Am 22. April erschienen in Tageszeitungen weltweit großformatige Anzeigen des US-Technologieunternehms Apple mit der Zeile: "Einige unserer Ideen darf jedes Unternehmen kopieren". Bekanntlich befindet sich Apple gerade in einem langwierigen Patentstreit mit den Südkoreanern von Samsung.
Aber der sonst so verschwiegene Konzern war keineswegs auf eine einvernehmliche Lösung im Streit um Apps und Telefone umgeschwenkt. Sondern er spielte auf die Energieversorgung seiner vier Datenzentren in den US-Bundesstaaten North Carolina, Oregon, Kalifornien und Nevada an.
Die Schaltzentralen und Lagerstätten für Informationen und Daten von Apple werden seit kurzem zu 100 Prozent mit grünem Strom aus Windkraftwerken, Solaranlagen, Wasserkraft, Erdwärme und Biogas versorgt. Über die Datenzentren laufen Services und Funktionen wie Siri, der App- und iTunes-Store, Kartendienste und iMessage (ein SMS-Dienst).
Auf diesen Erfolg machte Apple an dem besagten 22. April (den Umweltschützer PR-wirksam zum Earth Day erklärt haben) aufmerksam. Ein Reporter des US-Tech-Magazins Wired durfte die sonst wie Fort Knox abgeschirmten grünen Datenzentren sogar persönlich besuchen.
Das Unternehmen hat außerdem eine aufwendig gestaltete Webseite eingerichtet, auf der es über seine Bemühungen im Bereich Klimaschutz, Recycling und Schadstoffe in Produkten informiert.
Wie ernst meint es Apple?Viele Kommentatoren taten die grüne PR-Offensive von Apple aber schnell als Greenwashing und wenig glaubwürdig ab. Ihr Vorwurf: In der Vergangenheit habe es zu viele Vorwürfe wegen schlechter Arbeitsbedingungen bei der Produktion der Produkte in Asien und in Läden des Unternehmens gegeben (unter anderem hier und hier). Außerdem könnten Hersteller von kurzlebigen Konsumgütern wie Telefonen, Tablets und Computern gar nicht nachhaltig sein. Zu viel Elektronikmüll produzierten die Produkte.
Von anderer Seite kam aber auch Anerkennung für den Kurs des Unternehmens: Die sonst eher als kritisch bekannten Umweltschützer von Greenpeace lobten den grünen Kurs bei Apple als vorbildlich. Greenpeace-Chef Kumi Naidoo schrieb in einem Blogeintrag: "Apple hat begonnen, Umweltschutz einem Massenmarkt zu verkaufen."
WiWo Green hat Apples Nachhaltigkeits-Chefin Lisa Jackson (ihr offizieller Titel lautet Vice President of Environmental Initiatives) jetzt im Geschäft des Unternehmens in Amsterdam getroffen, um mit ihr über die Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns zu sprechen. Jackson leitete zwischen 2009 und 2013 die Umweltschutzbehörde EPA in den USA.
Im vergangenen Jahr holte Apple-CEO Tim Cook Jackson ins Unternehmen, um die Umweltschutzbemühungen zu koordinieren und auszubauen. Unter anderem, so deutete es Lisa Jackson in Amsterdam an, will das Unternehmen künftig auch Produktionsanlagen für seine Produkte in den USA und in anderen Ländern verstärkt mit sauberer Energie versorgen.
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WiWo Green: Das Umweltengagement, mit dem Apple jetzt in die Öffentlichkeit geht, ist ehrenwert - aber für gemeinhin werden Unternehmen nicht für Wohltaten bezahlt. Will Apple mit einem grünen Image künftig noch mehr iPhones verkaufen?
Lisa Jackson: Es geht dabei um mehrere Dinge. Wir als Unternehmen sehen den Klimawandel als ein ernstes Problem. Und da wir einen nicht unerheblichen CO2-Ausstoß haben, wollen wir uns für mehr Klimaschutz engagieren. Das tun wir unter anderem, indem wir erneuerbare Energien nutzen und auf Energieeffizienz setzen. Das ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll.
Klimaschutz ist schön und gut. Aber wie viel kostet Apple die eigene Energiewende?
Ich kann hier keine Unternehmensgeheimnisse verraten. Aber wir sind keine Wohltätigkeitsorganisation. Eine saubere Energieversorgung ist Good Business und ein Wettbewerbsvorteil für uns.
Können Sie das genauer erklären?
Stromversorgungen sind nicht immer stabil und zuverlässig. Unsere eigene, sichere Stromversorgung zu haben, löst dieses Problem. Außerdem ist es ein Vorteil, wenn wir uns mit Erneuerbaren auskennen, weil die häufig günstiger sind als der Strom vom lokalen Energieversorger. Aber es gibt da noch einen weiteren Aspekt: Man sollte nicht unterschätzen, dass es in der DNA von Apple liegt, Lösungen für schwierige Probleme zu finden und sich ein Ziel setzen, dessen Erreichung beinahe unmöglich erscheint.
Was wäre denn ein solches Ziel?
Bis vor kurzem dachten viele in der Branche noch, es sei unmöglich ein Datenzentrum vollständig mit erneuerbaren Energien zu betreiben. Wir haben gezeigt, dass es geht. Auf diese Weise können Unternehmen Vorreiter sein und zeigen, was möglich ist. Nun kann niemand mehr behaupten, dass sich solch eine Anlage nicht mit 100 Prozent erneuerbaren Energien betreiben lässt - und das auch noch zuverlässig. Datenzentren sind ja nicht irgendeine unwichtige Infrastruktur: Wenn es einen Blackout gäbe, wäre das für Kunden weltweit von großem Nachteil.
