fresh, eat fresh”: Frisches kaufen, Frisches essen”
Zucker vermeiden
Weizenmehl vermeiden
“Frankenfoods” (Frankenstein Food), also Nahrungsmittel aus genetisch veränderten Pflanzen oder Tieren vermeiden
Gute Proteine wie (Hühner-)Fleisch, Nüsse und Körner essen
Gute Fette verwenden; sie machen nicht fett, denn die Übeltäter sind Zucker und Weißmehl
Phytonutrients, also Phytonährstoffe, sind Nährstoffe in pflanzlichen Lebensmitteln. Sie sind, anders als Vitamine, nicht lebensnotwendig. Aber sie halten gesund und fit und sollen die Lebenserwartung verlängern.
Er wäre eine Umwälzung der Verhältnisse bei der Lebensmittelkontrolle. Sie liegt heute im Wesentlichen beim Staat. Er hat zwar viele Gesetze und Vorschriften erlassen, aber es fehlt ihm am Personal, deren Einhaltung zu überwachen. Checken erst einmal die Kunden selbst, was sie da kaufen, wäre die öffentliche Bürokratie überflüssig. „Jeder Schmu flöge rasch auf“, erwartet Fraunhofer-Mann Gruna. Bevor ein Skandal daraus wird. Und die Mindesthaltbarkeit von Produkten müsste nicht mehr ausgewiesen werden.
Und auch gegen Lebensmittelverschwendung ließe sich etwas tun: Bevor ein überreifer Apfel im Supermarkt liegen bleibt und dann in den Müll wandert, kann der Großhändler kurz den Scanner ranhalten und die Obstkiste in die Mosterei schicken – damit leckerer Saft daraus wird.