



Es war eine Szene wie aus Science-Fiction-Filmen oder dem jüngsten James-Bond-Abenteuer, in die ich mich plötzlich versetzt fühlte: Leise aber vernehmlich in seine Armbanduhr murmelnd lief ein Mann vor mir durch die Bonner Innenstadt.
Das Ganze spielte sich ab an einem Sommertag Mitte der Achtzigerjahre. An Handys wagte noch niemand zu denken, und der Mann – da war ich mir sicher – war wohl mental etwas angeschlagen. Niemand telefonierte schließlich mit einer Armbanduhr
Vor ein paar Tagen habe ich mich an den Vorfall erinnert, als ich – leise in Richtung meiner Armbanduhr murmelnd, aber im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte – telefonierend in der Düsseldorfer Innenstadt unterwegs war. Denn was vor drei Jahrzehnten bestenfalls Visionäre voraussahen, wird inzwischen tatsächlich Realität. Die Mobilkommunikation, in Form von Smartphones längst allgegenwärtig, ist jetzt auf dem Sprung beliebige Alltagsgegenstände zu vernetzen.
Das sind Apples fünf größte Konkurrenten
Kaum eine Smartwatch wird wohl so sehr erwartet wie die Uhr von Apple. Das Gerät soll nicht nur mehr Funktionen bieten, sondern auch leichter und flacher sein als die Modelle der Konkurrenz. Was genau in der Datenuhr stecken wird, ist aber zu großen Teilen noch unklar. Die Erwartungen sind trotzdem enorm: Für dieses Jahr werden 15 Millionen verkaufte Apple Watches erwartet.
(Quelle: Smartwatch Group)
Samsung ist einer von Apples größten Konkurrenten, nicht nur auf dem Gebiet der Datenuhren. Der südkoreanische Konzern ist laut Smartwatch Group zurzeit führend im Segment mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent. Samsung brachte bereits 1999 eine intelligente Uhr auf den Markt, war damals aber seiner Zeit voraus. Heute verkauft der Konzern die „Galaxy Gear“-Reihe, von der im vergangenen Jahr gleich fünf neue Modelle an den Start gingen. Etwa 1,2 Millionen Exemplare konnte Samsung davon 2014 absetzen.
Quelle: Smartwatch Group
LG setzt sowohl auf Fitness-Armbänder als auch auf Luxus-Modelle: Anfang 2014 kam das Lifeband Touch auf den Markt, das unter anderem die Schrittzahl und verbrannte Kalorien des Trägers anzeigt. Als Antwort auf die Apple Watch soll in diesem Jahr die LG Watch Urbane folgen, die vom Design an herkömmliche Uhren angelehnt ist. Im vergangenen Jahr verkaufte LG 420.000 Smartwatches und hat damit einen Marktanteil von etwa sieben Prozent.
Motorola-Uhren machten im vergangenen Jahr vor allem durch ihr Design auf sich aufmerksam: Die Ende 2014 erschienene Moto 360 ist eine der ersten Smartwatches, die ein rundes Display hat und auch mit einem Metall-Armband erhältlich ist. Das Gerät läuft mit Android Wear, dem Smartwatch-Betriebssystem von Google. Motorola hatte mit 10 Prozent den zweitgrößten Anteil am Smartwatch-Markt im vergangenen Jahr.
Der Erfolg des Herstellers Pebble ist bemerkenswert: 2012 mithilfe von Crowdfunding finanziert, hat sich der Konzern des Kanadiers Eric Migicovsky mit einem Marktanteil von sieben Prozent auf dem Markt etabliert. Für seine neue Uhr „Pebble Time“ sammelt der Konzern zurzeit wieder Spenden auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter ein: Bereits am ersten Tag unterstützen 40.000 Menschen Pebble mit acht Millionen Euro und kriegen das neue Gerät nun als erste Kunden zugestellt. Der Vorteil der Pebble-Uhren: Sie sind leicht zu bedienen und haben eine längere Batterie-Laufzeit als die Modelle der Konkurrenz.
Der Schweizer Hersteller Garmin liefert Smartwatches für Freizeitaktivitäten: Seine Zielgruppe sind unter anderem Läufer, Piloten und Golfer, für die Garmin maßgeschneiderte Uhren herstellt. Unter anderem bieten die Smartwatches ein GPS-System, einen Kompass und ein Altimeter. 2014 verkaufte Garmin 400.000 Uhren und hat einen Marktanteil von sieben Prozent.
