Wenn die Suppe versalzen ist, so heißt es, ist der Koch verliebt. Wenn aber Mark Oleyniks Leibkoch einen Fehler macht, ist der nicht etwa amourös verwirrt; er ist einfach nur falsch programmiert. Denn Oleynik ist Gründer des britischen Start-ups Moley Robotics. Und der Koch in seinem Londoner Labor ist kein Mensch, sondern ein Roboter.
Zwei Arme aus Stahl und Kunststoff hängen dort in einer Küchenzeile über dem Herd. Fingerfertig wie ein geübter Koch wirbeln sie mit Pfannen und Schneebesen, Flaschen und Messbechern. Behände fassen die Greifer nach Schälchen mit Butter, Zwiebeln und Tomaten, geben Zutaten in den Topf, rühren und füllen am Ende die Suppe mit der Kelle auf die Teller. „Hier“, sagt Oleynik, „entsteht die erste vollautomatische Küche.“
Um seinem Küchenlehrling die Fertigkeiten eines Sternekochs beizubringen, lädt Oleynik regelmäßig Profis in sein Kochlabor. Jeden ihrer Handgriffe filmt der britische Ingenieur dabei mit 3-D-Kameras, digitalisiert sie und überträgt die Zubereitungsschritte schließlich auf die Roboterarme.
Die imitieren später aufs Genauste jede Bewegung. Zusätzlich sollen sie per Kamera erkennen, wo welche Zutat auf der Arbeitsfläche bereitliegt. Der Automat, versichert sein Erfinder, greife sich bald sogar Zutaten aus dem Kühlschrank und schnibbele Gemüse mit dem Messer.
So viele digitale Innnovationen wie lange nicht mehr
Das klingt wie Science-Fiction, und es sieht auch so aus. Trotzdem will Moley Robotics schon 2017 den ersten Robo-Koch auf den Markt bringen, inklusive Herd, Mikrowelle und Küchenzeile. Die erste Version – mehr Kleinstserie als Massenprodukt – soll 72.000 Dollar kosten. Doch schon ein Jahr später hofft der Designer die Technik dank des Preisverfalls bei Elektronik und Robotik für 15.000 Dollar anbieten zu können. Das wäre kaum teurer als mancher analoge High-End-Kochtempel von heute.
Per Handy-App lädt der Gourmet dann Rezepte wie andere heute Popsongs aus dem Netz. Ein Tipper aufs Display, schon lässt der Küchenchef aus Stahl und Software Gemüse dünsten und Steaks brutzeln.
Noch sind das Ankündigungen. Doch ihren Live-Test hat die Technik schon bestanden: Auf der Hannover Messe im April servierten Oleyniks Robo-Arme Besuchern bereits automatisch zubereitete Suppe.
Kulinarisches aus Computer-Hand – die Vorstellung muss nicht jedem schmecken. Aber der Trend ist eindeutig: Rund um den Herd gibt es derzeit so viele digitale Innovationen wie lange nicht mehr.
Ikea zeigt die High-Tech-Küche
Das Internet der Dinge, die Verschaltung elektronischer Geräte mit den weltweiten Datenströmen, macht sich – nach Büro, Wohnzimmer und Produktion – nun auch mit Wucht in der Küche breit. „Im Jahr 2020 werden alle unsere Hausgeräte vernetzt sein“, verspricht Boo-Keun Yoon, Co-CEO des südkoreanischen Elektronikriesen Samsung.
Es ist beileibe nicht der einzige Hersteller, der Technik-Fans, Gourmets und Vitaminjunkies spannende Zeiten am Herd verspricht: Gerade erst hat etwa der schwedische Möbelriese Ikea einen Vorgeschmack auf die High-Tech-Küche der Zukunft gegeben. Das Designerstück voller vernetzter Küchenelemente reicht von der interaktiven Displaytischplatte bis zu modularen Kühlboxen, die den Eisschrank ersetzen.
