Es ist ein schwüler Herbstabend in Los Angeles. Wodka, Gin, Corona, Cola, Mini-Hamburger, Salat und Thunfisch-Häppchen – die Party auf dem Rollfeld des Provinzflughafens Hawthorne, zehn Autominuten vom internationalen Los-Angeles-Airport entfernt, ist in vollem Gang. Nur der Gastgeber lässt auf sich warten.
Denn Elon Musk schürt die Spannung. Der Chef der Elektroautoschmiede Tesla Motors will heute Abend Neues vorstellen. Was genau, weiß die versammelte Menge nicht. Sicher ist nur, die meisten werden nicht enttäuscht sein. Im Gegensatz zu klassischen Autoherstellern hat Musk nicht nur die Auto- und Wirtschaftspresse zur Präsentation geladen, sondern auch seine Kunden. Sie sind deutlich in der Überzahl. Rund 2000 sind gekommen, viele stolz in ihren Teslas gemeinsam mit der Familie.
Es sind glühende Anhänger, was eine Atmosphäre wie auf einem Festival erzeugt. Eine Stunde nach Beginn der Party erscheint ihr Star endlich auf der Bühne, in schwarzer Lederjacke, kariertem Hemd und blauer Jeans. Im Scheinwerferlicht wirkt das Gesicht von Musk noch blasser als sonst. Dutzende hochgereckte Handys sind auf ihn gerichtet. „Wir lieben dich“, kreischt ein Fan. Fast so wie einst die Anhänger des Apple-Gründers Steve Jobs bei dessen legendären Präsentationen.
Musk grinst. Dann stellt er die neueste Variante der Elektrolimousine Model S vor, 120.000 Dollar teuer, allradgetrieben mit je einem Motor an jeder Achse, kombinierten 700 PS, die den Wagen in nur 3,4 Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde katapultieren. Das Chassis des neuen Spitzenmodells schwebt an einem Roboterarm neben dem Tesla-Chef. „Es ist wie eine ganz persönliche Achterbahn“, verspricht er und präsentiert auch für alle übrigen S-Varianten einen Autopiloten, der den Wagen in der Spur hält und Verkehrszeichen erkennt. Die Menge johlt, während auf dem Rollfeld die neuen Modelle zur Testfahrt heranrollen. Die ersten Gäste fragen, wann sie den Wagen bestellen können und wann er vom Band läuft: im Dezember. Musk verschwindet, er wirkt zufrieden.
Am nächsten Morgen wird er in der Presse über seine angeblich enttäuschende Vorstellung lesen. Die Aktie von Tesla fällt um neun Prozent. Die Wall Street hätte lieber mehr über das Model X erfahren, den für 2015 angekündigten Geländewagen.
Skepsis kennt Musk zur Genüge. Aber momentan surft der 43-Jährige auf einer Erfolgswelle. Der gebürtige Südafrikaner ist der neue Rockstar des Silicon Valley, eine rare Mischung aus Genie, Erfinder, Unternehmer, Ingenieur, Marketing-Maschine, Fantast, Weltveränderer, Taktierer, Immigrant und Selfmade-Milliardär. „Er hat viele harte Zeiten gemeistert, die andere nicht überstanden hätten“, lobt der Wagniskapitalverwalter Steve Jurvetson, einer seiner wichtigsten und treuesten Finanziers. Tatsächlich stand der Multi-Unternehmer mehrmals kurz vor der Pleite. Nun hat sich sein Vermögen dank des enormen Börsenwerts von Tesla auf rund neun Milliarden Dollar geschraubt.
Im High-Tech-Tal, wo viele dem vor drei Jahren verstorbenen Steve Jobs nachtrauern, füllt Musk immer mehr die Lücke, die der Ausnahme-Unternehmer hinterlassen hat. Ähnlich wie Jobs hat Musk das seltene Talent, mit neuen Technologien etablierte Branchen aufzubrechen: beim Bezahlen im Internet, bei der Elektromobilität, beim Speichern von Energie, in der Raumfahrt.
Freunde und Feinde von Elon Musk
Kimbal Musk Bruder, ebenfalls Unternehmer, Aufsichtsrat bei SpaceX und Tesla
Tosca Musk Schwester und erfolgreiche Filmemacherin
Maye Musk Mutter, Ernährungsberaterin,
Errol Musk Vater, Ingenieur
Lyndon und Peter Rive Cousins, Musk war und ist an ihren verschiedenen Unternehmen beteiligt
Martin Eberhard Mitgründer und ursprünglicher Ideengeber von Tesla, wurde von Musk gefeuert
Henrik Fisker Ex-BMWDesigner; Musk verklagte ihn erfolglos wegen Ideenklau
James McNerney Der CEO von Boeing rangelt mit Musk um Nasa-Aufträge
Jeff Bezos Der Amazon-Gründer will mit dem Start-up Blue Origin ebenfalls ins All
Larry Page Der Google-Gründer würde sein Milliardenvermögen eher Musk vermachen, als es wohltätigen Organisationen zu spenden
Jeffrey Brian Straubel Technikvorstand von Tesla, Antriebsexperte
Franz von Holzhausen Tesla-Chefdesigner
Tom Mueller renommierter Raketenkonstrukteur, Mitgründer von SpaceX
Und das in mächtigen, etablierten Wirtschaftszweigen, die immun gegen Angriffe von Start-ups schienen. Bis Mr. 100 000 Volt sie sich vornahm – immer mit vollem persönlichem Risiko, scheinbar unerschöpflicher Energie und stets unter Hochspannung.
Gerade hat er einen neuen Großauftrag der US-Weltraumagentur Nasa für seine Raketen-Firma SpaceX an Land gezogen. Sie soll für 2,6 Milliarden Dollar Astronauten in den Orbit befördern. Mit einem befreundeten Unternehmer will Musk 700 Satelliten ins All schießen und das Internet in jede Ecke der Welt beamen.
In der Wüste von Nevada versucht er mit einer gigantischen Batteriefabrik die Kosten für Akkus durch Massenproduktion um mindestens 30 Prozent zu drücken. Gelingt das, könnten diese Speicher nicht nur Elektroautos so günstig wie konventionelle Fahrzeuge machen, sondern auch die Art verändern, wie wir alternative Energie speichern und nutzen.
Er träumt sogar davon, die Luftfahrtbranche mit seinem Projekt Hyperloop anzugreifen, bei dem er Passagierkapseln mit 1200 Kilometern pro Stunde durch luftleere Stahlröhren schießen will, etwa von San Francisco nach Los Angeles. „Elon hat momentan die größten Ei..., äh, das größte Bravado von allen High-Tech-Unternehmern“, scherzt Entwickler Brad Templeton von der Singularity University im Silicon Valley.
Statt immer nur Geld mit Online-Werbung verdienen zu wollen, wie so viele andere Gründer im Silicon Valley, packt Musk die großen und riskanten Dinge an. Und erntet allmählich Anerkennung: Gerade hat er in Berlin für „seine Pionierarbeit im Bereich Mobilität“, so die Begründung, das Goldene Ehrenlenkrad erhalten, einer der begehrtesten deutschen Autopreise.