Eine Horrorvorstellung: Sie bauen sich einen schönen Carport mit Solar- und Kleinwindanlage, eventuell noch eine Powerwall dazu - und dann fahren Sie mit dem E-Wagen doch nur 20 Kilometer zur Arbeit und wieder zurück. Den ganzen Tag steht die heimische Ladestation ungenutzt herum.
Muss nicht sein, finden Friedrich Vogel und Franz Schodl. Die beiden Wiener wollen mit "youCharge" ein Netz privater Ladestationen aufbauen und diese den Mitgliedern zur Verfügung stellen. Carport-Crowdsharing könnte man das auf Neudeutsch nennen.
Dafür wollen Vogel und Schodl erst einmal Geld einsammeln: "Eine Million Euro wäre sogar ein sehr ambitioniertes Traumziel - aber lassen wir es auf uns zukommen", sagt Vogel. Erreichen wollen sie es über eine Crowdfunding-Kampagne.
Der Markt für E-Mobility-Infrastruktur ist groß, dürfte laut Experten im Jahr 2020 rund 3,5 Milliarden Euro umsetzen. Das haben auch die beiden "youCharge"-Gründer erkannt: Vor sechs Jahren überlegten sie bereits, mit einer Software-as-a-Service-Lösung, Ladestellen für Elektroautos europaweit zu vernetzen. Daraus entstanden ist das Portal enio.at, bislang eine Suchmaschine für Ladestationen.
Darüber hinaus liefert Enio auch Lösungen im Bereich Hardware, Firmware und Software für den Aufbau und den Betrieb von Ladeinfrastruktur für E-Mobilität, betreibt im Auftrag und als Dienstleistung für Kunden selbst bereits nahezu 1.000 intelligente Ladestellen von Schweden bis Kroatien. Es gehe ihnen um "skalierbare, zuverlässige aber trotzdem flexible Lösungen", sagen die Geschäftsführer.
Ein Ladenetz aus privaten StationenDer nächste Schritt ist also, dass auch Privatpersonen ihr Grundstück zur öffentlichen E-Tankstelle machen. Gründer Vogel beschreibt die Nutzung als unkompliziert: Der Benutzer gibt sein Ziel und seine Stecker- und Leistungspräferenz im Web oder im Smartphone ein und erhält eine Liste von Ladestellen in der Nähe des Zielorts. Er sieht, ob diese Ladestelle reserviert werden kann und fährt durch sein Navi geleitet dort hin. Vor Ort meldet er sich über eine Zutrittskarte an der Ladestelle an und lädt.
Die Abrechnung erfolgt dann über das ENIO System. Ein Teil des Geldes wandert zum Betreiber der Lade-Anlage, ohne dass dieser irgendeinen Aufwand damit hätte. Reich wird man damit natürlich nicht, aber aus Sicht von Vogel und Schodl sei es ein netter Zusatzverdienst. Viel wichtiger ist, dass die Ladestationen besser ausgenutzt werden - und alle E-Auto-Fahrer von dem Konzept profitieren.
"Jemand, der selbst eine Ladestelle benötigt, braucht diese im Schnitt nur ein bis zwei Stunden je Tag", erklärt Vogel. "Warum dann nicht einen Nachbarn oder einen vorbeikommenden Autofahrer die Ladestelle anbieten und ein wenig Kostenbeitrag dafür bekommen?“ Das könnte dafür sorgen, dass nicht nur Lade-Garagen entstehen, sondern möglicherweise auch flexiblere Konzepte - etwa ein Outlet an einer Häuserfront für sogenannte "Laternenparker".
Abgerechnet wird übrigens nicht nach Kilowattstunde – was aufgrund des Eich- und Messgesetzes viel zu kompliziert ist - sondern nach Zeit. Damit ist auch sichergestellt, dass der Nutzer nicht unendlich lange den Parkplatz blockiert. In welchem Bereich sich die Preise bewegen, ist noch offen.
"2016 und 2017 werden auch Mittelklassefahrzeuge im Bereich von 30.000 Euro mit Reichweiten von 300 bis 400 Kilometer mit allem Komfort auf den Markt kommen", sagt Vogel optimistisch. Er ist überzeugt, dass sich fossil und elektrisch betriebene Autos preislich so weit angleichen, dass nichts mehr gegen Elektroautos spreche: "Da fehlt dann nur die professionelle Infrastruktur - und die wollen wir schaffen."