




Eigentlich war es der entscheidende Schritt vom Festnetz- zum Mobiltelefon, dass die neuen Geräte auch fern der verkabelten Welt funktionierten. Wer sich an jene lang vergangenen Zeiten der Vor-Smartphone-Ära erinnert weiß, dass es problemlos möglich war, bis zu zwei Wochen ohne Nachladen am Handy erreichbar und auch selbst kommunikativ zu bleiben.
Der Boom der Bildschirmtelefone aber hat dieser komfortablen Epoche ein jähes Ende bereitet. Heute gilt ein Smartphone schon als ausdauernd, wenn es bei intensivem Gebrauch einen Arbeitstag durchhält. Oft aber klappt nicht einmal das. Ständige, mobile Zugriffe auf die schnellen, schnurlosen LTE-Datennetze, fortwährender Austausch von Nachrichten via Twitter, Foto-Statusmeldungen per Facebook, oder Fußgängernavigation beim Orientierungsversuch in fremden Großstädten sorgen dafür, dass sich der Ladestandsanzeiger im Handydisplay ähnlich zügig der Nulllinie nähert, wie die Tankanzeige eines Hummer bei Vollgasfahrt auf der Autobahn.
Die aktuellen Trends auf dem Mobile World Congress
Auch in Schwellen- und Entwicklungsländern nutzen immer mehr Menschen Computer-Telefone, dort sind aber vor allem günstige Geräte gefragt. Das befeuert den Aufstieg vor allem chinesischer Hersteller, die in großen Stückzahlen billige Smartphones mit dem Google-System Android absetzen können.
Zur neuen Geräteklasse der sogenannten „Wearables“ gehören zum Beispiel Computer-Uhren oder Datenbrillen wie Google Glass. Der Markt steht noch ganz am Anfang, aber die Wachstumsaussichten gelten als enorm. Die Marktforschungsfirma Canalys rechnet für dieses Jahr mit dem Absatz von acht Millionen „smarten Armbändern“ fürs Handgelenk. Ein Problem sind bisher die Batterielaufzeiten und die Anbindung an Smartphones.
Inzwischen werden auch immer mehr Alltagsgegenstände miteinander verbunden - Haustechnik, Zahnbürsten, Autos. Der Netzausrüster Ericsson geht von 50 Milliarden vernetzten Geräten zum Jahr 2020 aus. Das stellt ganz neue Ansprüche an die Netze. Die Industrie setzt vor allem auf den superschnellen LTE-Funk, um die Datenlawine umzuschlagen.
Pioniere wie FitBit oder Jawbone machten mit ihren Fitness-Armbändern den Anfang, inzwischen schwimmen auch Platzhirsche wie Samsung, Sony oder LG auf der Sport-Welle mit. Es geht darum, die Aktivität der Nutzer zu messen und sie zu mehr Bewegung sowie einem gesünderen Lebenswandel zu motivieren. Dabei sammeln sich auch eine Menge von Daten an, zum Beispiel über die Schlafqualität.
Der augenfällige Trend zu immer größeren Displays der inzwischen bis zu sechs Zoll großen Phablets - überdimensionalen Smartphones, deren Ausmaße fast schon an Tablets heranreichen - verschärft den Stromhunger noch. Denn weil die Geräte nicht nur größer, sondern zugleich immer flacher werden, wächst der im Gehäuse für Akkus verfügbare Platz nicht im gleichen Maße wie der Stromhunger der Bildschirme.

All das führt aktuell auf dem Mobile World Congress zu zwei augenfälligen Effekten: Ab dem frühen Nachmittag wächst die Zahl jener Messegäste rasant, die suchenden Blicks durch die Hallen streifen. Sie suchen eine der wenigen öffentlichen Steckdosen, an denen sie ihren Smartphones zwischen zwei Meetings einen kurzen Energieschub verpassen. Alternativ bilden sich vor den öffentlichen Ladeterminals, in denen sich die Handys einschließen und für eine halbe Stunde auftanken lassen, Warteschlangen, die auffällig an das Gedränge vor der Damentoilette in der Konzertpause erinnern.
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Vor allem aber ein Handy-Accessoire entwickelt sich auf dieser Mobilfunkmesse zum absoluten Must-Have-Gadget: Externe Akkupacks, die sich daheim aufladen und unterwegs per USB-Kabel mit dem Smartphone koppeln lassen. Sie verleihen dem schwächelnden Handy so im Tagesverlauf einen zweiten Kraftschub. Und so häufen sich mit fortschreitender Stunde auf der Messe die Telefonierer an deren Handys nun doch wieder Leitungen baumeln, die den begehrten Saft aus den in Jacken-, Westen- oder Hosentaschen verborgenen Akkus heranführen.
Insofern macht der diesjährige Mobile World Congress zwar als Leitmesse des Mobilfunkbranche seinem Namen sicher alle Ehre. Nur wirklich drahtlos ist die Kommunikation im Smartphonezeitalter nicht mehr. Spätestens am Nachmittag beginnt die Renaissance der Kabel-Telefone.