
Robert Nay aus der US-Kleinstadt Spanish Fork hat im Herbst 2010 eine Idee: Wie wäre es, denkt sich der iPhone-Fan, mit einer simplen Geschicklichkeitsübung, bei der Menschen auf dem iPhone digitale Bälle über Hindernisse jonglieren? Nur sechs Wochen später hat er das Spiel programmiert. Am 29. Dezember 2010 schaltet iPhone-Produzent Apple das Miniprogramm zum Herunterladen aus seinem elektronischen Software-Shop, dem App Store, frei. Binnen Tagen kopieren mehr als sieben Millionen Nutzer weltweit Bubble Ball auf ihr Telefon, stürmt die Daddelnummer die Spitze der Charts.
Und Nay, gerade einmal 14 Jahre alt, ist der neue Star der iPhone-Fans. Denn der zierliche Achtklässler hatte sich das Programmieren selbst beigebracht.
In wenigen Wochen vom Niemand zum Weltstar – das sind Erfolgsgeschichten, die der boomende Markt der Miniprogramme für Smartphones immer wieder schreibt. Es sind diese Apps, die die internetfähigen Mobiltelefone zum schnellstwachsenden Segment der Mobilfunkbranche machen.
Milliardengeschäft mit Apps
Das Geschäft mit den Apps ist der weltweit jüngste Milliardenmarkt. In diesem Jahr werden sich die Umsätze gegenüber 2010 auf mehr als 15 Milliarden Dollar verdreifachen, prognostiziert der US-Marktforscher Gartner. Bis 2014 sollen die Umsätze mit den bunten Programmen fürs Handy noch weiter in die Höhe schießen – auf 58 Milliarden Dollar. Das wäre eine Verzehnfachung in nur vier Jahren. Gigantische Aussichten also. "Der Boom der Apps ist nicht nur ein Modephänomen, sondern bietet auch langfristig enormes Potenzial", sagt Stephanie Baghdassarian, Research-Direktorin bei Gartner.
Aus gutem Grund: Immerhin sind Apps sozusagen das Gesicht des mobilen Internets, visualisiert durch die bunten Icons auf den Displays des iPhone und der Flut konkurrierender Geräte. Allen voran jene mit Googles Handysoftware Android, die Ende 2010 erstmals die Marktführerschaft errang. Jedes dritte neue Smartphone arbeitet heute mit dem Betriebssystem des Suchmaschinenriesen.
Doch so jung die Branche und ihre Mitstreiter sein mögen, so rasant das Wachstum und so beeindruckend die Prognose ausfallen: Die inzwischen kaum noch überschaubare Schar Zehntausender App-Entwickler erlebt gerade den ersten radikalen Umbruch des Marktes.
Das Heer der Einzelkämpfer schrumpft
Das Heer der Einzelkämpfer, die in Kinderzimmern, Hinterhofbüros oder Studentenbuden binnen weniger Stunden Apps programmieren, schrumpft. An ihre Stelle treten professionelle Entwickler wie Europas größter App-Hersteller Yoc aus Berlin oder die Hamburger Werbeagentur Philipp und Keuntje, die neben Werbekatalogen nun auch virtuelle Prospekte für Tablet-Rechner konzipiert und produziert. Zudem steht der Branche eine erste große Übernahmewelle bevor.
Auslöser des Hypes um die Apps war der kalifornische Computerbauer Apple, als er im Sommer 2007 mit viel Tamtam sein iPhone auf den Markt brachte. Ein knappes Jahr später, im Juli 2008, startet Apple den App Store.
Und das nicht einmal ganz freiwillig: Zunächst nämlich laufen auf dem Ur-iPhone gar keine Anwendungen von Drittanbietern. Unter dem Druck der Nutzer, die das iPhone immer häufiger knacken, um eigene Software aufzuspielen, ersinnt Apple sein Store-Konzept. Dort dürfen Entwickler ihre Kreationen wie in ein weltweites Schaufenster einstellen. Kauft jemand eine Anwendung, kassiert Apple 30 Prozent des Preises als Provision.
Die App-Industrie, sie ist gewissermaßen eine vom Endkunden erzwungene Erfolgsgeschichte.
Seit dem Start des App Store erfinden Zigtausende Softwareentwickler rund um den Globus immer neue Anwendungen: vom Flugsimulator über den Staumelder bis zum Lieferanten von Anmachsprüchen. Bis heute haben Apple-Kunden mehr als zehn Milliarden Programme für das iPhone und seine verwandten Geräte, den Musikplayer iPod Touch und den Tablet-Computer iPad, heruntergeladen – im Durchschnitt 60 Apps pro Gerät.