"Bio am Limit" Riesen-Höfe retten die grüne Landwirtschaft

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Spaß an der Technik: Der Westhof hat einen großen Fuhrpark.

Der Mäh-Automat ist eigentlich Spielerei. Aber den Eindruck möchte Carstens relativieren: “Vielleicht haben wir immer die schnellsten und effektivsten Maschinen, weil ich selber so technikaffin bin”, erklärt er. Für die besonderen Ansprüche der Biolandwirtschaft mussten sie früher oft erfinderisch sein und in der Werkstatt selbst Hand anlegen an die Maschinen. Mittlerweile sind jedoch auch die klassischen Hersteller auf dem Bio-Boom aufgesprungen.

Smarte GPS-Systeme lassen tonnenschwere Traktoren heute in akkuraten Linien über seine Felder ziehen. Gemeinsam mit Bosch und den Fachhochschulen in Osnabrück und Heide entwickelt der Westhof einen chemiefreien Unkrautvernichter, der mit der neuesten Kameratechnik ausgerüstet ist: den Bonirob. In Zukunft soll der Roboter auf vier Rädern durch die Furchen der Felder rollen und das mühsame Herausreißen per Hand ersetzen, begeistert sich Carstens für den Prototyp: “Mit einem Stößel soll dem Unkraut eins auf den Kopf gegeben werden, denn das mögen die nicht.” Nur die Möhren würden am Leben bleiben nach dem rabiaten Vorgehen des Bonirobs, den er mit einem Schlag auf den Konferenztisch nachahmt.

High-Tech im Garten: Die Kamera (2) unterschiedet das Unkraut von den jungen Pflanzen. Der Stößel (1) zerstört Unkraut. Per GPS lässt sich der Bonirob über sein Schaltzentrum (3) steuern.

Sein Hightech-Fuhrpark ist vor allem dann ein Trumpf, wenn das Wetter umschlägt und die Ernte schnellstmöglich ins Trockene gebracht werden muss, um sie vorm Verwelken zu retten, erklärt Carstens: “Wo andere nicht die Schlagkraft haben, sind wir termingerecht fertig und gucken beim Regen entspannt aus dem Fenster”. Dass er sich die teuren Maschinen überhaupt leisten kann, liegt auch an der Größe des Betriebs. Denn dementsprechend viel Kapital kann er für Neuanschaffungen aufbringen.

"Modern, groß und fortschrittlich"

Der Landwirt mag die Gummistiefel gegen modische Halbschuhe eingetauscht haben. Seine ökologischen Ansprüche vertritt er nach wie vor, etwa wenn er sich aufregt über intransparente TTIP-Verhandlungen, von Pflanzenschutzmitteln verseuchte Brunnen und konventionelle Landwirte, die nur einen Teil ihrer Felder umstellen, um Bio-Prämien zu kassieren. Es geht ihm um mehr als seinen Betrieb. “Ihr wollte schon immer zeigen, dass Bio modern, groß und fortschrittlich sein kann“, sagt Carstens. Bio ist für ihn die Landwirtschaft der Zukunft, die die Massen ernährt, ohne den folgenden Generationen einen ausgelaugten Planeten zu hinterlassen.

Passend: Der Westhof ist von Windanlagen umgeben.

Noch sieht er seinen Betrieb nicht am Limit des Wachstums. Kommen Betriebsleiter in der Gegend ins Rentenalter oder geben auf, ist Carstens zur Stelle und pachtet die Flächen. Ein Viertel seines Ackerlands in einem Umkreis von etwa 15 Kilometer gehört ihm. Die Biostandards gelten immer - egal, wie groß ein Betrieb ist. Die Qualität von Bio würde daher nicht unter großen Strukturen leiden. “Meiner Ansicht nach kann es da schon einmal Managementschranken geben”. Zum Beispiel bei Fragen, ob das Personal dann noch sinnvoll eingesetzt werden könne.

Flächen zu klein

Der Westhof bestätigt den Trend: Auch in der biologischen Landwirtschaft schlägt der Strukturwandel voll durch. In einer Studie hat das Thünen-Institut des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung nach den Gründen gefragt, weshalb Bauern die biologische Landwirtschaft wieder zugunsten der konventionellen aufgeben. Ein Drittel antwortete, dass ihre Flächen zu klein seien um mit ihnen profitabel wirtschaften zu können.

Wachsende Biobetriebe müssen dank moderner Maschinen nicht zwangsläufig auch entsprechend mehr Personal einstellen. “Auch wenn unsere Mitarbeiter das vielleicht gar nicht bemerken, haben wir laufend rationalisiert“, sagt Carstens. “Durch ständiges Wachstum können wir sie einfach in anderen Bereichen einsetzen”. Noch hält dies die Zahl von 120 Angestellten und etwa genauso vielen Saisonarbeiter stabil.

Kein kleiner Hofladen, sondern moderne Möhren-Abpackung.

Als Big Player, vor dem sich Öko-Pioniere mit ihrem Hofläden damals noch gefürchtet hatten, kann Westhof der Bio-Branche nun helfen. Denn Carstens hat einen geschickten Vermarktungsapparat aufgebaut. In seine Produktpalette hat der Westhof auch Brokkoli, Kürbisse, Erbsen, Salate und Kartoffeln aufgenommen, die er gar nicht selber anbaut.

Er kauft sie von anderen, meist kleineren Landwirten der Region auf. Normalerweise wären sie auf einen Zwischenhändler angewiesen. Denn ihre Mengen sind so gering, dass sie mit den großen Ketten gar nicht erst verhandeln können. Carstens Westhof hingegen schon. Er bündelt deren Ernte daher, um sie dann frisch oder tiefgekühlt in sein Lager aufzunehmen.

Mit der Größe und seinem Marketing will der Biolandwirt vor allem für faire Preise sorgen.

Das verschafft ihm das nötige Gewicht, um mit den Einkäufern der Fachhändler und Discounter auf Augenhöhe zu verhandeln. Der Westhof ist somit selbst zu einem Zwischenhändler gewesen; mit einem so großem Umschlag, dass Carstens schon einen neuen Plan hat: “In Zukunft wollen wir eine eigene Marke für die Lebensmittel schaffen”, sagt er. Produkte, die vom Westhof kommen, könnten dann mit Logo und Slogan beworben werden - und vermitteln, dass Bio und Größe sich nicht ausschließen müssen. Im Gegenteil.

Mit der Größe und seinem Marketing will der Biolandwirt vor allem eins erzielen: faire Preise. Und genau das stellt eine Herausforderung für die Biobranche dar, die zwar wächst, sich dadurch aber auf das hart umkämpfte Terrain der mächtigen Einzelhändler begibt.

*** Dieser Text ist der erste Teil der Reihe "Bio am Limit" und entstand im Rahmen des Journalisten-Stipendiums Nachhaltige Wirtschaft. Alle Informationen zum Stipendium erhalten Sie unter diesem Link.***

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