Liebhaber guter Musik und toller Stereoanlagen sollten glückliche Menschen sein. Man merkt nur nichts davon. Sie sitzen vor 10.000 Euro teuren Lautsprechern, deren Klanggewalt bei jedem Normalhörer grenzenlose Verzückung hervorruft, und haben trotzdem diesen sparsamen Gesichtsausdruck. Die Höhen neigten zum "Zischeln", die Mitten hätten nicht genug "Definition" und in den oberen Bässen fehle "der Druck".
Highend-Fans haben immer etwas zu mosern. Mit besonderer Verachtung haben sie bisher alles gestraft, was mit MP3 zu tun hatte. Das datenkomprimierte Musikformat für mobile Musikplayer wie Apples iPod hat klangliche Grenzen, die übrigens auch ein aufmerksamer "Normalhörer" erkennt.
Aber gerade bei mobilen Musikspielern tut sich zurzeit eine ganze Menge. Das Stichwort lautet: hochauflösende Musikwiedergabe. Auch besagte Highend-Fans beginnen sich für das Thema zu interessieren. Seit etwa einem Jahr kommen gefühlt im Monatsrhythmus neue mobile Geräte in den Handel, die eine bisher unerreichte Klangqualität versprechen. Die Preise reichen von circa 300 bis 2500 Euro. Das sind nicht gerade Schnäppchenpreise, aber dafür sind die kompakten Spieler klanglich um Längen besser als herkömmliche MP3-Player. Das allein wäre noch keine große Kunst, schließlich wurde das datenreduzierte MP3-Format schon Ende der achtziger Jahre am Fraunhofer-Institut entwickelt. Es hat zwar kommerziell gesehen einen weltweiten Siegeszug angetreten, ist aber klangtechnisch nicht mehr auf dem neuesten Stand.
Aber Musikplayer wie der HM-901 von Hifi Man oder der AK240 von Astell & Kern wollen nicht nur die MP3, sondern auch die Musik-CD klangtechnisch überrunden. Die CD galt mit einer Auflösung von 16 Bit/44,1 kHz bei Musikliebhabern noch vor kurzem als das Maß aller Dinge. Doch auch dieses Medium ist in die Jahre gekommen, und einer ihrer berühmtesten Unterstützer, der Dirigent Herbert von Karajan, schon lange tot.
Warum die Musikplayer besser klingen
Die Ingenieure der mobilen Hi-Fi-Elektronik verbauen inzwischen hochwertige Digital-Analog-Wandler, die früher nur bei teuren CD-Playern fürs Wohnzimmer üblich waren. So holen die Geräte das klangliche Maximum aus MP3 und CD.
Den entscheidenden Klanggewinn versprechen aber unkomprimierte Musikformate, die mit Auflösungen von bis zu 24 Bit/192 kHz arbeiten. Kenner sprechen hier von Studio-Master-Qualität. Das bedeutet, die Tonaufnahme liegt technisch in derselben Qualität vor wie beim Mastering im Studio. Wie genau die Verfahren für hochauflösende Musik arbeiten, lesen Sie hier.
Spätestens beim Zauberwort "Studio-Master-Qualität" werden Highend-Fans hellwach. Ein Musikspieler, der in die Jackentasche passt, eine ganze Musikbibliothek speichert und besser klingt als die große Hi-Fi-Anlage zu Hause, das ist eine faszinierende Sache.
Was die kompakten Abspielgeräte können
Die Frage ist, ob solche Klangnuancen wirklich noch hörbar sind. Oder anders ausgedrückt: Kann Musik aus einem mobilen Player wirklich feiner klingen als von CD und ist das überhaupt noch sinnvoll? Die Antwort darauf ist nicht unkompliziert. Denn erstens hängt der Klang auch davon ab, wie gut der Toningenieur oder Produzent im Studio gearbeitet hat. Die technisch vermurkste Studio-Session klingt auch auf exklusivem Equipment nicht besser, eher im Gegenteil.
Historische Aufnahmen, die vielleicht in den 60er Jahren oder noch früher entstanden, haben oftmals gar nicht mehr das Potenzial für hochauflösende Wiedergabe. Zudem hängt der Klang auch ganz wesentlich von der Qualität des Players und des Kopfhörers ab.
Am besten lässt sich die Frage nach dem Sinn der qualitativ hochwertigen Musikwiedergabe beantworten, wenn man es einfach mal ausprobiert. Die Wiwo-Redaktion hat in zwei exklusive Player reingehört, den bereits erwähnten und 999 Euro teuren HM-901 von Hifi Man und den AK240 von Astell & Kern für 2499 Euro. Beide Geräte sind mit einer üppigen Musikauswahl ausgestattet, von Klassik bis Jazz ist alles dabei - zumeist noch in mehreren Versionen, so dass man sinnige Klangvergleiche zwischen Dateiformaten wie MP3, WAV oder FLAC anstellen kann.
