Smartphone-Gadgets So wird Ihr Handy zur Super-Kamera

Smartphones als Alltagsknipsen nutzt jeder längst. Mit den richtigen Erweiterungen aber können Sie Ihr Telefon zur Hightech-Kamera hochrüsten.

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Add-On-Kameras für das Smartphone. Quelle: Pressebild, Montage

Allein die Zahl ist unfassbar: 1,8 Milliarden Fotos veröffentlichten Nutzer sozialer Netzwerke vergangenes Jahr weltweit auf Online-Plattformen und via Apps, haben die Statistiker von Kleiner Perkins Caufield & Byers berechnet. 1,8 Milliarden Bilder - pro Tag, nicht im Laufe eines Jahres, wohlgemerkt.

Das ist ein sattes Drittel mehr als 2013, und der Wachstumstrend ist ungebrochen. Denn der digitale Bilder-Boom im Netz verläuft parallel zum Erfolg der Smartphones. Längst haben Fotohandys klassischen Kompaktkameras den Rang abgelaufen, den Markt für Einsteigerkameras gar gänzlich implodieren lassen. Und nun graben die High-End-Kamerahandys so ungestüm der Foto-Mittelklasse das Wasser ab, dass gerade erst der koreanische Elektronik-Konzern Samsung den Ausstieg aus dem deutschen Kamerageschäft angekündigt hat.

Apple bewirbt sein iPhone gar als „beliebteste Kamera der Welt“. Auch wenn die Kalifornier dafür einen kleinen statistischen Kunstgriff nutzen und alle seit 2007 verkauften iPhones zusammenzählen, ein Fakt ist unbestreitbar: Für Zig-Millionen Menschen weltweit ist das Smartphone längst der Fotoapparat der Wahl.

Die Qualität der Smartphone-Bilder hat inzwischen ein Niveau erreicht, dass der Masse der Alltagsfotografen nicht bloß ausreicht. Ob Lichtstärke oder Auflösung, Handys leisten heute mehr, als vor ein paar Jahren noch reguläre Kompaktkameras abzulichten im Stande waren.

Die Grenzen der Handy-Fotografie

Andererseits, und auch das merkt mancher Handyfotograf, wenn er etwa bei schlechter Beleuchtung oder in Bewegung Bilder machen will: Sobald die Bedingungen schlechter werden, fallen die Smartphone-Bilder gegenüber der technischen Qualität „richtiger“ Fotoapparate zurück.

Der Grund: Irgendwann stoßen die nur wenige Millimeter großen Linsensysteme und Sensoren an physikalische Grenzen. Dann wird das Handy-Foto verrauscht, verwaschen oder schlicht unscharf. Diesem Manko rücken nun eine Reihe innovativer Technikanbieter zu Leibe. Sie nutzen Rechenleistung und Display der Telefone – und ergänzen sie mit ganz unterschiedlichen externen Sensor-Konzepten, die den Smartphones bis dato ungeahnte optische Qualitäten verleihen.

Anstecken und aufrüsten

Drei unterschiedliche Smartphone-Erweiterungen, die Ihr Telefon zur Superkamera hochrüsten haben wir getestet und stellen sie auf den folgenden Seiten vor. Die Ansteckmodule heben Auflösung und Lichtstärke nahe ans Spiegelreflex-Niveau, können absolut verwackelungsfreie Bilder liefern oder sind in der Lage Dank Infrarot-Sicht noch selbst in völliger Dunkelheit Bilder zu schießen.

DxO One: Adlerauge fürs Telefon

Mit 7 x 5 x 2,5 Zentimetern Volumen ist das Kameramodul der DxO One nur wenig größer als eine Streichholzschachtel. Aber eine, die es in sich hat. Denn in der handlichen, knapp 110 Gramm schweren Plastikbox, die sich an den Lightning-Ladestecker von iPhone oder iPad anstecken lässt, hat der in Paris und San Francisco ansässige Hersteller DxO einen vollwertigen Ein-Zoll-Fotosensor mit 20,2 Megapixel Auflösung integriert.

Ansteckkamera DxO fürs Apples iPhone.

Der ist zwar noch nicht ganz so groß, wie die Sensoren in Spiegelreflexkameras der Einsteiger- oder Mittelklasse, liegt aber auf dem Niveau der aktuellen Edel-Kompaktkameras im Premiumsegment. Und auf deren Niveau liegt auch die Bildqualität der DxO, die neben Fotos auch Videos bis zum FullHD-Modus 1080p aufnehmen kann.

Fotos im Blindflug knipsen

Die Ansteckkamera bedient sich des Handybildschirms als Sucherdisplay, und sie lässt sich auch darüber per Touchsteuerung bedienen. Eingeschränkt funktioniert die DxO sogar ohne Smartphone. Dann allerdings muss (mangels Sucher) ein Druck auf den Auslöser genügen und die Kamera schießt ein Bild im Automatikmodus.