Die Küche von morgen, wie sie Trendforscher sich vorstellen, verspricht, unsere Ernährung gesünder zu machen und den Genuss vielseitiger denn je – sofern wir uns darauf einlassen, dass bald sogar der Herd Daten ins Internet spielt.
So viel ist klar: Es bleibt kein Kochlöffel auf dem anderen. Vom Einkaufen über die Vorratshaltung bis zum Zubereiten verändern sich alle Zutaten der Küchenwelt.
Von der Lieferdrohne sofort in den Kochtopf
Liefern lassen statt shoppen gehen, ist eines der neuen Credos. Wir werden kochen, wie Daimler und Co. heute Autos bauen: just in time. Kurz bevor wir den Herd anwerfen, liefern Drohnen und Roboterautos uns Lebensmittel auf den Balkon oder in eine Kühlbox an der Haustüre.
Den passenden Bestellknopf zum Ankleben an Küchenmöbel oder Türrahmen hat der Online-Händler Amazon schon entwickelt. Das Gerät von der Größe eines USB-Sticks, Dash genannt, verbindet sich daheim mit dem WLAN-Netz. Ein Druck auf den Knopf löst per Funk automatisch die Order für eines von mehr als 250 Produkten aus. So gibt es bereits Bestell-Buttons für Kaffee, Küchenrollen, Katzenfutter oder Fruchtsaft.
Ab Herbst bauen erste Hersteller den Nachbestelldienst direkt in ihre Geräte ein. Der US-Haushaltswarenkonzern Clorox etwa bringt einen vernetzten Wasserkrug. Der misst, wie viel Liter durch seinen Filter laufen, und ordert bei Bedarf selbst Nachschub bei Amazon. Eine Kaffeemaschine des New Yorker Anbieters Quirky wiederum bestellt automatisch Bohnen, wenn der Vorrat zur Neige geht.
Mit dem Ofen reden
Shopping-Knöpfe sind nur einer von vielen Wegen, die Küche mit der Welt zu vernetzen. Schon jetzt unterhalten sich die ersten Heimgeräte via Smartphone mit uns. Gestresste Berufstätige etwa können die neusten Spülmaschinen von Bosch unterwegs per Handy-App anwerfen. Öfen von Miele laden sich Garprogramme aus dem Netz, und das Thermometer Range des US-Start-ups Supermechanical meldet dem Handy, wann der Hirschbraten im Ofen medium ist.
Vernetzte Pfannen, wie das Modell Pantelligent, verraten dem Smartphone, sobald die beste Gartemperatur erreicht ist. Küchenwaagen wie die Situ Scale messen, wie viel Kalorien die Zutaten fürs Tiramisu haben. Und der Becher von Vessyl nervt uns auf Wunsch mit der Information, wie viel ungesundes Zuckerzeugs wir trinken.
Selbst der viel beschworene vernetzte Kühlschrank wird Realität. So schickt ein Exemplar des südkoreanischen Elektronikherstellers LG Fotos aus seinem Innern zum Handy des Besitzers. Der kann so im Supermarkt überprüfen, ob noch Milch im Haus ist. Per Textnachricht befragt, verrät der Kühlschrank sogar, wie viel Bier im Getränkefach liegt – sofern der Nutzer händisch die elektronische Inventarliste gepflegt hat, die ein Bildschirm auf dem Schrank anzeigt.
Schlauer Tisch erkennt Gemüse und schlägt Rezepte vor
Ganz mühelos gelingt der Umstieg ins rein-digitale Küchenzeitalter also noch nicht.
Trotzdem denken die Entwickler schon weiter. Die Online-Community Firstbuild beispielsweise arbeitet an einem Vorratsschrank, in dessen Inneren sich Waagen oder Ei-Ablagen mit Sensoren installieren lassen. Die melden dann einer Smartphone-App, wie viel Saft oder Eier noch vorrätig sind.