Einfacher wäre es für Apple gewesen, seine Energieversorgung über Grünstrom-Zertifikate von anderen Anbietern sauberer zu machen, wie es viele andere Unternehmen tun. Stattdessen nutzen Sie fast ausschließlich eigene Kraftwerke. Warum?
Am Anfang stand das Ziel, dass Apple für die Versorgung seiner Datenzentren 100 Prozent auf erneuerbare Energien setzen will. Der einfachste Weg wäre tatsächlich gewesen, Zertifikate zu kaufen. Stattdessen hat Apple drei Parameter für seine Stromversorgung entwickelt:
Erstens soll der saubere Strom, den wir nutzen, aus einer zusätzlichen Quelle kommen - also einem neuen Kraftwerk. Zweitens wollen wir nicht einfach Grünstrom von vorhandenen Anlagen beziehen, weil der dann anderen Verbrauchern fehlen könnte. Die einzige Ausnahme in den USA, von der ich weiß, ist derzeit noch der US-Bundesstaat Oregon, wo es unserer Meinung nach einen Überschuss an Windenergie gibt.
Der dritte Grund, warum wir uns gegen Zertifikate für die Energieversorgung unserer Datenzentren entschieden haben, ist die Anrechenbarkeit: Manchmal werden sie doppelt verwendet - von denen, die sie produzieren und von den Bundesstaaten, wo die Kraftwerke stehen.
Bisher versorgen Sie nur in den USA die Datenzentren und Büros mit grünem Strom. Der allermeiste Energieverbrauch entfällt aber auf die Produktion der Apple-Produkte in Asien. Was wollen Sie hier tun?
Dazu kann ich derzeit noch nichts offiziell sagen. Nur soviel: Die Entwicklung bei uns geht genau in die Richtung, die Sie ansprechen. Als Apple seinen CO2-Fußabdruck berechnet hat, haben wir ganz bewusst nicht nur unsere eigenen Emissionen einbezogen. In unserer Bilanz taucht auch das CO2 auf, das zum Beispiel bei der Gewinnung der Rohstoffe wie Aluminium, bei der Produktion der Einzelteile durch die Zulieferer und bei der Nutzung unserer Geräte anfällt. Wir müssen also auf folgende Frage eine Antwort finden: Wie können wir auf den CO2-Ausstoß Einfluss nehmen, den wir gar nicht im eigenen Unternehmen verursachen?
Vor einer ganz ähnlichen Aufgabe steht Apple beim Thema Recycling. Es liegt kaum in ihrer Hand, wie viele Ihrer Produkte Sie zurückbekommen.
Doch und auch beim Recycling wollen wir besser werden. Unser Ziel ist es bisher, 70 Prozent des Gewichts der Produkte, die wir vor sieben Jahren verkauft haben, wieder einzusammeln. Wir erfüllen dieses Ziel jedes Jahr über. Allerdings: Wir sammeln bisher Elektroschrott von Universitäten, Regierungen und Unternehmen, den wir an Recyclingspezialisten weitergeben. Da ist alles von Fernsehern über Computer bis zu Kühlschränken dabei.
Wir recyceln das auf unsere Rechnung. Insgesamt ist das für uns sogar ein Minusgeschäft. Der nächste Schritt wird aber sein, diese guten Werte auch für unsere eigenen Produkte zu erreichen.
Sie haben kürzlich einen Vortrag an der Universität von Stanford gehalten, in dem Sie die Kreislaufwirtschaft "als Ziel der Ressourceneffizienz" bezeichnet haben. Das bedeutet, dass keine Rohstoffe mehr verloren gehen, sondern immer wieder verwendet werden. Wie könnte das bei Apple funktionieren?
Ich glaube, dass wir bei Apple prädestiniert dafür sind, über eine Kreislaufwirtschaft nachzudenken. Wir verwenden sehr haltbare Materialien wie Aluminium, das sich außerdem gut recyceln lässt. Gold und wertvolle Materialien werden ja auch heute schon aus Elektronikgeräten wiedergewonnen. Aber eine Kreislaufwirtschaft ist für Unternehmen sehr schwer umzusetzen und es wird viel Arbeit und Zeit nötig sein, um dem Ziel nahe zu kommen.
Dafür müssen wir unsere eigenen Produkte künftig lückenlos wieder einsammeln. Deshalb haben wir jetzt auch unser Rückgabe-Programm noch ausgebaut, so dass die Kunden jedes gebrauchte Apple-Produkt in einem unserer Geschäfte abgeben können.
Wie grün ist Apple heute schon?
Wir haben bisher schon viel beim Thema Nachhaltigkeit erreicht, was zeigt, dass Apple sich dem Thema nicht erst seit kurzem widmet. Wir haben zum Beispiel schon im Jahr 2009 angefangen, unseren CO2-Fußabdruck zu erstellen, der heute die Basis für unsere Nachhaltigkeitsarbeit ist. Und jetzt gibt eine ganze Reihe von Zahlen, die zeigen, dass wir bei unseren Bemühungen vorankommen. Niemand fordert Apple mehr heraus als Apple. Wir werden uns also auch künftig hohe Ziele setzen.