
Paul wickelt sich noch einmal in seine Bettdecke und lauscht den Nachrichten, die ein kleines Programm, eine App, auf seinem Smartphone für ihn zusammengestellt hat: Sportergebnisse, Börsenkurse, das Wetter. Seine Freundin Paula steht schon unter der Dusche. Das Paar – er Fitnesscoach, sie Software-Ingenieurin – bewohnt einen Loft in einem der Holzhochhäuser, die jetzt überall in der Stadt entstehen. Es hat an der Südseite eine transparente Fassade, in der Algen wachsen, genährt mit Sonnenlicht und gedüngt mit Kohlendioxid. In Tanks vergären sie zu Biogas, das in einem Kellerkraftwerk verbrennt. Es versorgt die Bewohner mit Strom und Warmwasser.
Pauls Handy piepst. Es meldet, dass eine Drohne soeben auf dem Dach ein Pedal für ein Ergometer abgeladen hat. Auf ihm strampeln sich Kunden des Sportstudios ab, das Paul betreibt. Das Ersatzteil hatte er vor dem Zubettgehen in einem 3-D-Druck-Laden bestellt. Jetzt aber nichts wie raus aus den Federn, ermahnt er sich.





Paul und Paula sind so fiktiv wie die Zukunftsstadt, in der sie leben. Doch die Technologien, denen sie in dieser Geschichte begegnen, sind keine Spinnerei. Sie alle stehen vor dem Durchbruch – oder sind zumindest in Erprobung – und werden unseren Alltag tief greifend verändern.
Es sieht ganz so aus, als fieberten die Bundesbürger den Neuerungen entgegen. Das legt eine aktuelle Umfrage des Analyseportals Statista nahe. Demnach rechnen fast 42 Prozent der Deutschen damit, dass 2020 massenhaft selbstfahrende Autos umherkurven; knapp 38 Prozent erwarten, dass Drohnen Pakete zustellen.
Seilbahnen umgehen Verkehrsstaus
Paul und Paula haben sich heute freigenommen und starten zu einem Einkaufsbummel. Sie schwingen sich auf Räder, die sie wie Autos online buchen und die elektrisch fahren. Utopie? Keineswegs. Der japanische Technologiekonzern Panasonic hat eine solche Zukunftsstadt gerade 50 Kilometer westlich von Tokio eingeweiht.
Auch Algen- und Holzhochhäuser sind mehr als hübsche Ideen. Ein Algengebäude war schon auf der Internationalen Bauausstellung in Hamburg zu sehen. Holzhochhäuser plant der kanadische Stararchitekt Michael Green etwa in Vancouver und New York. Mehr und mehr Städte entdecken Seilbahnen als günstiges Transportmittel. Der Südtiroler Spezialist Leitner baut seit September in Mexiko-Stadt zwei Strecken gegen die Dauerstaus.





Unterwegs weisen auf der Straße aufleuchtende LED-Pfeile Paul und Paula wie allen Verkehrsteilnehmern den Weg. Sie gehören zu einem Informationssystem der US-Firma Multimodal Logic. Es verwandelt beliebige Flächen in Bildschirme, die über Anschlüsse informieren, zeigen, wo ein freies Rad oder Auto steht, auf Restaurants hinweisen und Staus melden.
Das Paar kommt an digitalen Werbetafeln vorbei, die die Luft von Schadstoffen reinigen. Es passiert Abfalleimer, die der Müllabfuhr funken, wann sie voll sind. Und es bestaunt riesige Hochhausfarmen, in denen Landwirte Obst und Gemüse anbauen. Singapur plant gleich 15 solcher Anlagen vor seiner Küste.
Für Paul und Paula ist der Ausflug ein Spaß: freie Fahrt, keine Abgase, intelligente Information. Für die Investoren wiederum wird die Aufrüstung der Städte zum Geschäft. 350 Billionen Dollar, so Marktforscher, fließen über 30 Jahre weltweit in die Modernisierung. Zukunft hat eben ihren Wert.