Wie sich aus den Vorräten möglichst bequem etwas Schmackhaftes zubereiten lässt, die Frage hat ein Designerteam aus London beantwortet, das für Ikea die Konzeptküche des Jahres 2025 entworfen hat. Zu sehen ist der Vorgeschmack auf die Zukunft seit Kurzem auf der Weltausstellung in Mailand.
Herzstück ist ein schlauer Tisch, der sich mithilfe eines Projektors und einer Kamera unter anderem in ein interaktives Display verwandeln lässt: Legt der Hobbykoch dann etwa eine Tomate auf den Tisch, erkennt der smarte Küchenhelfer das Gemüse und projiziert passende Rezepte auf die Tischplatte. Jeden Arbeitsschritt kann der Hobbykoch so bequem auf dem smarten Tisch ablesen. Eingebaute Messfelder wiegen die Zutaten ab. In die Oberfläche integrierte Induktionsplatten dienen als Kochfelder oder wahlweise zum schnellen Aufwärmen.
Die Küche kocht
Die wahre Revolution am Herd aber dürften Geräte wie der Roboter von Moley Robotics auslösen, die ganz von selbst kochen. Sie sind näher an der Realität, als es scheint. Schon jetzt mixen etwa Maschinen Cocktails (Somabar) oder brauen Bier (Brew Bot). 3-D-Drucker, vom niederländischen Start-up 3-D by Flow oder dem US-Anbieter 3-D Systems, schichten schon aus Teig Pasta und aus flüssiger Schokolade Desserts in gewagten Formen aufeinander.
Und auch die jüngste Version des Kochapparats Thermomix vom Wuppertaler Traditionshersteller Vorwerk verkauft sich bereits bestens. Das Tischgerät synchronisiert Rezepte mit einem Online-Kochbuch und übernimmt anschließend viele Zubereitungsschritte selbst: Es mixt und mahlt, zerkleinert und püriert, dünstet und kocht und erkennt dank Software und Sensoren, wann das Essen fertig ist.
Spaghetti Bolognese aus der Kapsel
Das israelische Start-up Genie hat das Konzept noch weiter getrieben. Sein Automat erinnert an das Konzept von Kaffeemaschinen, die mit Kapseln oder Pads arbeiten. Bei der Instant-Kochmaschine reicht es, gefriergetrocknete Zutaten in eine Öffnung des Geräts zu stecken, dann legt der Robo-Koch los. Couscous mit Gemüse, Hühnchen an Reis oder Spaghetti Bolognese – all das lässt sich mit dem Schnellkocher in weniger als einer Minute zubereiten. Noch in diesem Sommer soll der Automat in Israel auf den Markt kommen, zu Preisen von „ein paar Hundert Dollar“, so Mitentwicklerin Ayelet Carasso.
Der deutsche Hausgerätehersteller Miele paart Küchentechnik sogar schon mit künstlicher Intelligenz. Auf der Elektronikmesse CES hat Miele zu Jahresbeginn seinen vernetzten Herd HR 1956 vorgestellt. Das rund 14.000 Euro teure Luxusküchenmöbel verbindet sich per WLAN mit dem Internet und kann sogar mit IBMs Supercomputer Watson kommunizieren. Der hat 9000 Kochrezepte studiert und kann nun im „Überrasch mich“-Modus neue Gerichte kreieren – je nach Gusto eher klassische Rezepte oder solche mit mehr Überraschungspotenzial. Bestätigt der Nutzer den Vorschlag, startet der Miele-Ofen selbst das passende Garprogramm.
Eine Auswahl der Kreationen, die der Supercomputer als Küchenchef ersonnen hat, hat IBM mittlerweile als Kochbuch herausgebracht. Etwa marokkanisches Mandel-Curry, belgischer Speck-Pudding oder tschechisches Schweinebauch-Moussaka.
Wer also probieren will, wie die Küche der Zukunft schmeckt, kann die Rezepte schon heute vorkochen.