Schneller lernen
Mit den Headsets lässt sich aber nicht nur ein virtueller Freizeitpark schaffen, sondern auch der harte Alltag simulieren.
Und das auf durchaus drastische Weise: Menschen liegen verletzt am Boden, andere irren ziellos herum. Rauchschwaden ziehen vorbei. Egal, wohin der Anwender in diesem Szenario blickt, findet er Chaos vor. Das Szenario soll Notärzte auf ihren Einsatz vorbereiten. „Wir simulieren mit dem Programm Großeinsätze wie den Crash von Zügen“, sagt Philipp Slusallek, Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken und Professor für Computergrafik. Die Retter lernen so, Großeinsätze zu koordinieren. Der Vorteil des Programms liegt auf der Hand: Was sonst Hunderte von Statisten benötigte, simulieren Avatare wesentlich kostengünstiger – und drastischer.
Ein Vorbild für die virtuellen Räume ist wiederum ein Projekt der Forscher vom Fraunhofer IGD. Die hatten bereits 1999 den Dom von Siena dreidimensional simuliert. Seither führen 3-D-Avatare Historiker oder Architekten durch den gotischen Prachtbau. Künftig dürften die virtuellen Spaziergänge und Reisen noch um einiges realistischer werden. Das US-Unternehmen Virtuix entwickelt etwa Laufbänder, mit denen Benutzer sich im virtuellen Raum realitätsnah fortbewegen können.
Besser forschen
Auch die Wissenschaftler selbst bedienen sich der Möglichkeiten der Immersion. So hat etwa das DFKI ein Programm entwickelt, das Chemiker mithilfe von VR-Headsets bei ihrer Arbeit unterstützt. Mit der Brille können sie sich durch Molekülstrukturen bewegen und sie sich räumlich ansehen. „Der Rundumblick in dieser sonst nur zweidimensional dargestellten Struktur erlaubt den Forschern ganz neue Einblicke“, sagt DFKI-Experte Slusallek. „Die Wissenschaftler können dadurch Wirkungszusammenhänge besser erkennen.“
Auch die Medizin setzt zunehmend auf virtuelle Realitäten. Die Technik hilft Ärzten, Operationen zu planen, oder Medizintechnikern, Prothesen zu bauen. Sie macht anschaulich, wie Körpergewebe und die künstlichen Gliedmaßen sich vertragen. Das hilft, neue Materialien zu testen.
Bequemer konstruieren
Gerade Architekten interessieren sich für VR-Headsets, weil ihre Entwurfssoftware schon heute 3-D-Daten liefert, aus denen die Computer Cyberräume errechnen können. Das ermöglicht den Gang mit den Brillen durch die Bauten – noch in der Planungsphase. Fehler, die am zweidimensionalen Plan nicht ohne Weiteres zu erkennen sind, werden damit frühzeitig im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar.
Doch eine Software, die Forscher am DFKI zusammen mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes sowie mehreren Bauunternehmen entwickelt haben, erlaubt noch mehr als bloße Kontrollgänge durch geplante Häuser: Sie ermöglicht es, Gegenstände zu bewegen oder verschiedene Planungsvarianten nebeneinander anzuzeigen –lebensgroß . Das hilft auch, Missverständnisse mit den Bauherren frühzeitig zu vermeiden: Stimmt die Blickachse? Passt die Raumhöhe? Wie wirkt der Empfangsbereich auf Gäste? All das lässt sich mit der Cyberbrille betrachten, durchlaufen und beurteilen, so als stünde man mitten im fertigen Neubau.