In den letzten Wochen dachte ich mehrmals, dass mit mir etwas nicht stimmt: Während in Kreisen von Netzapologeten und Geeks die Vorfreude auf Google Glass zunimmt, vermisse ich bei mir das Gefühl der Begeisterung im Bezug auf die revolutionäre Cyberbrille des Internetkonzerns. Dabei würde ich liebend gerne die gleiche Euphorie verspüren, die ich etwa bei der Einführung des iPhone oder iPad erlebte. Bedenkt man, dass Glass noch einen deutlich größeren technischen Evolutionsschritt darstellt, müsste meine Spannung eigentlich sogar noch ausgeprägter sein. Doch Fehlanzeige. Es dauerte einige Zeit, bis mir der Grund für meine distanzierte Haltung klar wurde. Das Lesen dieses Artikels half mir dabei, den von mir ausgemachten Schwachpunkt genauer vor mir zu sehen.
Für Träger bietet Glass viel Potenzial
Für den aktiven Einsatz dürfte Google Glass, sofern es die von Google versprochenen Funktionen mitbringt, ein großer und auch nützlicher Spaß werden. Google-Gründer Sergey Brin hat nicht unrecht, wenn er den stetigen Zwang zum Blick auf das Smartphone für verbesserungswürdig hält, auch wenn seine Beschreibung dafür mit dem Attribut “entmannend” etwas unglücklich war. Als Brillenträger bin ich mit den Konzept eines Gestells in meinem Sichtfeld ohnehin schon vertraut. Selbst wenn die frühen Versionen von Glass noch etwas sehr nerdig aussehen, so dürfte es nicht lange dauern, bis sich auch ansehnliche Designergestelle mit Glass-Komponente erwerben lassen. Irgendwann gäbe es Glass dann vielleicht auch als Aufsatz für jede beliebige Brille.
Neue Freiheit auf Kosten anderer
Problematisch an Glass ist jedoch, dass jeder Mensch in der Umgebung eines Glass-Nutzers automatisch in der persönlichen Freiheit eingeschränkt wird. Nur wenige für Endanwender gedachte Produkte und Technologien weisen derartig egoistische Züge auf, werden also dadurch charakterisiert, dem Nutzer eine neue Freiheit einzuräumen, die deutlich auf Kosten anderer Individuen geht. Dies galt weder bei der Einführung des Internets noch des iPhones – zwei im Vorfeld jeweils unterschätzte und belächelte Ereignisse.