Kaffeemaschinen, die via WLAN automatisch Espressokapseln ordern, Wasserkaraffen, die E-Mails verschicken, wenn der Filter getauscht werden muss, das gibt es schon. Und der koreanische Elektronikriese Samsung verkauft mit seiner Smartwatch Gear S2 Classic 3G seit ein paar Wochen tatsächlich eine Uhr, mit deren Hilfe ihr Nutzer auch telefonieren kann.
Vodafone bietet sie für 379 Euro in seinem Online-Shop an, dazu kommen die Kosten für den gewünschten Sprach- oder Datentarif. O2 vertreibt die Uhr in ausgewählten Shops bei knapp 60 Euro Anzahlung im Bundle mit einem monatlich 20 Euro teuren Tarif.
Was die Gear S2 aber noch viel außergewöhnlicher macht als das integrierte Telefon, ist die Technik, die diese Funktion überhaupt erst ermöglicht.
Denn während zum Handy seit dem Start der digitalen Mobilfunknetze stets eine SIM-Karte gehörte, ohne die das Telefon weder eine Rufnummer hatte noch es sich überhaupt hätte ins Funknetz einbuchen können, kommt die Samsung-Uhr ohne die auswechselbare Chipkarte aus.
Vorteile der eSIM
Stattdessen steckt im gut 13 Millimeter dicken Gehäuse – erstmals überhaupt in einem Endkundenprodukt – eine sogenannte eSIM. Das ist jener fest eingebaute Mikrochip, der in Zukunft nicht nur die klassische SIM-Karte ersetzen soll. Zugleich bietet er die Möglichkeit fast beliebige Alltagsgeräte via Mobilfunk und mit minimalem Aufwand mit dem Internet der Dinge zu vernetzen. Denn weil der SIM-Chip schon eingebaut und über Funk konfigurierbar ist, fallen der Aufwand und die Kosten weg, die Technik von Hand zu bestücken.
Daneben bietet die eSIM eine Vielzahl weiterer Vorteile.
Im Fall der Gear S2 sind es – allem voran – zwei Dinge, die Dank der eingebauten SIM-Karte möglich werden. Zum einen ist die Uhr deutlich kompakter als ihre Vorgängerin Gear S, die noch eine traditionelle SIM-Karte besaß. Eben weil der winzige eSIM-Chip nur einen Bruchteil des Platzes herkömmlicher SIM-Systeme (also der Kombination aus Steckkarte, Montageschlitten und Ausleseelektronik) benötigt. Mit nur 51 Gramm Gewicht ist sie zudem fast ein Drittel leichter als die Gear S.
Zudem lässt sich das Gehäuse der S2 – ohne die sonst erforderliche Kartenöffnung – viel leichter gegen das Eindringen von Wasser oder Staub schützen. Und so ist die neue Gear im Gegensatz zum Vorgänger nach IP68 zertifiziert. Das heißt, sie ist staubdicht und bis maximal 1,5 Metern Tauchtiefe bis zu 30 Minuten gegen das Eindringen von Süßwasser geschützt.
Soweit die technischen Vorteile. Aber bringt das neue Konzept auch ein merkliches Plus beim Gebrauch der Uhr?
Samsung Gear S2 im Alltagstest
Nach einem mehrwöchigen Alltagstest muss ich das mit „Jein“ beantworten. Die Unentschiedenheit ist gar nicht mal so sehr der eSIM selbst geschuldet, als vielmehr der Art und Konzeption wie Vodafone und O2 (seit kurzem zudem der Schweizer Telefonkonzern Swisscom) die Möglichkeiten nutzen, die der integrierte Chip bietet.





Das beginnt mit der Inbetriebnahme. Denn die funktioniert zunächst nur auf dem Umweg über eine App, die der Nutzer auf seinem Handy installieren muss. Mit deren Hilfe muss er einen QR-Code scannen, der auf einer zur Uhr gelieferten Plastikkarte aufgedruckt ist. Dank der darin verschlüsselten Informationen kann die App schließlich die Konfigurationsdaten für den gewünschten Tarif und das Mobilfunknetz laden und auf die eSIM in der Uhr übertragen.
