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Baum in der Karosse Forscher entwickeln Carbon aus Papierabfall

In Jets von Airbus steckt es und in Autos von BMW: Carbon, das derzeit noch aus Erdöl besteht – noch.

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Leitwerke und andere Bauteile von Flugzeugen könnten künftig aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, Karosserieteile von Autos ebenfalls. Ganz abgesehen von den Cockpits der Formel-1-Boliden. Alle Bauteile, die stark belastet sind und gleichzeitig leichtgewichtig sein müssen, werden heute vielfach schon aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (auch CFK genannt, carbonfaserverstärkter Kunststoff) hergestellt.

Das Material ist sündhaft teuer. Deshalb ist sein Einsatzbereich auf hochpreisige Produkte beschränkt. So bestehen zum Beispiel Teile der Karosserie des Elektroautos BMW i3 aus dem Stoff. Außerdem werden die Fasern letztlich aus Erdöl hergestellt – vorerst jedenfalls noch.

Preis könnte sich halbierenIn einigen Jahren soll Lignin das Ausgangsmaterial sein, ein harzartiges Biopolymer, das die Zellulosefasern von Bäumen und anderen Pflanzen verklebt, sodass sie Holzstruktur annehmen. Jedes Jahr bleiben Millionen Tonnen Lignin in Papierfabriken übrig, das meist mit Säuren aus dem Holz herausgewaschen wird.

Statt es wie bisher vor allem zu verbrennen – nur geringe Mengen werden als Chemierohstoffe genutzt – wollen Forscher des Bremer Faserinstituts und des Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam das pulverförmige Material so umformen, dass sich daraus Fäden spinnen lassen. Diese wiederum können in einem physikochemischen Prozess in Kohlenstoff umgewandelt werden. Der Startschuss für das Forschungsprojekt „Ligninbasierte Carbonfasern“ ist gerade gefallen. In knapp drei Jahren soll es abgeschlossen sein.

Der Preis für ein Kilogramm Kohlenstoffaser soll durch das praktisch kostenlos zur Verfügung stehende Lignin von heute 9,50 Dollar auf 4,5 Dollar sinken, schätzt der Projektträger, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in Gülzow-Prüzen nahe Schwerin. Airbus als potenzieller Nutzer des ligninbasierten Kohlenstoffs und der finnisch-schwedische Papierhersteller StoraEnso als möglicher Ligninlieferant unterstützen das Projekt.

Auch Plastik gibt es aus LigninLignin ist ein hoch komplexes Molekül, das aus Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff besteht. Diese bilden unterschiedliche Moleküle, die untereinander vernetzt und gewissermaßen verklebt sind. Bei der am Ende stehenden Umwandlung in Kohlenstoff werden Wasser- und Sauerstoff entfernt, sodass reine Fasern übrigbleiben. Diese werden von Flugzeug- und Autoherstellern in einer Form kunstvoll drapiert, sodass die Bereiche, die besonders stark beansprucht werden, eine Extraportion Fasern bekommen. Zuletzt werden die Fasern mit Harz übergossen, das, wie etwa das Lignin im Buchenstamm, dafür sorgt, dass die Fasern fest miteinander verbunden sind.

Lignin lässt sich außerdem als Zuschlagstoff für erdölbasierte Kunststoffe wie Polyethylen oder Polypropylen nutzen. Daraus werden unter anderem Frischhaltefolien und Einfrierbehälter hergestellt. Den IAP-Forschern ist es bereits gelungen, Kunststoffe mit einem 70-prozentigen Ligninanteil herzustellen. Doch die riechen noch stark nach Lignin, sind also nur eingeschränkt verwendbar, etwa für Industriebehälter und Transportverpackungen.

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