Dr. Sied Sadek ist Geschäftsführer der DQS CFS GmbH, die Begutachtungsleistungen rund um das Thema gesellschaftliche Verantwortung bündelt: Von Sozial- und Umweltaudits über Nachhaltigkeitsberichterstattung bis zur Zertifizierung von Produkten und Managementsystemen.
Geht es um CSR-Reputation, ist Google in diesem Jahr das Maß aller Dinge. Das hat das renommierte Reputation Institute herausgefunden. Mehr als 150.000 Verbraucher gaben an, dass für sie das kalifornische Unternehmen in Sachen gesellschaftliche Verantwortung weltweit den besten Ruf hat. Was bedeutet es, wenn ein Unternehmen, das für seinen intransparenten Umgang mit Datenschutz dauerhaft in der Kritik steht, Tabellenführer ist?
Gefragt wurden die Teilnehmer nach eine Bewertung in drei Bereichen: Citizenship, Governance und Workplace. Punkten konnte Google mit seiner Klimaneutralität (Citizenship) sowie mit seinem Umgang mit Mitarbeitern (Workplace). Zumindest für die befragten Verbraucher scheinen diese beiden Faktoren die mangelnde Transparenz bei Google mehr als auszugleichen. Dass Google in zwei von den drei Kategorien gut abgeschnitten hat, reichte also aus um die Führung zu sichern.
Fokus auf das Wesentliche
Aus diesem Beispiel kann man eins ableiten: Ein Unternehmen muss nicht unbedingt die ausgereifteste CSR-Bilanz vorlegen können, um die Chancen des aktiven Nachhaltigkeitsmanagements zu ergreifen. Der Erfolg in der Öffentlichkeit liegt daran, dass der Fokus auf Teilaspekten der gesellschaftlichen Verantwortung liegt. Und zwar so lange, bis in den Köpfen und Herzen der Öffentlichkeit ankommt, wie engagiert das Unternehmen ist.
Das wiederspricht auf dem ersten Blick unserem Gefühl für Nachhaltigkeit: Funktioniert gesellschaftliche Verantwortung für ein solches Unternehmen auch, wenn sie nur in bestimmten Bereichen stattfindet? Ja, solange diese Bereiche sich mit den Kernthemen der Organisation decken. Dann führt dieser zugespitzte Ansatz dazu, dass sich die Nachhaltigkeitsperformance schneller verbessert.
Von Risiko- hin zum Chancenmanagement
In der Praxis stellen wir allerdings fest, dass es vielen Unternehmen schwer fällt, sich auf bestimmte Aspekte der gesellschaftlichen Verantwortung zu konzentrieren und wirksam darüber zu kommunizieren. Aus Angst, an den Pranger gestellt zu werden, versuchen sie, Risiken in allen Bereichen der gesellschaftlichen Verantwortung zu vermeiden - bloß keine Skandale, bloß keine negative Schlagzeilen. Die Nachhaltigkeitsstrategie wird so häufig eher von Risiken als von Chancen getrieben.
Wer aber die Chancen eines effektiven Nachhaltigkeitsmanagements ergreifen will, kann sich nicht darauf beschränken, Risiken abzudecken, sondern muss auch offen und transparent über sein Engagement kommunizieren. Pflegen Sie den Dialog mit der Öffentlichkeit, so werden Sie feststellen: Verbraucher erwarten nicht, dass Sie sofort eine vollendete CSR-Bilanz vorlegen, sondern dass Sie ehrlich über den aktuellen Stand, Ihre Ziele und deren Umsetzung berichten.
Das neue Selbstbewusstsein
Das gilt für Google wie für jedes anderes Unternehmen: Wir alle stehen erst am Anfang eines Prozesses, in dem wir lernen, gesellschaftliche Verantwortung in allen Aspekten des unternehmerischen Handelns zu verankern. Nachhaltigkeit ist ein Lernprozess, dessen Abschluss noch nicht in Sicht ist.
Diese Erkenntnis soll uns aber nicht davon abhalten, über freiwilliges Engagement zu kommunizieren. Ganz im Gegenteil: Die Gesellschaft braucht Vorbilder, die uns dazu motivieren und inspirieren, die Reise fortzusetzen.
Unternehmen, die angemessene CSR-Ziele festlegen, deren Umsetzung verfolgen und offen darüber kommunizieren, können selbstbewusst an die Öffentlichkeit gehen, den Dialog suchen und die Chance nutzen, aus diesem Prozess zu lernen.