Thomas Beschorner "Um als Massenphänomen aufzutreten, sind Sexroboter noch zu teuer"

Roboter und künstliche Intelligenz werden auch die Sexualität revolutionieren. Der Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner warnt vor zahlreichen ungelösten Fragen – und fordert die Diskussion einer neuen Sexualmoral.

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Thomas Beschorner Quelle: PR

Herr Beschorner, wie kann man sich Sex mit einem Roboter vorstellen?
Ich habe es selbst nicht ausprobiert, aber etwa so: Sex-Roboter sind Silikonpuppen, die sich bewegen können und in die ein Algorithmus eingebaut ist, sodass man mit ihnen kommunizieren kann – sprachlich wie körperlich. Das sexuelle Erlebnis wird zunehmend technisch perfektioniert: die Stimmen werden realistischer, Bewegungen technisch präziser. Die Entwicklungen sind noch nicht sehr weit, werfen aber sehr deutlich ihre Schatten voraus.

Sex mit Robotern – zum Mensch-Verwechseln ähnlich?
Es ist in der Tat nicht ausgeschlossen, dass sich sexuelle Erlebnisse mit Robotern in der Zukunft nicht sehr von Sex mit Menschen unterscheidet. Oder noch einen Schritt weiter: vielleicht viel besser ist als mit Menschen.

Besser? Wie will eine Maschine denn die sinnlichen, knisternden Komponenten nachahmen, die Sexualität so spannend machen?
Ich befürchte, dass Sex im Durchschnitt viel weniger erotisch so aufgeladen ist, als es in Ihrer Frage anklingt. Erotik würde durch diese neuen „Dingsbums“ simuliert werden, so wie sie seit Tausenden von Jahren im ältesten Gewerbe der Welt simuliert wird. Und bedenken Sie, Sie habe es dann hier mit perfekten Körpern zu tun, kein Gramm Fett zu viel oder gerade etwas rundlich, wenn man das mag. Die gewünschte Größe diverser Körperöffnungen oder die Länge des Penis können Sie bei Ihrer Bestellung notieren. Skandinavisch blond, asiatisch, schwarz? Das können sie alles ordern. Und zum Sex stehen sie dem Benutzer übrigens immer und jederzeit zur Verfügung.

Zur Person

Inwiefern können diese neuen Möglichkeiten die menschliche Sexualität verändern?
Roboter werden uns Menschen und unser Miteinander als Menschen verändern, ja sogar grundlegende Fragen des Menschseins aufwerfen. Mit Blick auf Sex mit Robotern ist beispielsweise anzunehmen, dass wir experimentierfreudiger werden, wenn wir bestimmte Dinge „erstmal“ mit Robotern ausprobieren können. Gerade im Bereich Gender und sexueller Orientierung können dann die heutigen konventionellen Grenzen viel fluider werden.

Und was bedeutet das für zwischenmenschliche Beziehungen, wenn Technik selbst die Sexualität mitbestimmt?
Partnerschaften könnten eine neue Dimension und einen neuen Wert bekommen, wenn sexuelle Befriedigung und sexuelle Geborgenheit mit Robotern stattfindet. Dann wird das Thema Sex für eine Beziehung an Stellenwert verlieren, anderer Werte dafür an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig wird es interessant sein, zu beobachten, ob es so zu etwas wie Eifersucht auf die neuen Gefährten kommen wird.

Eifersucht auf Technik?
Ja. Vor allem, wenn die Roboter hohe Selbstähnlichkeit mit den Menschen haben, werden wir Empathie und Einfühlungsvermögen für diese Dinge entwickeln – und gleichzeitig auch Emotionen wie Neid oder Wut, womöglich sogar Zuneigung und Liebe. Je mehr sie uns gleichen, desto eher gehen wir mit ihnen um wie mit einem Mitmenschen.

Puppen nach dem Abbild des Traumpartners

Wie groß schätzen Sie das Potenzial der Sexroboter ein?
Studien zeigen, dass sich zwei Drittel aller Männer der westlichen Welt vorstellen können, Sex mit einem Roboter zu haben. Doch um als Massenphänomen aufzutreten, sind die Sexroboter derzeit noch zu teuer. Ein Gerät kostet knapp 10.000 Euro, bei individuellen Wünschen bis zu 100.000 Euro.

Das heißt, man kann die Sexroboter je nach Traumpartner anpassen?
Ja genau! Sie können sich Exemplare nach dem Vorbild Ihres Ex produzieren lassen oder entsprechend dem Aussehen ihrer Mutter oder ihres Vaters. Und hier stellen sich uns natürlich völlig neue moralische Fragen. Was ist zum Beispiel, wenn man eine Kinderpuppe anfertigen lässt – ist man dann der Pädophilie schuldig? Oder was ist mit dem sogenannten „Rape-Button“ in einigen Modellen, der eine Puppe widerspenstig werden lässt und damit eine Vergewaltigung simuliert. All das gibt es bereits. Soll das erlaubt sein? Eine echte Wertediskussion zu diesen Entwicklungen, die schon heute vor unserer Haustür stehen, sehe ich dazu leider nicht.

Und wie ist es aus Ihrer Sicht: Sollten solche Puppen und Funktionen erlaubt sein?
Befürworter sagen, es sei besser, wenn Menschen sich an einer Maschine ausleben anstatt Kinder zu missbrauchen. Gegner sagen, dass dadurch erst bestimmte Dinge stimuliert werden, dass wir inspiriert werden, Pädophilie also dadurch beispielsweise tendenziell stimuliert wird. Was nun stimmt, weiß man im Moment nicht, denn es gibt dazu noch keine Studien. Ich selbst würde hier zur Vorsicht raten, weil meines Erachtens in der Tat die Gefahr einer auch körperlichen Habitualisierung solcher Praktiken besteht. Aber vielleicht ist das auch zu konservativ.

Haben wir den Robotern gegenüber auch eine Verantwortung?
Das ist nicht so abwegig, wie es vielleicht erscheinen mag. Tiere beispielsweise hatten in der Moralgeschichte lange den Status einer Sache. Für uns ist es heute selbstverständlich, dass man sein Haustier nicht quält, man ist ihm im Gegenteil sogar sehr zugewandt. Ähnliches kann mit Robotern passieren, besonders dann, wenn sie uns immer ähnlicher werden, wir ihnen Namen geben, sie schminken und kleiden usw. Auf Fragen einer moralischen Verantwortung gegenüber Robotern ist die Ethik jedoch sehr schlecht vorbereitet, denn sie ist anthropozentrisch, das heißt sie interessiert sich für den Menschen in Interaktion mit anderen Menschen. Interaktionen mit Objekten in Form von Robotern sind neu. Und dazu muss ein ethisches Nachdenken aus sehr praktischen Gründen dringend weiterentwickeln werden. Science Fiction? Ich denke nein! Vielmehr Teil einer neuen Wirklichkeit zu der wir eine Haltung entwickeln müssen!

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