




Es war eine ans Absurde grenzende Prognose, die Donald Norman 1998 mit seinem Buch "The invisible Computer" aufstellte: Mitten ins boomende PC-Zeitalter hinein und ungeachtet aller anhaltend zweistelligen Absatzrekorde der persönlichen Rechenknechte, propagierte Norman, einst Chef von Apples Technologie-Entwicklung und Professor der Elite-Uni Stanford: "Der Computer [...] wird unsichtbar."
Was damals und auch gut ein Jahrzehnt lang anschließend undenkbar galt, hat sich inzwischen bestätigt: Der PC hat seinen Zenit überschritten - selbst wenn die Hersteller auch im vergangenen Quartal noch weltweit mehr als 70 Millionen Rechner abgesetzt haben. Doch der Trend zeigt ungebrochen abwärts: Der IT-Marktforscher Gartner meldete gerade erst beim weltweiten Computerabsatz für das dritte Quartal ein Minus von 7,7 Prozent im Vorjahresvergleich, Konkurrent IDC errechnete gar ein Minus von 10,8 Prozent. Seit Ende 2011 ist der Markt 13 von 15 Quartalen geschrumpft. Und es ist nicht absehbar, warum sich das noch einmal grundlegend ändern sollte.
Die Windows-Droge wirkt nicht mehr
Zumal auch der alte Automatismus nicht mehr funktioniert, dass jede neue Windows-Version, die Microsoft auf den Markt bringt, das PC-Geschäft nachhaltig ankurbelt. Windows 8 erwies sich als Irrweg. Das Support-Ende von Windows XP hat den Rechnerabsatz nur kurzfristig wieder angeschoben. Und auch die erkennbar gute Resonanz von Windows 10 - zwei Monate nach der Softwarevorstellung liegt der Marktanteil bereits bei 6,6 Prozent, und damit sogar über der Akzeptanz des beliebten Windows 7 - spiegelt sich nicht in PC-Verkäufen wider.
Kein Wunder, verschenkt Microsoft sein Betriebssystem doch aktuell millionenfach an die Besitzer älterer PCs. Die bekommen nun "für lau" eine bessere Software … und schieben so die Neuanschaffung von Rechnern eher noch hinaus. Neue Windows-10-Funktionen, wie etwa "Hello", die Möglichkeit sich anhand biometrischer Merkmale per Fingerabdruckleser oder 3-D-Kamera am Rechner anzumelden, sind jedenfalls nicht so zwingend, dass die PC-Gemeinde nun reihenweise ihre alten Maschinen ausmustert.
Doch an ihre Stelle treten immer öfter andere, vielfach zusätzliche Computer, und die sind - ganz im Sinne von Donald Norman - tatsächlich so gut wie unsichtbar. Denn dass der klassische PC auf dem Rückzug ist, bedeutet ja nicht, dass uns weniger Rechner umgeben. Im Gegenteil, es werden immer mehr.
Wie Windows wurde, was es ist
Der Urahn des inzwischen meistgenutzten PC-Betriebssystems kam im November 1985 auf den Markt. Damals war Microsoft noch ein Außenseiter, während der Platzhirsch IBM und der Aufsteiger Apple den Kampf um den PC-Markt auszufechten schienen. Anfangs arbeitete sich Windows nur mühsam ins Geschäft – denn Microsoft verzichtete zunächst angesichts eines jahrelangen Patentstreits mit Apple auf grafische Bedienungselemente.
Mit dieser Version lernte Windows 1992, Videos abzuspielen, bekam die ersten integrierten Spiele und neue Schriften. Die Grundansicht mit den überlappenden Fenstern und einem Desktop für Programm-Symbole blieb – mit einigen Design-Änderungen – lange erhalten.
Parallel zu den Consumer-Versionen von Windows entwickelte Microsoft nach dem Scheitern des OS/2-Projektes mit IBM eine Windows-Version mit einem neuen Programm-Kern („Windows New Technology“). NT wurde mit Windows 2000 fortgeführt und ging später in Windows XP auf.
