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Britischer "Guardian" fordert Investoren sollen raus aus Kohle, Öl und Gas

Institutionen sollen ihr Geld aus fossilen Energieunternehmen abziehen, fordert die Zeitung "The Guardian".

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Die Politik allein wird es nicht richten. Diese Erkenntnis hat wohl den Ausschlag für die ungewöhnliche Aktion des "Guardian" gegeben. Die renommierte britische Tageszeitung, die mittlerweile auch zu den einflussreichsten Online-Medien weltweit gehört, hat eine eigene große Kampagne gegen Investitionen in fossile Energieträger ausgerufen.

Die Redaktion fordert von ihrem Verlag den sofortigen Abzug seiner Gelder aus fossilen Rohstoffen. Konkret bedeutet das: Geld, das bei Banken oder Fonds angelegt ist, die in Öl-, Gas- oder Kohlefirmen investiert haben, soll anderweitig investiert werden. Die Forderung ist auch als Divestment bekannt, also das Gegenteil von Investment.

Mehr Berichte über die Divestment-BewegungBis zum Klimaabkommen in Paris wird der "Guardian" zudem regelmäßig über die Themen Divestment und fossile Energien berichten. Dafür kooperiert die Zeitung mit der Nichtregierungsorganisation "350.org", der weltweit größten Divestment-Bewegung.

"Die Argumente für einen Abzug der Gelder sind schlicht überwältigend", schreibt Alan Rusbridger, Chefredakteur und Herausgeber des Guardian in einer Erklärung zur neuen Kampagne. Wer sein Geld in fossile Rohstoffe investiere, heize den Klimawandel an, schreibt er. Auch die Förderung der Rohstoffe setze Unmengen an klimaschädlichem CO2 frei.

Und auch finanziell bergen Investitionen in Öl, Gas und Kohle immer höhere Risiken. Kommen Gesetze für einen strengen Klimaschutz, müssen 80 Prozent der bekannten Reserven an Kohle, Öl und Gas in der Erde verbleiben. Für die großen Förderkonzerne könnte das einen gigantischen Verlust bedeuten. Schließlich liegt der Marktwert der bekannten Reserven derzeit bei rund 21.000 Milliarden Euro.

Besser also jetzt reagieren, bevor der Steuerzahler die Ölgiganten am Ende womöglich retten muss.

Die schon länger vor allem im angelsächsischen Raum laufende Divestment-Kampagne, schreibt Rusbridger weiter, sei eine der wenigen erfolgreichen Klimaschutz-Initiativen und deshalb unterstützenswert. Er selbst bedauert, sich dem Thema nicht schon früher gewidmet zu haben.

Das Besondere der Divestment-Bewegung: Die Bürger werden selbst aktiv. Ob sie nun an Universitäten oder vor Rathäusern protestieren, immer erzeugen sie öffentlichen Druck.

Institutionen und Städte, die divestieren, bangen wohl nicht nur um ihr Geld, sondern auch um ihr Image. Die Politik erzeugt solchen Druck nicht - der Eindruck bei vielen Bürgern ist eher, dass sie vor den Interessen der Energiekonzerne kuscht.

Universität Oxford macht einen RückzieherDennoch steckt die Divestment-Kampagne auch Rückschläge ein. Die Universität Oxford teilte kürzlich mit, ihre Investitionen in die fossile Enrgiewirtschaft - fast drei Milliarden Euro - vorerst nicht abzuziehen. Dabei hatten Studenten monatelang öffentlich genau dafür protestiert. Eine Absolventin droht nun damit, ihren akademischen Grad wieder abzugeben, sollte die Elite-Uni nicht divestieren.

Auch der norwegischen Pensionsfonds scheint seine Divestment-Versprechungen nicht einzuhalten. Eine Studie verschiedender Nichtregierungsorganisationen zeigt, dass der Fonds seine Anteile an Öl- und Gasunternehmen in aller Welt im vergangenen Jahr um rund 28 Milliarden Euro aufgestockt hat, geplant war eigentlich eine Verringerung.

Überschreitet die Zeitung ihre Kompetenzen?Fraglich bleibt, ob der "Guardian" mit dem Aufruf zum Divestment nicht seine Kompetenzen überschreitet. Eine Zeitung sollte schließlich Neutralität wahren und verschiedene Sichtweisen auf ein Thema ermöglichen. In Deutschland äußern einzelne Journalisten ihre Meinung meist in Form von Kommentaren, ganze Redaktionen treten mit politischen Forderungen nicht in Erscheinung.

Allerdings ist die öffentliche Positionierung eines Mediums im angelsächsischen Raum nicht so ungewöhnlich. In den USA sprechen manche Zeitungen beispielsweise vor einer Wahl explizit Empfehlungen für einen Kandidaten aus – in Deutschland undenkbar.

Wer als Journalist aber gut recherchiert und die Fakten kennt, der kann laut Rusbridger seiner Meinung auch öffentlich Ausdruck verleihen. Das wäre dann ein Journalimus mit Haltung.

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