In meinem Test dauerte es mehrere Minuten, bis ich mir die richtige Reihenfolge der Schritte erarbeitet, die App endlich den Würfel-Code richtig identifiziert, die Verbindung zum Konfigurationsserver hergestellt und schließlich den Chip korrekt beschrieben hatte.
Gemessen daran ist die intellektuelle Leistung vernachlässigbar, die es braucht eine klassische SIM-Karte in ein Telefon zu stecken.
Samsungs Ansatz leichter bedienbar als der von Apple
Andererseits, und das zeigt die Potenziale, die in eSIMs stecken, war es dann nicht mehr schwierig, neben einem Nutzerprofil fürs Vodafone-Netz auch noch eines für das O2-Netz auf den Identitäts-Chip zu laden. Die Profile lassen sich nach Bedarf wechselweise aktivieren, private oder berufliche Erreichbarkeit per Fingerstreich in der Konfigurationssoftware wechseln. Bis zu vier Identitäten können so nebeneinander am Handgelenk existieren.
Und nicht nur das macht Freude. Auch die Uhr selbst ist sehr gefällig. Sie glänzt mit einer in ihrer Klasse bisher ebenso einzigartigen wie smarten Bedienfunktion. Die drehbare Lünette, der Kranz ums Display, dient als neue Steuerungsmöglichkeit – neben den seitlichen Drucktasten und dem Touch-Display. Damit kann der Nutzer beispielsweise wortwörtlich „im Handumdrehen“ durch verschiedene Menüoptionen und eine Reihe weiterer Bedienmöglichkeiten navigieren.
Ein ähnliches Konzept verfolgt Apple mit dem seitlichen Rädchen an seiner Apple Watch. Samsungs Ansatz aber ist intuitiver und leichter bedienbar.
1,2-Zoll bleiben wenig Platz
Am grundsätzlichen Manko einer – notgedrungen – räumlichen Begrenzung der Fingersteuerung auf dem hochauflösenden 360x360-Pixel-Display ändert aber auch die smarte Lünette nichts. So zeigt der 1,2-Zoll-Bildschirm (rund 3 Zentimeter) zwar beispielsweise beim Eintippen einer SMS die Buchstaben knackscharf an. Dennoch landet der tippende Finger wegen der winzigen Eingabefelder im Alltag leider allzu oft auf dem falschen Buchstaben. Die Korrektur der Fehler ist ein elendiges Gefrickel.
Das Samsung S7 (Edge)
S7: 5,1 Zoll
S7 Edge: 5,5 Zoll
2560 × 1440 Pixel
4 GB
Je nach Region mit Exynos 8890 bzw. Snapdragon 820
Android 6.0
Hauptkamera: 12 Megapixel
Zweite Kamera: 5 Megapixel
Wasser- und staubfest (IP68)
Speichererweiterung über MicroSD-Slot
Die Farben: Schwarz, Weiß und Gold
Beim S7 Edge: Abgerundeter Bildschirmrand mit zusätzlichen Bedienfunktionen
In Deutschland etwa 700 (S7) bzw. 800 Euro (S7 Edge) in der 32-GB-Variante.
Dabei ist die Möglichkeit durchaus nützlich, Nachrichten – sei es E-Mails oder SMS – zu verfassen, selbst wenn man das Handy nicht dabei hat, an das man smarte Uhren bisher zumeist per Bluetooth andocken musste. Anders als die Basisversion der Gear S2, die ohne Mobilfunktechnik auskommt, macht das Telefonmodul die Cyber-Uhr tatsächlich zu einem kompletten Kommunikationscomputer. Wenn man mal von der räumlichen Begrenzung am Display absieht.
Trotzdem kann die Uhr ein Smartphone oder gar ein Tablet nicht vollauf ersetzen. Sie ermöglicht es all jenen, die ständig vernetzt sein wollen oder müssen, den elektronischen Posteingang jederzeit im Blick zu halten. So etwa, wenn das Handy beispielsweise bei einem Spaziergang daheim, oder beim schnellen Mittagessen im Restaurant im Büro liegen bleibt.