Die radikale Erneuerung von 1995 brachte in Grundzügen das Windows, das heute praktisch jeder kennt. Unter anderem wurde der „Start“-Knopf mit dem Balken am unteren Bildschirmrand eingeführt. Nachdem nachträglich der Web-Browser Internet Explorer zum Windows-Grundpaket hinzugefügt wurde, setzte sich Microsoft zum Ärger der Wettbewerbshüter in diesem Bereich gegen den Pionier Netscape durch. Auf die Version folgten die kleineren Aktualisierungen Windows 98 und ME.
2001 brachte Microsoft die bisher langlebigste Version seines Betriebssystems auf den Markt. Mit Windows XP wurden viele visuelle Effekte hinzugefügt, ebenso wie wichtige Funktionen wie etwa schneller Benutzerwechsel, eine integrierte Firewall für mehr Sicherheit und verbesserter Medienwiedergabe.
Das Betriebssystem Windows Vista sollte XP verdrängen, wurde von den Nutzern aber weitgehend ignoriert. Die 2007 veröffentlichte Version bot zwar neue Bildschirmansichten, aber eine für viele Nutzer verwirrende Rechteverwaltung für Benutzerkonten. Erst mit der Vorstellung von Windows 7 im Oktober 2009 konnte Microsoft die Anwender wieder überzeugen.
Mit Windows 8 rüstet sich Microsoft für den Wandel der Computer-Welt: Die neue Kacheloberfläche ist für Touchscreens ausgelegt und eignet sich damit auch für Tablet-Computer – äußerlich ähnelt das System damit dem Smartphone-Betriebssystem Windows Phone. Microsoft stellte Windows 8 im Oktober 2012 vor. Gerade an der neuen Bedienung wurde jedoch schnell viel Kritik laut.
Ein Update für Windows 8 kam im Oktober 2013 auf den Markt. Das kostenlose Windows 8.1 soll die größten Kritikpunkte an dem Vorgänger ausräumen. So können Nutzer direkt auf den Desktop starten und so die Kacheloberfläche umgehen. Zudem kehrt der Startknopf zurück, wenn auch nicht das klassische Startmenü.
Mit Windows 10 bietet Microsoft eine einheitliche technische Plattform für PCs, Tablets und Smartphones an. Das von Nutzern ersehnte Start-Menü kehrt auf den Desktop zurück. Am 29. Juli 2015 stellte der Softwaregigant das jüngste Betriebssystem vor. Ein Jahr lang war das Upgrade auf Windows 10 für Computer mit Windows 7 und 8.1 kostenlos. Was das neue System bringt und für welche Nutzer es sinnvoll ist, lesen Sie hier.
Die Flut der unsichtbaren Rechner
Dass Smartphones zwar nicht wie klassische PCs aussehen, aber längst mehr Rechenleistung besitzen, als etwa das gesamt Apollo-Mondlandeprogramm der USA in den 1960er-Jahren benötigte, ist bekannt. Doch dazu kommen inzwischen Abermillionen von Computeruhren à la Pebble, Apple Watch oder ungezählte Fitness-Tracker, die wir an unseren Handgelenken umhertragen. Jeder moderne, vernetze Fernseher ist heute mehr Computer mit Megadisplay als Bildschirm mit Empfangsmodul.
Und die Flut der Internet-Radios, der WLAN-Lautsprecher, der Deckenleuchten mit Internet-Zugang, der smarten Wasch- und Spülmaschinen, Kühlschränke, Cafémaschinen und der vernetzten Autos lässt die Zahl der Rechner in unserem Alltag ins Unermessliche steigen. Die Rechenknechte sind überall - und immer öfter tatsächlich "unsichtbar".
Und so ist die Kehrseite des Booms der unscheinbaren aber allgegenwärtigen Computer eben der Abschwung des traditionellen PC-Geschäfts … und mit ihm der Niedergang der etablierten Computerbauer. IBM, einst Erfinder des Ur-PC, hat seine klassischen Privat- und Bürorechner in zwei Tranchen an Lenovo verkauft. Hewlett-Packard irrt seit Jahren strategisch orientierungslos durch die Gegend, versucht es mal mit Zukauf- mal mit Separationsmodellen und zerlegt sich aktuell gerade mal wieder selbst - getrieben von der Hoffnung, dass zumindest das Geschäft mit Großrechnern für Rechenzentren vom Boom des Cloud-Computing profitieren möge.