
Benjamin Lowy ist immer da, wo es brenzlig wird. In Libyen dokumentierte der Fotoreporter den Aufstand gegen Diktator Gaddafi; in Darfur den sudanesischen Bürgerkrieg; in Afghanistan den Alltag in Taliban-Regionen und an der US-Ostküste die Zerstörungen durch Wirbelsturm Sandy.
Die Bilder schafften es auf die Titel des "Time Magazine", in Ausstellungen der Tate Gallery of Modern Art, und sie gewannen jede Menge Fotopreise. Mindestens so bemerkenswert wie die Aufnahmen ist aber, wie sie entstehen: Statt mit einer Tausende Euro teuren Kamera arbeitet Lowy oft mit ganz profanem Werkzeug: seinem iPhone.
"So entsteht eine viel größere Nähe, als wenn ich den Menschen eine klobige Kamera vors Gesicht halte", sagt der New Yorker, dessen Karriere 2003 mit Bildserien aus dem Irakkrieg begann.
Lowy ist Trendsetter einer sich wandelnden Fotowelt. Events wie das Berlin Fotofestival, das Head On Photo Festival in Sydney oder das Bastille Design Center in Paris widmen Handyfotos eigene Ausstellungen. Der Hype reicht inzwischen so weit, dass die Fotowelt die englischen Begriffe Smartphone und Photography zu einem neuen Kunstwort verknüpft hat: der Phoneography.





Vorbei die Zeiten, da Handys nur Pixelwüsten dubioser Schärfe und Färbung aufnahmen. Getreu dem alten Fotografenmotto, "Die beste Kamera ist die, die man dabei hat", greifen immer mehr Alltagsfotografen statt zur klassischen Kompaktknipse bevorzugt zum Smartphone. Die Ergebnisse sind so gut, dass fast 40 Prozent der Fotohandybesitzer keine reguläre Kamera mehr in den Urlaub mitnehmen, ermittelte jüngst der High-Tech-Verband Bitkom.
Zeitenwende im Kamerabau
Und die Fotoqualität der Handys wird immer besser. Gerade erst hat Nokia-Chef Stephen Elop mit dem neuen Smartphone Lumia 1020 einen neuen Technikrekord aufgestellt. Der Sensor des Top-Modells nimmt Fotos mit 41 Millionen Bildpunkten auf. Das erste in Deutschland verkaufte Fotohandy, das Nokia 7650, brachte es 2002 auf nur 300.000 Bildpunkte. Das ist weit weniger als ein Hundertstel der Auflösung des neuen Lumia. Dagegen ist selbst der radikale Umbruch vom analogen zum digitalen Kamerabau ein geruhsamer Wandel.
Zwar ist die Pixelzahl nur einer von vielen Faktoren, die die Qualität einer Kamera bestimmen. Dennoch beginnt mit dem Lumia ein neues Kapitel: Denn kein Kamerahersteller stattet seine Fotoapparate mit einer so hohen Auflösung aus wie Handyhersteller Nokia sein neues Top-Modell.
Dabei sind schon Geräte wie Apples iPhone 5 oder Samsungs Galaxy S4 nicht schlecht: Mit 8 bis 13 Megapixel liegt ihre Auflösung immerhin auf dem Niveau vieler aktueller Kompaktkameras.
Das haben auch die Nutzer festgestellt: "Kamerahandys haben klassische Einsteigerfotoapparate de facto aus dem Markt verdrängt", sagt Hiroyuki Shimizu. "Bis 150 Euro ist für Markenhersteller kaum mehr etwas zu holen", sagt der Fotomarkt-Experte beim IT-Marktforscher Gartner in Japan.