Separate Telefonnummer für die Smartwatch
Doch schon beim SMS-Verkehr leidet der praktische Nutzen der Funk-Uhr an einem konzeptionellen Fehler. Und den machen alle drei genannten Mobilfunker gleichermaßen: Der zur eSIM gehörende Mobilfunkvertrag nämlich lässt sich zwar mit vorhandenen Handyverträgen in einem Kundenkonto verbinden. Doch dass die Uhr – etwa bei eingehenden Anrufen – auf die gleiche Rufnummer reagiert, wie das Handy seines Besitzers, das ist bisher nicht vorgesehen.





Und weil sicher kaum jemand all seinen Gesprächspartnern erklären möchte, dass er (sofern ohne Handy unterwegs) zusätzlich noch unter der abweichenden Rufnummer seiner Armbanduhr erreichbar ist, verliert die Telefonfunktion enorm an Wert.
Gleiches gilt für den SMS-Versand und -Empfang: Ein Anruf oder eine SMS von der Uhr kommt bei den Empfängern als unbekannter Absender/Anrufer an. Und es erzeugt – mindestens – Erklärungsbedarf.
Konzeptionelles Problem schmälert Attraktivität
Technisch erforderlich wäre das nicht. Denn im Grunde müssten die Mobilfunker einfach in ihrer Kundendatenbank hinterlegen, dass auch die Kommunikation über die eSIM der Gear S2 über die gleiche digitale Identität des Kunden geführt, wie die schon vorhandener SIM-Karten.
Bei klassischen Multi-SIM-Verträgen ist so etwas möglich: Bei eigehenden Anrufen oder Nachrichten klingelt es an beiden Telefonen, in denen eine Multi-SIM steckt. Kurznachrichten von beiden Geräten werden beim Empfänger mit dem gleichen Absender angezeigt.
Spätestens wenn, wie zu erwarten ist, nach der Einigung über den E-SIM-Standard für Smartphones, gegen Jahresende die ersten Mobiltelefone mit fest verbauter SIM auf den Markt kommen, muss dieses Manko behoben sein.





So aber ist es ein mehr konzeptionelles als technisches Problem, das der mobilfunkenden Gear S2 viel von ihrer Attraktivität nimmt.
Dass sie, etwa beim Wandern, auch unabhängig vom Handy als kompaktes Navigationsgerät fungieren kann, fein. Dass sie in ihrem eingebauten 4-Gigabyte-Speicher (etwa als Zuspieler für Bluetooth-Kopfhörer) jede Menge Lieder ablegen kann, nett. Aber wirklich nützlich wird das Funkmodul erst, wenn die Netzbetreiber es auch sinnvoll in die Kommunikationsumgebung ihrer Kunden einbinden.
Häufiges Nachladen notwendig
So aber erkauft der Nutzer das Mehr an Technik primär mit einem Weniger an Standzeit. Während die Basisversion der Gear S2 bei zurückhaltendem Gebrauch auch mal zwei Tage ohne Nachladen auskommt, war ich im Test schon froh, wenn die 3G-Version der Uhr bei eingeschaltetem Mobilfunk überhaupt einen ganzen Arbeitstag durchgehalten hat.
Mehr als einmal mahnte die Uhr an, lange bevor ich abends nach Hause kam, dass ich sie doch bitte in den Stromsparmodus versetze. Der zeigt zwar noch ein Weilchen die Zeit an, bevor das Display endgültig verlischt. Aber mit den Kommunikationsfunktionen ist dann Schluss.
Was also bleibt nach dem Test einer bislang einzigartigen eSIM-Computeruhr als Erkenntnis?
Dass der neue Identitätschip in der Tat ganz erhebliche Vorteile bringt, wenn es um Bauform, Bedienungsfreundlichkeit oder Funktionalität geht. Dass die eSIM aber eben auch nur so gut und das Produkt, in dem sie steckt, auch nur so nützlich ist, wie die Dienste, die der Anbieter anschließend damit verknüpft.





Samsungs Gear S2 3G ist ein Erstling. Unter der Hand bestätigen die Mobilfunker auch, dass die Computeruhr zunächst eine Art Versuchsballon ist, um aus den Erfahrungen zu lernen, bis dann endlich auch Smartphones mit eSIMs auf den Markt kommen.
Insofern ist die Gear S2 sicher die bestvernetzte Smartwatch, die derzeit zu haben ist. Ein echtes Must-Have aber, für das sich selbst kommunikativst-veranlagte Zeitgenossen beim Bummel in der Stadt zweifelnden Passantenblicken aussetzen müssten, ist sie nicht.