Umweltfreundliche Produkte sind beliebt. Beschreibungen wie ökologisch und biologisch geben Verbrauchern ein gutes Gefühl. In Zeiten, in denen Land und Meer unter riesigen Mengen Müll leiden, rücken Verpackungen in den Fokus. Immer mehr Unternehmen werben mit angeblich umweltfreundlichem Bioplastik oder kompostierbaren Behältern.
Die Firma Velibre aus Bremen zum Beispiel verkauft biologisch abbaubare Kaffeekapseln für Nespresso-Maschinen. Solche Kaffeeautomaten werden nach Angaben der Firma Nestlé in mehr als 60 Ländern verwendet und von Stars wie George Clooney beworben. „Herkömmliche Kaffeekapseln produzieren eine gigantische Menge Müll“, sagt Velibre-Sprecher Walter Hasenclever. „Unsere Kapseln bestehen vollständig aus Rohstoffen, die sich im Erdboden oder im Kompost biologisch abbauen“, heißt es auf der Homepage.
Das klingt gut, doch wer genauer liest, erfährt, dass der Abbau der Kapseln von vielen Bedingungen wie Temperatur und Umgebung abhängt. In Laboruntersuchungen bei Raumtemperatur zeigte sich demnach, dass die Kapseln nach acht Monaten fast vollständig zersetzt waren. „Das ist zu lange“, sagt die studierte Biotechnologin Petra Weißhaupt vom Umweltbundesamt. „Streng genommen muss dieses Produkt in die schwarze Tonne, in den Restabfall.“ In industriellen Anlagen dauert die Kompostierung des Biomülls in der Regel maximal zwölf Wochen.
Der Kampf gegen die Plastiktüten
Plastiktüten sind für ihr Gewicht ganz schön stabil. Doch was Verbraucher freut, kann der Umwelt schaden. Hunderte Jahre kann es dauern, bis die praktischen Tragetüten sich in der Natur zersetzen. Kleinteile werden von Seetieren wie Fischen und Vögeln gefressen.
Nach Zahlen aus dem Jahr 2010 kommen jedes Jahr etwas weniger als 100 Milliarden Plastiktüten in Europa in Umlauf. Das entspricht 198 Tüten pro Jahr und Bürger, die meisten davon Einwegtüten. Deutschland steht laut Handelsverband Deutschland (HDE) gut da. Das sei auch dem durch den grünen Punkt bereits weit verbreiteten Recyclingsystem zu verdanken. In Deutschland liege der Verbrauch bei jährlich 76 Tüten pro Kopf, die EU-Kommission spricht mit Blick auf das Jahr 2010 von 64 Einwegtüten.
Genau. Nach derzeitigem Stand soll jeder EU-Bürger Ende 2019 nur noch 90 Einwegtüten verbrauchen pro Jahr, Ende 2025 nur noch 40 Tüten. Ganz dünne Tüten, die es etwa an der Gemüsetheke gibt, wären aber ebenso wie stabile Mehrfachtüten nicht betroffen. Genauso gut könnte es Abgabegebühren geben oder Steuern für den Einzelhandel. Die Regierungen hätten die Wahl - Hauptsache, die Tüte wäre nicht mehr kostenlos. Auch andere Maßnahmen mit ähnlicher Wirkung wären möglich.
„Das bedeutet für die Verbraucher und Verbraucherinnen und insbesondere den Einzelhandel eine Neuausrichtung zu bewussterem und ökologischerem Konsum“, meint Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Die Umweltschutzorganisation European Environmental Bureau (EEB) ist zwar grundsätzlich ebenfalls erfreut. Allerdings hätte sich die Organisation auch ein Verbot spezieller neuartiger Tüten gewünscht. Diese geben aus Sicht von Kritikern vor, biologisch abbaubar zu sein, obwohl sie es nicht sind. Dies soll nun aber die EU-Kommission erst einmal untersuchen.
Der Branchenverband Plastics Europe argumentiert, man unterstütze zwar eine Gebühr für alle Taschen, egal aus welchem Material. Doch die Möglichkeit nationaler Verbote könne zu Handelshemmnissen in Europa führen. Das bemängelt übrigens auch die FDP-Europaabgeordnete Gesine Meißner.
Auch Velibre hat das inzwischen erkannt und eine Kapsel aus Papier entwickelt, die dem Unternehmen zufolge zu 100 Prozent kompostierbar ist und sich innerhalb weniger Wochen zersetzt. Die Kapsel, die bis Ende März 2018 auf den Markt kommen soll, besteht aus Zuckerrohrfasern, die unter Zugabe von Wasser und natürlichem Bindemittel zu einem feinen Brei gemahlen und in Form gepresst werden. „Wir sind sicher, dass wir eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Kaffeekapseln gefunden haben“, sagt Sprecher Hasenclever. „Der Markt für Kaffeekapseln wächst. Ich glaube, dass dieser Trend nicht aufzuhalten ist.“
Für Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind kompostierbare Kapseln eine große Verbrauchertäuschung. „Grundsätzlich kann es nicht ökologisch sein, Kaffee grammweise zu verpacken“, sagt der Umweltwissenschaftler aus Berlin. „Die angeblich ökologischen - weil biologisch abbaubaren - Kaffeekapseln verändern nichts an der Umweltschädlichkeit eines ressourcenfressenden, klimaschädigenden und unnötigen Verpackungssystems“, sagt Fischer. „Mit Umweltschutz hat das rein gar nichts zu tun.“
Ähnlich kritisch sehen Umweltbundesamt (UBA) und Deutsche Umwelthilfe Biokunststoffe. „Immer größer werdende Mengen kurzlebiger und ressourcenvergeudender Wegwerfverpackungen sollen durch den Einsatz von Biokunststoffen legitimiert werden“, kritisiert Fischer. Genau wie die Experten des Umweltbundesamtes betont er, dass die Ökobilanz von Biokunststoffen bislang keineswegs besser ist als die von Plastik aus fossilem Rohöl. Während herkömmliche Verpackungen im Gelben Sack landen und recycelt werden können, würden viele Biokunststoffe vor dem Kompostieren in einer Anlage aussortiert und letztlich verbrannt. Zudem benötigt der Anbau von Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr für Bioplastik nicht nur Sprit und Dünger, sondern oft auch Pestizide, wie das UBA betont. Nach der Ernte müssten die Pflanzen noch verarbeitet werden, was auch zu Umweltbelastungen führe. Der Dünger könne Gewässer verschmutzen.