Die eigene Optik  hat eine Menge Vorteile. Sie bietet mehr Platz für Linsensystem und Blende, und ermöglicht so beispielsweise schöne Unschärfeeffekte zwischen Vorder- und Hintergrund. Zudem ist das Objektiv deutlich größer und damit lichtstärker als die Mikrolinsen des Smartphones. Das macht es möglich, mit der DXO auch dann noch ohne Blitz scharfe Aufnahmen zu machen, die das Handy allenfalls noch mit Zusatzbeleuchtung hinbekommt – und damit tendenziell überblitzt, auf jeden Fall aber hart belichtet.

Aufnahmen exakt steuern

Dass die Fotobox eine variable Lichtempfindlichkeit von 100 bis 51200 ISO bietet, ist jedenfalls am oberen Ende eher ein akademischer Wert, denn wenn man die Empfindlichkeit allzu forsch nach oben schraubt, neigt die Aufnahme zum Rauschen. Immerhin, der Fotograf bekommt mit dem Andock-Modul endlich die Flexibilität in der (auch manuellen) Fotosteuerung, die die Standard-Foto-App des Apple-Smartphones vorenthält.

Relevanter als die maximale ISO-Spreizung ist daher im Alltag auch eher die Möglichkeit, die Blende ab f/1.8 aufwärts und die Belichtungszeit zwischen einer 1/8000 Sekunde und 15 Sekunde Langzeitaufnahme zu variieren. Das ermöglicht tatsächlich eine Bildgestaltung, die kreative Aufnahmen möglich macht. Aufnahmemodi wie etwa die bei den neuen iPhones integrierten Timelapse- oder HDR-Programme bringt die DxO hingegen nicht mit.

Optisches Zoom und Stativanschluss fehlen

Was der Ansteckkamera ebenfalls fehlt ist ein Stativanschluss, ohne den gerade Langzeitbelichtungen in vielen Situationen nicht sinnvoll möglich sind. Wo man Kamera und Handy nicht auflegen kann, hilft die Daueraufnahme also nicht weiter. Und noch eine Schwäche hat das Konzept – nicht gegenüber Handykameras, wohl aber gegenüber Digitalkameras klassischer Bauweise: die Festbrennweite von 32 Millimetern, umgerechnet auf Kleinbildfilm.

Zwar schwören professionelle Reportagefotografen, im Grunde reiche eine Festbrennweite von 35 Millimetern, um in jeder Situation gute Bilder machen zu können. Doch wer die DxO als Allround-Kamera etwa im Urlaub statt eines regulären Fotoapparates mitnehmen will, der wird sich mit dem integrierten Dreifach-Digital-Zoom nicht zufrieden geben.

Da bietet die Fraktion der Edelkompakten zum Preis der DxO – immerhin 600 Euro – mehr Flexibilität bei mindestens ebenbürtiger Aufnahmequalität. Mehr Qualität bei weniger Platzbedarf aber bietet derzeit kein klassischer Fotoapparat. Die Ansteck- Kamera kann ohne nennenswerten Platzbedarf in jeder Jeans-Tasche verschwinden.

DJI Osmo: Erdbebensichere Aufnahmen

So eindeutig wie die DXO als Smartphone-Erweiterung auf die Fotografie ausgerichtet ist, so unzweifelhaft liegt der Schwerpunkt bei der Osmo des chinesischen Drohnenherstellers DJI auf der Video-Aufnahme.

Im Grunde handelt es sich bei dem Gerät um einen selbststabilisierenden Kamera-Handgriff, der es – ähnlich wie die „Steadycam“ genannten Tragegestelle für TV-Kameras – möglich machen soll, verwackelungsfreie Bilder und Videos zu schießen.

Smartphone im Osmo-Kamerahalter

Selfie-Modus auf Knopfdruck

Die integrierte 12-Magapixel-Kamera der Osmo ist an dreh- und neigbaren Gelenken aufgehängt, die es ermöglichen, die Bewegungen des Bildsensors weitgehend von denen des Kameramann/Fotografen abzukoppeln.

Pfiffig: Wer den Auslöser schnell zweimal hintereinander drückt, fährt die Kamera auf die Startposition zurück. dreifacher Druck dreht sie in Selfie-Position.

Egal, wohin man Filmen will, die Beruhigung der Aufnahmen funktioniert verblüffend gut: Selbst bei schnellen Körperbewegungen, beim Treppensteigen oder auch beim Gehen auf unebenen Untergründen hält der - im Fachbegriff Kamera-Gimbal genannte - Stabilisator den Fokuspunkt der Aufnahme verlässlich auf den Punkt gerichtet, den der Nutzer über den Steuerknopf im Handgriff vorgewählt hat.

Möglich macht das eine – bei aller Komplexität mit rund 200 Gramm Gewicht erstaunlich leichte – Konstruktion, die von Bewegungs- und Beschleunigungssensoren, einem Akku und diversen elektrischen Mikroantrieben in der Waage gehalten wird. Allerdings kommt zum Gewicht der Osmo noch das des Smartphones dazu, welches mithilfe einer Klemmkonstruktion mit dem Gimbal verbunden wird und wiederum als Display für die Aufnahmen dient.

