




Khalid El-Amin hält die Finger vor den Mund. Ein paar Mal haucht der US-Amerikaner sie an und schüttelt sich. „Verdammt kalt hier“, schimpft der nur 1,76 Meter große Spielmacher des Basketballbundesligisten BG Göttingen.
Zum Aufwärmen traben, sprinten und stoppen die Profis in der Turnhalle des Felix-Klein-Gymnasiums. An diesem Januar-Tag ist es besonders kühl – extra heizt der Hausmeister für die Profis nicht. Ihre Schuhe quietschen auf dem türkisen Linoleum, den ein buntes Wirrwarr aus Begrenzungslinien für unterschiedlichste Sportarten überzieht. Vom Glamour der US-Profis und ihren Basketball-Tempeln ist beim Training in der niedersächsischen Universitätsstadt wenig zu spüren.
Sensoren im Trikot
In einem Detail aber sind die Göttinger Profis der nordamerikanischen Elite-Liga NBA so ähnlich wie sonst kein Team der Basketballbundesliga: Kaum sichtbar trägt jeder Sportler Sensoren im Nacken, eingenäht ins Trikot. Sie zeichnen jeden Antritt von El-Amin und seinen Teamkameraden auf, jede Beschleunigung, jede Drehung, jeden Sprung.
Die Informationen erscheinen via Funk auf dem Laptop-Display von Johan Roijakkers. „Mithilfe dieser Daten erkennen wir die Belastung jedes Spielers. Das hilft uns, exakt vor jedem Spiel topfit zu sein“, sagt der Trainer der Göttinger, die als erster Club der deutschen Liga auf die neue Technik setzen.
In der NBA gehört solch ein Spieler-Tracking längst zum Alltag. Trainer und Sportwissenschaftler schätzen die Objektivität der Daten, um individuelle Stärken und Schwächen der Athleten, aber auch die Qualität von Spielstrategien zu bewerten. Ein großer Fan der Technik ist Mark Cuban, dem die Dallas Mavericks mit dem deutschen Ausnahmespieler Dirk Nowitzki gehören. Er ist sogar als Investor beim australischen Unternehmen Catapult Sports eingestiegen, einem der größten Anbieter vernetzter Messsysteme für Sportler, von dem auch das System der Göttinger stammt.
Am Spiel der Dallas Mavericks von Dirk Nowitzki (Mitte) gegen die Brooklyn Nets zeigen wir in einer animierten Infografik exemplarisch, was aufgezeichnet und ausgewertet werden kann:
Bisher war das ein sehr elitäres Geschäft. Zu Preisen von bis zu 250.000 Euro pro Komplettsystem konnten sich allenfalls finanzstarke Top-Clubs die Vermessung ihrer Sportler leisten. Nun aber fällt das Preisniveau – und das mit geradezu atemberaubender Geschwindigkeit. Inzwischen harmoniert die Technik sogar mit dem nur knapp zwei Millionen Euro schweren Jahresetat der BG Göttingen: Ihr System kostet mit nur noch 24.000 Euro nicht einmal mehr ein Zehntel der teuersten Varianten.
Handytechnik erobert den Sport
Waren Beschleunigungsmesser und Lagesensoren wie etwa Gyroskope lange nur für den Einsatz in Luft- und Raumfahrt bezahlbar, können nun auch Freizeitsportler sie sich leisten. „Ein Bluetooth-Chip zur Funkübertragung der Daten kostet kaum mehr als vier Euro“, rechnet Jürgen Edelmann-Nusser vor, Professor für Sport und Technik an der Universität Magdeburg. Möglich macht das der Preisverfall durch die zigmillionenfache Produktion solcher Rotations-, Beschleunigungs- und Pulssensoren, wie sie mittlerweile in jedem besseren Smartphone stecken.
Und so wird die umfassende Vermessung des Trainings über alle Leistungsklassen bis zum Breitensport auch ein Top-Thema der Sportmesse Ispo sein, zu der sich die Fitnessbranche ab Donnerstag (5. bis 8. Februar) in München trifft.
