Das Urteil von Steve Jobs war ebenso knapp, wie klar: "Sobald das Teil einen Stift braucht, ist die Kiste tot", spottete der Apple-Gründer vor Jahren schon über Microsofts Versuche, Tablet-Computer mit Stiftbedienung auf den Markt zu bringen.
Apples eigenes Tablet müsse ohne Stift und Tastatur funktionieren: "Gott gab uns zehn Stifte", beschied er die Entwickler von iPhone und iPad, während er mit den Fingern wackelte. "Lasst uns nicht noch einen weiteren erfinden."
Der millionenfache Erfolg von Apples intuitiv bedienbaren Smartphones und Tablet-Computern bestätigt die Vorgabe des im vergangenen Jahr gestorbenen IT-Visionärs bis heute. Und doch dürfte Jobs im Grabe rotieren, wüsste er vom Boom, den ausgerechnet ein Zubehörsegment gegenwärtig erlebt: Eingabestifte, mit denen immer mehr iPad-Besitzer ihre Computer in digitale Notiz- und Zeichenblöcke verwandeln.
Zumal inzwischen zahlreiche Schreib- und Zeichen-Apps die Tablets in digitale Moleskine-Kopien oder komplexe Malwerkzeuge verwandeln.
Menschen wie Serenity Caldwell schwören auf das digitale Schreibgerät: Seit sie ihr erstes iPad gekauft habe, erzählt die Autorin und Cartoonistin des US-Internet-Dienstes Macworld.com, mache sie darauf mit einem Spezialstift Notizen und fertige Zeichnungen an. "Jobs mag die Dinger gehasst haben, aber wenn’s um schnelle Skizzen geht, sind Stifte einfach praktisch."
Wie im Kindergarten
Das dachten sich auch Katja und Nils Gustafsson, die unter dem Label Just Mobile Designerzubehör für Apple-Produkte verkaufen. Wenn es darum gehe, etwas kurz handschriftlich zu erfassen, Bildern Anmerkungen zuzufügen oder Textstellen zu markieren, sei Touch-Bedienung nicht perfekt, sagt Katja Gustafsson. "Das letzte Mal, das ich mit dem Finger geschrieben habe, war zu Kindergartenzeiten im Sandkasten."
Ihre Antwort ist der AluPen, gefertigt aus massivem Aluminium, versehen mit einer gummierten Spitze, die anstelle der Fingerkuppe das Touch-Display des Tablet-Computers steuert. Er erhielt vergangenes Jahr nicht nur den begehrten Red-Dot-Design-Preis. Zugleich ist er auch wirtschaftlich ein Erfolg: Laut Gustafsson machen weltweit bereits viele Zehntausend Kunden damit ihre Notizen auf Tablet-PCs.
Dabei ist der AluPen nur ein besonders prominenter Vertreter. Mittlerweile haben Tablet-Besitzer die Wahl aus bald zwei Dutzend digitalen Stiften. Unter anderem vertreibt auch der auf Grafik-Tablets für PCs spezialisierte Hersteller Wacom mit dem Bamboo Stylus einen Cyber-Schreiber.
Alles andere als Absurd
Spötter wenden ein, mit Stiften auf Tablet-Computern zu schreiben sei so sinnvoll, wie die Montage einer Wählscheibe an einem Smartphone. Doch nach Ansicht von Experten ist die Kombination aus analogem Eingabegerät und digitalem Block alles andere als absurd.
Immer, wenn auch im Alltag Stift und Notizbuch zum Einsatz kommen, biete sich die Verwendung von Tablet und Eingabestift mit passenden Apps an, sagt Tim Bosenick, Geschäftsführer des auf Nutzenforschung spezialisierten Beratungsunternehmens GfK SirValUse Consulting. "Denn Parallelen zur realen Welt erleichtern auch den Umgang mit elektronischen Medien."
Noch allerdings müssen die digitalen Schreiber ein paar technische Limitationen überwinden. Vor allem bei der Genauigkeit, mit der sich mit ihnen arbeiten lässt. Anders als die einst spitzen Schreibgeräte früherer Palm-Pilot-Organizer besitzen heute fast alle Stifte technisch bedingt eine mehrere Millimeter breite Spitze aus Gummi oder Silikon.
Nebeneffekte von Multitouch
Tablet-Stifte
Der Stift ist leicht wie ein Bleistift und eignet sich für langes Arbeiten. Die Spitze ist schlanker als die vieler anderer Tablet-Stifte.
Wer den Griffel umdreht, kann mit dem integrierten Kuli weiterschreiben.
www.wacom.eu, 39,90 Euro
Seine Gummispitze bietet ein recht weiches, aber nicht unpräzises Schreibgefühl.
Mit elf Zentimeter Länge gehört der Stylus zu den kleineren Exemplaren digitaler Stifte. Dennoch lässt sich damit längere Zeit unverkrampft arbeiten.
www.griffintechnology.com, 19,90 Euro
Der komplett aus Aluminium gefertigte Stift ist eine Reminiszenz an die gute alte Wachsmalkreide und liegt genauso gut in der Hand. Das Schreibgefühl mit dem weichen Gummi-Knubbel ist gewöhnungsbedürftig, aber angenehm. Leider verdeckt die Spitze viel Displayfläche.
www.just-mobile.eu, 24,95 Euro
Der Digitalstift besitzt eine Schreibspitze aus klarem Kunststoff, durch die der Nutzer genau sieht, wo er auf dem Display arbeitet.