Die Streaming-Anbieter im Internet
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2008
Sitz: Berlin
Musikangebot: kein lineares Streaming
Besonderes: Auswahl von Stationen für Musikgattungen und Stimmungen, kostenloses Angebot mit Werbung und Abo-Modell
Typ:On-Demand-Streaming
Gestartet: 2007
Sitz: Paris
Musikangebot: 35 Millionen Titel
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2002
Sitz: London
Musikangebot: kein lineares Streaming
Besonderes: Spielt nach Angabe von Lieblingsgruppen Musik von ähnlicher Richtung
Typ: Radio-Streaming
Gestartet: 2000
Sitz: Oakland, Kalifornien
Musikangebot: Spielt nach Vorgaben der Nutzer Musik in ähnlicher Richtung, in Deutschland nicht verfügbar
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2005
Sitz: Berkeley, Kalifornien
Musikangebot: 16 Millionen Titel. In Deutschland nicht verfügbar
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 1999 als Tauschplattform, seit 2005 als kommerzieller On-Demand-Service
Sitz: Los Angeles
Musikangebot: 25 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2011
Sitz: London
Musikangebot: mehr als 22 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2010
Sitz: San Francisco
Musikangebot: mehr als 30 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2009
Sitz: Köln
Musikangebot: mehr als 25 Millionen Titel
Typ: On-Demand-Streaming
Gestartet: 2008
Sitz: Stockholm
Musikangebot: über 20 Millionen Titel
Hohe Qualität ist Gewöhnungssache
Die erste halbe Stunde Hörprobe ist ernüchternd. Man hört erst einmal gar nichts, außer eben Musik. Die klingt nicht spektakulär anders als vom iPod. Die naive Erwartung, eine klangoptimierte Studio-Master-Aufnahme aus dem sündteuren Musikplayer werde sofort eine völlig neue Dimension eröffnen, wird enttäuscht. Denn das hochwertige Klangerlebnis muss man sich erst mal verdienen, man muss konzentriert lauschen und langsam die Nuancen heraushören. Es kann einige Zeit dauern, bis man in die Welt dieser Musikwiedergabe eingedrungen ist - dann ist man allerdings begeistert. Startet man später wieder eine Aufnahme als MP3, hört man plötzlich die Grenzen des Uralt-Formats. Dessen Algorithmen folgen psychoakustischen Regeln und rechnen deshalb leise Stellen gerne weg. Schließlich muss ja irgendwo Speicherplatz gespart werden. Genau deshalb fehlen dann aber winzige Hall- oder Echo-Effekte in der Aufnahme, die dem aufmerksamen Zuhörer ein Gefühl für den Raum geben, in dem ein Konzert stattfindet.
Ein Schubert-Streichquartett klingt mit dem iPod wie ein Streichquartett. Mit dem Astell & Kern klingt es wie ein Streichquartett, bei dem die Musiker in einem großen holzgetäfelten Saal sitzen, der Cellist beim Rondo seinen Einsatz um eine Zehntelsekunde verpasst, und der Mann an der Bratsche beim Andante ungeduldig auf dem Stuhl herumrutscht. Für Kenner also ein großer Genuss.
Musikportale für hochauflösende Klänge
An hochauflösender Musik aus dem Web gibt es inzwischen kein Mangel. Zu den Pionieren der Musikdownloads gehört High Res Audio. Das Portal liefert nicht nur die bei Hi-Fi-Fans üblichen Jazz- und Folkalben, sondern inzwischen auch viele populäre Titel aus allen Sparten von Pop und Rock. Sogar die Rolling Stones kann man sich hier als FLAC-Datei herunterladen.
Auch renommierte Klassik-Labels haben ihre ursprüngliche Zurückhaltung beim Thema Musikdownload aufgegeben. Die Deutsche Grammophon hat viele Alben als hochwertigen Download im Angebot. Allerdings sind die klangoptimierten Versionen nicht immer preiswert. Mahlers 1. Symphonie im Format "Flac lossless" kostet beispielsweise satte 39,99 Euro als Download. Wobei es auch schon günstigere Angebote gibt. Zum Beispiel 11,99 Euro für ein Album mit Violinkonzerten von Tschaikowsky und Mendelssohn.
Beim Klassiklabel Pentatone, das sich auf klanglich anspruchsvolle Aufnahmen spezialisiert hat, wählt der Käufer zwischen drei verschiedenen Qualitäten beim Musikdownload, von der klassischen CD-Qualität mit 16 Bit/44,1 kHz bis zur Studio-Master-Qualität.
Viel Speicherplatz und Bandbreite nötig
Einen kleinen Haken hat die Sache mit den Downloads. Hochauflösende Musik kommt logischerweise auch in größeren Dateien daher, dementsprechend lange dauert das Herunterladen. Für ein Album kann das abhängig von der Bandbreite des Internetanschlusses schon mal eine halbe Stunde dauern. Die Musik benötigt natürlich auch mehr Speicherplatz auf dem Player. Pink Floyds "Division Bell" (FLAC, 24 Bit/96 Hz) etwa belegt 1,27 Gigabyte.
Wer nun Spaß an den hochwertigen Playern gefunden hat, darf aber beim Kauf nicht nur an den Player denken. Damit die Musik in feinster Qualität ins Ohr kommt, ist ein sehr guter Kopfhörer nötig. Geeignete Kopfhörer gibt es zu Preisen ab 500 Euro - die üblichen Ohrstöpsel für 50 Euro taugen hier nicht mehr.
Übrigens müssen Musikfreunde, die sich im Laufe der Jahre eine große MP3-Musikbibliothek aufgebaut haben und damit nicht einfach "umziehen" können, jetzt nicht traurig sein. Es gibt neuerdings Kopfhörerverstärker für Mobilgeräte, die dem Sound auf die Sprünge helfen. Die Mini-Verstärker sind schon ab 100 Euro erhältlich. Sie werden typischerweise an den 3,5-Millimeter-Klinkenausgang des MP3-Players oder auch Smartphones angeschlossen. Die Klangverbesserung ist verblüffend, selbst MP3-Musik macht einen deutlichen Sprung nach vorne.
In der Welt der mobilen Musikwiedergabe hat sich also einiges zum Besseren gewandelt. Hochauflösende Musikformate, Highendplayer und Kopfhörerverstärker erschließen eine neue Klangqualität – darüber freuen sich selbst die notorisch unzufriedenen Highend-Fans.