Sichtbarstes Merkmal des Trends sind die allgegenwärtigen Fitnessbänder, mit denen sich Schritte, Puls oder Kalorienverbrauch protokollieren lassen. Fürs vergangene Jahr rechnet der Marktforscher ABI Research weltweit einen Absatz von mehr als 40 Millionen Stück hoch.
Fitnesstracker und Handyersatz: Was Smartwatches können
Bis vor wenigen Jahren waren Telefone und Computer in der Größe einer Armbanduhr nur Fiktion – „Knight Rider“ lässt grüßen. Doch die Chips werden immer kleiner, leistungsfähiger und billiger. Damit werden Geräte wie Smartwatches überhaupt erst technisch möglich und erschwinglich.
Smartwatches sind Teil eines Trends: Computer werden immer kleiner und damit komfortabler im Transport. Neben intelligenten Uhren gibt es etwa auch Fitnessarmbänder und Brillen, die mit Informationstechnologie aufgerüstet sind. Google Glass ist ein bekanntes Beispiel. Die Technologiebranche spricht vom "Wearable Computing" – und hofft auf einen Wachstumsmarkt.
Was ist überhaupt eine Smartwatch? Der Begriff ist schwierig zu fassen. Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien. Die meisten Modelle funktionieren nicht eigenständig, sondern als Erweiterung zum Smartphone und zeigen Termine, E-Mails oder eingehende Anrufe an. Die Daten werden in der Regel per Bluetooth übertragen.
Während die meisten Smartwatches eine Erweiterung fürs Smartphone sind, sollen ein paar Modelle das Handy ganz ersetzen. Sie haben ein Mobilfunk-Modul, das Telefonate und die Übertragung von Daten erlaubt. Das gilt etwa für die Gear S von Samsung.
Die Geräte sind unterschiedlich ausgestattet. Einige fungieren als diskrete Sekretäre – sie erinnern an Termine, zeigen eingehende E-Mails an und vermelden Telefonanrufe. Andere eignen sich auch als Freisprecheinrichtung oder als kompaktes Navigationsgerät. Unter Sportlern beliebt sind Spezialgeräte, die den Puls und die Laufstrecke messen.
Die Laufzeit ist bei allen Smartwatches ein Problem: Weil die Geräte so klein sind, lässt sich darin kein großer Akku unterbringen. Daher sind viele Modelle nicht besonders ausdauernd – je nachdem welche Display-Technologie zum Einsatz kommt.
Diverse Unternehmen haben bereits Smartwatches auf den Markt gebracht – Start-ups wie Weltkonzerne. Zu den kleinen Anbietern zählt das Unternehmen Pebble, das über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter seine Anschubfinanzierung gesichert hat. Der IT-Riese Sony brachte bereits die dritte Generation seiner Computer-Uhr heraus, Samsung hat die Galaxy Gear entwickelt, der Chiphersteller Qualcomm stellt die Toq her. Im April 2015 kommt auch die Apple Watch heraus.
Wie sich junge Märkte entwickeln, ist schwierig zu prognostizieren – die Vorhersagen für Smartwatches gehen weit auseinander. Während etwa die Marktforschungsfirma IDC ein rapides Wachstum voraussagt, erwarten Forrester und NPD Displaysearch eine baldige Abkühlung des Marktes.
Die Vielfalt aufgemotzter Sportgeräte reicht vom Tennisschläger des Herstellers Babolat bis zu Adidas’ Smart Ball (>> hier geht es zur Bildergalerie). Ob Topspin-Dynamik oder Effet beim Freistoß – Hobbysportler können elektronisch fast jede Bewegung ausmessen. Sensorgespickte Yogamatten überwachen die Körperhaltung und geben via Smartphone-App Trainingstipps. Mikrochips im Handschuh messen den Golfschwung, Sensoren protokollieren das Hanteltraining.
Björn Eskofier, Sportinformatiker an der Universität Erlangen-Nürnberg, forscht seit Jahren zu digitalen Techniken. Er ist überzeugt, dass sich die Vernetzung im Massenmarkt durchsetzt. „Viele Systeme wecken Motivation, Spieltrieb und Wettbewerbsgedanken“, sagt er. So erlaubten es viele Trainings-Apps, die Leistungen mit Freunden online zu teilen.