Zudem kann der Jot Touch mit unterschiedlicher Strichstärke schreiben, wenn der Benutzer stärker aufs Display drückt.
www.adonit.net, ab Mai verfügbar
Der Stift hat eine sehr dünne Spitze. Dafür benötigt Aiptek einen externen Empfänger für die iPad-Ladebuchse. Er erfasst Position und Strichstärke exakter, macht es aber erforderlich, den Stift gelegentlich neu zu kalibrieren.
www.mynote.eu, 99,00 Euro
Der Grund ist, dass ältere Touch-Displays tatsächlich auf den physischen Stift- oder Fingerdruck reagierten. Die modernen Touch-Bildschirme dagegen werden von den durch Finger oder Stiftkuppe ausgelösten elektrischen Spannungsveränderungen an der Oberfläche aktiviert.
Was das Schreibvergnügen auf iPad und Co. noch zusätzlich mindert, ist eine weitere Eigenschaft der modernen Glasdisplays: ihre sogenannte Multitouch-Fähigkeit. Sie ist im Tablet-Einsatz sonst durchaus gewünscht. Denn sie erst ermöglicht die charakteristische Gestensteuerung. Damit zoomt der Benutzer etwa durch Aufspreizen und Zusammenziehen der Finger in Texte oder Bilder hinein und hinaus.
Beim Schreiben aber – wenn neben dem Stift auch der Handballen auf dem Tablet aufliegt – führt die Multitouch-Funktion zu einem unerwünschten Nebeneffekt: Nicht nur, wo der Stift über die Ober- fläche fährt, erscheinen Buchstaben und Worte. Auch wo die Hand auf dem Glas liegt, vermutet das Tablet Eingaben und zeichnet Striche aufs virtuelle Papier.
Unnatürliches Schreiben
Einzelne Schreib-Apps wie etwa neu.Notes oder iNotes lösen das Problem, indem der Nutzer einen Teil des Bildschirms als Handauflage definieren kann. Dort reagiert das Tablet nicht auf Berührungen. Andere Apps, wie 7notes, lassen den Benutzer nur in einen vordefinierten Bereich unten am Bildschirmrand schreiben, um Doppelbedienungen zu vermeiden.
Wirklich natürlich schreibt es sich aber weder im einen noch im anderen Fall.
Und so hat der Gebrauch von AluPen, Bamboo Stylus & Co. mit dem feinen Strich einer Kugelschreibermine oder gar einer Tintenfeder noch nicht viel zu tun. Eine Lösung zeichnet sich indes inzwischen ab.
Pixel und Papier kommen sich näher
Von Moleskine bis Malkasten
Das Programm kombiniert Notizblock und Aufnahmegerät.
Es nimmt handschriftliche Notizen und Ton auf. Wer später ein beliebiges Wort antippt hört, was im Moment des Schreibens gesagt wurde.
Basisversion gratis, Vollversion 3,99 Euro
Die für den Bamboo Stylus entwickelte Notizbuch-App funktioniert auch mit Stiften anderer Hersteller. Sie glänzt mit einer Schriftglättung. Leider fehlt die Möglichkeit, einen Teil des Displays als Handauflage zu definieren.
Basisversion gratis, Vollversion 1,59 Euro
Virtueller Skizzenblock für Kreative mit vielen Schreibund Zeichenoptionen. Cartoons und Skizzen lassen sich per E-Mail versenden oder auf AirPrintfähigen Druckern ausgeben.
Basisversion gratis, Vollversion 1,59 Euro
Sehr schnelles Programm, das neben dem Bildimport auch das Erstellen von Vorlagen ermöglicht. Eine virtuelle Handauflage verhindert Fehleingaben. Auf Wunsch lässt sich Text auch in einem Schreibbereich erfassen und so
in kleinerer Schrift aufnehmen.
Basisversion gratis, Vollversion 2,99 Euro
Das Programm ermöglicht es, Notizen und Skizzen zu erfassen sowie Fotos oder Karten zu importieren. Die virtuelle Handauflage vermeidet, dass das Display Bewegungen der Hand des Schreibers irrtümlich in Schrift umwandelt.
Basisversion gratis, Vollversion 0,79 Euro
Hersteller wie Samsung oder HTC haben mit dem Galaxy Note beziehungsweise dem Flyer bereits Tablet-Computer auf Basis von Googles Android-Betriebssystem auf den Markt gebracht, deren Software sowohl für Finger- als auch für Stift-Steuerung optimiert ist. Gleiches gilt für die bisher zumeist im professionellen Einsatz genutzten "Slate" genannten Tablet-Computer auf der Basis von Microsofts Windows 7.
In beiden Fällen sind die Kunststoffspitzen der mitgelieferten digitalen Stifte kaum mehr dicker als Kugelschreiberminen. So bringen sie Pixel und Papier ein gutes Stück näher zusammen als bisher und schlagen eine höchst kreative Brücke zwischen realer und digitaler Welt.
Nicht auszuschließen, dass sich sogar Steve Jobs Nachfolger an der Apple-Spitze, Tim Cook, am Ende noch für das Konzept erwärmen kann.