Die entsprechenden Apps gibt es für Android- und iOS-Geräte.

Nichts für Schnappschuss-Fotografen

Anders als bei der DxO One sind bei der Osmo Kamera und Handy nur via WLAN verbunden. Das erspart den mechanischen Kontakt und verhindert, dass der Kupplungsstecker etwa beim Sturz Schaden nimmt, macht es aber erforderlich, Kamera und Smartphone zunächst über Funk zu koppeln. Das ist nicht sonderlich komplex, aber eben ein zusätzlicher Aufwand, vor der Aufnahme.

Andererseits ist die Osmo bei aller grundsätzlich problemlosen Bedienung alles andere als ein Schnappschuss-Gerät. Sie ist viel mehr ein semi-professionelles Aufnahmewerkzeug, das immerhin Videos in bis zu 4K-Auflösung, Zeitrafferfilme in FullHD-Qualität und sogar den Einsatz von Four-Thirds-Kamera-Objektiven (über ein Wechselbajonett) ermöglicht.

Rund 750 Euro berechnet DJI für die Technik, die – bei aller technischen Finesse – eine wirklich störende Schwäche hat. Den unverständlich lauten Lüfter, den die Entwickler der Kamera verpasst haben. Zumindest bei Aufnahmen in geräuscharmen Umgebungen ist der Ventilator auf dem Video allzu deutlich zu hören.

Seek Thermal Compact: Unsichtbares sehen

Zugegeben, Infrarot-Fotos oder Videos sind als Urlaubserinnerungen eher ungewöhnlich. Deshalb richten sich die Kameras des amerikanischen Kameraspezialisten Seek Thermal sicher noch mehr an professionelle Nutzer als es schon bei der DJI Osmo der Fall ist. Doch wer Verwendung dafür hat, Wärmeunterschiede aufzuspüren, bekommt mit den Ansteckkameras Seek Compact beziehungsweise Seek CompactXR verblüffend leistungsstarke Smartphone-Erweiterungen.

Thermokameras im Vergleich

Hilfreich gegen Kältebrücken oder Kurzschlüsse

Egal, ob bei der Suche nach Kältebrücken in der Gebäudeisolation, erhitzten Störstellen in Kabelverläufen oder im Einsatz als Nachtsichtgerät, um etwa Tiere im Gebüsch aufzuspüren – die gerade mal 300 Euro teuren Mikrokameras mit ihren 32.000 Thermopixel machen das Unsichtbare sichtbar.

Die Temperaturspanne reicht von -40 bis +330 Grad Celsius, der Bildwinkel liegt bei 36 beziehungsweise 20 Grad (im Fall der CompactXR, die damit eher für den Infrarot-Blick in die Ferne gedacht ist). Der Hersteller verspricht 300 beziehungsweise 550 Meter Sichtweite, je nach Bildwinkel.

Thermobild eines Tieres im Unterholz.

Wirklich gestochen scharfe Aufnahmen darf der Nutzer allerdings weder auf kurze noch auf ferne Distanzen erwarten. Aber das ist auch nicht Sinn und Zweck der Seek-Kameras. Sie begeistern vielmehr durch die Möglichkeit, Aufnahmen außerhalb des menschlichen Sehvermögens zu machen – und das zu einem Bruchteil des Preises, der bisher für Infrarotkameras zu zahlen war.

Nachtsicht zum Spottpreis

Die nur gut Daumen-großen Thermo-Knipsen lassen sich (je nach Ausführung) an den Lightning-Stecker des iPhones oder den USB-Anschluss vieler Android-Telefone stöpseln. Sie liefern Aufnahmen in einer Qualität, die nah an dem liegt, was etwa professionelle Wärmebildkameras leisten. Das zeigt ein Vergleich mit der mehr als 10.000 Euro teuren Bullard-Profikamera, die die Grevenbroicher Feuerwehr für den Test zur Verfügung gestellt hat.

Der Fairness halber sei erwähnt, dass es die Seek-Sensoren natürlich weder bei Robustheit noch bei Hitzebeständigkeit und auch nicht bei etwa der Bedienbarkeit in Einsatzuniform mit dem Profigerät aufnehmen können.

Doch sowohl die Bildauflösung, die Abstufungen der verschiedenen Wärmebereiche und beispielsweise auch die Möglichkeit, konkret die Temperatur einzelner Gegenstände im Thermobild anzeigen zu lassen, machen die Ansteckkamera das Handy zu einem überaus brauchbaren Wärmesensor für den Alltagsgebrauch.

Zumindest wenn es dabei nicht um den Kampf gegen das Feuer oder die Suchen nach Vermissten in verrauchten Wohnungen geht. Aber all das schaffte auch keine klassische Kamera.

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