Wer sich mit erneuerbaren Energien beschäftigt, der fragt sich zuweilen woran es liegt, dass die Energiewende inzwischen so viele Sympathien verspielt hat. Die Antwort liegt zu einem großen Teil in dem Grad der Marktferne und Subventionsabhängigkeit, wie sie etwa die Ökostromförderung erreicht hat.
Begriffe wie „Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung“ oder „Herkunftsnachweisdurchführungsverordnung“ lassen den Schluss zu, dass wir es hier eher mit einer Stromplanwirtschaft als einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu tun haben.
Die Folge: Bei Produktion und Vertrieb alternativen Stroms haben sich inzwischen nicht nur massive volkswirtschaftliche Ineffizienzen, sondern auch ein jährliches Fördervolumen aufgebaut, das sich mittlerweile bei 23 Milliarden Euro bewegt.
„Näher an den Markt“Nun gelobt die Bunderegierung Besserung und versucht, Produktion und Vertrieb von Strom aus Grünstromanlagen „näher an den Markt heranzuführen“. Die Strategie: Der Staat begibt sich in Rolle eines marktwirtschaftlich handelnden Unternehmens, das versucht, die eigenen Ziele möglichst kostengünstig zu erreichen.
Hier setzt das neue EEG mit einer am 28. Januar in Kraft getretenen Verordnung an, die ein „Energievergaberecht“ festschreibt. Anstatt also wie bisher einen festen Fördersatz für die Produktion von Ökostrom vorzugeben, bittet die Bundesnetzagentur (BNetzA) nunmehr interessierte Bieter, Angebote mit der konkreten Förderhöhe vorzulegen, zu der sie bereit sind Strom zu produzieren.
Die günstigsten Bieter erhalten dann den Zuschlag und können die von ihnen gebotene Förderung in Anspruch nehmen. Wie bei der staatlichen Auftragsvergabe nutzt der Staat so Marktmechanismen.
Diese Idee greift aber zunächst nur für neue Photovoltaikanlagen. Hier sollen im Rahmen einer Pilotphase Erfahrungen gesammelt werden, bevor 2017 dann die gesamte Förderung für Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen im Weg von Ausschreibungen vergeben wird. Selbst die europaweite Öffnung der Ausschreibung ist grundsätzlich vorgesehen.
Hoffnung auf sinkende KostenZum einen erhofft sich die Bundesregierung durch diese Maßnahme sinkende Kosten und damit auch eine sinkende EEG-Umlage für die Stromverbraucher. Zum anderen will sie mit den marktwirtschaftlichen Heilskräften die staatlichen Fördermaßnahmen gegen das scharfe Brüsseler Damoklesschwert der Beihilfenaufsicht immunisieren.
Bundesregierung und EU-Beamte streiten zwar noch darüber, ob das in Deutschland praktizierte Fördersystem eine rechtswidrige Beihilfe im Sinne des EU-Vertrags ist. Nach ihren Umweltleitlinien beanstandet die Kommission eine Subvention aber nicht, wenn ihre Höhe im Wege der Ausschreibung ermittelt wird.
Die erste Ausschreibungsrunde für Förderungen von Photovoltaik-Freiflächenanlagen wird die Bundesnetzagentur bereits in diesem Februar 2015 starten. Die ersten Gebote können bis zum 15. April 2015 abgegeben werden. Aber bringt das neue Verfahren den entscheidenden Schritt weg von der Stromplanwirtschaft und ihren Nachteilen?
Hier ist Skepsis angebracht.
Kritiker halten eine Kostensenkung durch Ausschreibungen mit Blick auf die Erfahrungen in Ländern wie Brasilien, Irland oder Südafrika für fraglich: Die von den Bietern geforderten Zuschüsse könnten wegen der Risiko- und Transaktionskosten durchaus das jetzige Förderungsniveau überschreiten.
Außerdem können nach dem jetzigen System auch nur auf den ersten Blick günstige Bieter den Zuschlag erhalten, deren Anlagen dann zum Beispiel wegen ihrer Lage in der regionalen Peripherie erhebliche Netzanschlusskosten für die Allgemeinheit nach sich ziehen können.
Was gilt beim Rechtsschutz?Entscheidet der Staat wie hier durch Verwaltungsakt, muss es – schon von Verfassungswegen – hiergegen auch Rechtschutzmöglichkeiten geben. Hier lässt die Verordnung zum Beispiel im Unklaren, ob – wie bei Verwaltungsentscheidungen sonst üblich – erst Widerspruch bei der Bundesnetzagentur gegen eine Entscheidung einzulegen ist oder man als leer ausgegangener Bieter direkt klagen kann.
Außerdem soll der einmal erteilte Zuschlag nicht durch Rechtsbehelfe eines Konkurrenten angegriffen werden können, um „Rechtssicherheit für die Bieter“ zu schaffen. Ist solch ein pauschaler Ausschluss aber verfassungsrechtlich überhaupt zulässig? Weshalb ist für den Subventionsempfänger ein Sonderregime notwendig?
Immerhin muss auch der erfolgreiche Bieter bei einem milliardenschweren Staatsauftrag damit rechnen, dass ihm sein Erfolg durch einen Konkurrenten gerichtlich streitig gemacht wird.
Auf dem richtigen WegDer eingeschlagene Weg ist aber grundsätzlich zu begrüßen. Will der Staat Technologien bezuschussen, die ohne Subventionierung chancenlos wären, dann sollte er wenigstens die Höhe wettbewerblich ermitteln.
Konsequenterweise soll auch die Finanzierung des sogenannten „Kapazitätsmarkts“ für konventionelle Energieträger – dem Bundeswirtschaftsminister Gabriel jüngst eine Absage erteilt hat – über ein Ausschreibungsmodell erfolgen.
Allerdings ist vor überzogenen Erwartungen an Ausschreibungen zu warnen: Die Preissenkungswirkungen sind nicht sicher und die bürokratische Entschlackung des Strommarkts bleibt fraglich. Hierzu sei – ohne Häme – der Hinweis gestattet, dass die Bundesregierung allein für das Erstellen der Gebotsformulare mit einem Aufwand von 480 Beamten-Arbeitszeitstunden kalkuliert.
Der gebotene Rechtsschutz sollte sicher und einfach handhabbar sein. Der Gesetzgeber könnte sich hier dauerhaft an das bewährte Rechtsschutzmodell bei Staatsaufträgen anlehnen, anstatt eine Sonderschutzzone für die Betreiber erneuerbarer Energieanlagen zu errichten.
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Florian Huerkamp ist Anwalt und Experte für Energierecht im Kölner Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer.