Debatte Warum wir einen Veggie-Day brauchen

Grünen-Frontfrau Katrin Göring-Eckardt will einen vegetarischen Tag in Kantinen einführen. Politisch ist die Idee Unfug. Dennoch wäre ein Veggie-Day nötig.

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Die Aufregung war so absehbar wie das Feuerwerk an Sylvester. Von einer grünen „Erziehungsdiktatur“ und „Verbotsrepublik“ warnten die Kritiker von FDP, CDU und Linken, nachdem die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kürzlich angeregt hatte, einen vegetarischen Tag in Kantinen einzuführen.

Am besten solle es der Donnerstag sein, sekundierte die Parteikollegin Renate Künast. Der fleischfreie Tag solle den Tier- und Klimaschutz fördern und die Gesundheit der Bevölkerung.

Laut Göring-Eckardt soll es aber keinen „Zwang hin zum Veggie Day geben“. Allerdings, so berichtet Spiegel-Online, könne sie sich vorstellen, dass die Politik es fördere, wenn der Speiseplan an diesen Tagen "abwechslungsreich" gestaltet werde.

Wer den Grünen nicht wohl gesonnen ist, könnte jetzt an eine Art EEG für Kartoffelsuppe denken. Ähnlich wie heute Solar- oder Windanlagen, würde Grünkost in den Kantinen dann von Staat oder Bürgern bezuschusst – aber natürlich nur solche aus biologischem Anbau.

Politisch grenzt der Vorschlag der Grünen an Unfug. Denn ganz im Ernst: Wie will eine Regierung Kantinenköchen vorschreiben, was sie ihren Kunden vorsetzen?

Vegetarische Kantinenkost schmeckt scheußlichAber die Diskussion um den Vorstoß von Göring-Eckardt hat dennoch sein Gutes - denn sie ist dringend notwendig.

Erstens lenkt sie den Blick darauf, dass in deutschen Mensen und Kantinen fleischlose Mahlzeiten so selten und wenig schmackhaft sind wie Haare in den Suppen. Als vegetarisches Feigenblatt dient noch zu oft die Pasta mit Tomatensoße oder Pesto, die schmeckt wie in Geschmacksverstärker getränktes Zeitungspapier.

Die Kunden würden ihr Mittagessen ganz ohne Zutun der Politik von alleine vegetarischer gestalten, wenn Köche in Unternehmen, Schulen, Universitäten und Behörden lernen würden, wirklich lecker fleischlos zu kochen.

Von daher: Statt Verordnungen oder Subventionen sollten die Grünen lieber ein paar moderne Kochbücher in die Kantinen schicken.

Noch etwas anderes ist aber viel wichtiger an der Diskussion. Die Deutschen essen zu viel Fleisch, nämlich rund 60 Kilogramm im Jahr. Und die mehr als 14.000 Kantinen und Mensen in Deutschland tragen dazu einen erheblichen Teil bei. Vor allem, wenn man weiß, dass die Lieblingsessen der rund vier Millionen Besucher dort Currywurst, Spaghetti Bolo und Chicken Nuggets sind.

Fleischwahn führt zu HerzinfarktOb in Kantinen oder auf dem heimischen Teller - der übermäßige Fleischkonsum schadet nicht nur der Umwelt und den Tieren in den Aufzuchtfabriken, sondern auch der Gesundheit. Jährlich entstehen weltweit Milliardenkosten für die Behandlung von Herz-Kreislauferkrankungen durch erhöhten Fleischkonsum. Passionierte Tieresser haben außerdem häufiger mit Fettleibigkeit und hohen Cholesterinwerten zu kämpfen.

Deshalb empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung den Bürgern nur zwischen 300 und 600 Gramm Fleisch pro Woche zu essen – also rund die Hälfte der aktuellen Menge.

Die Frage ist nun: Wie bekommt man die Bevölkerung dazu, weniger Fleisch zu essen? Eine Möglichkeit wäre es, die sogenannten externen Kosten (also Umweltverschmutzung und Gesundheitskosten) in den Fleischpreis einzubeziehen.

Denn eins ist klar: Die Deutschen essen vor allem deshalb so viel Fleisch, weil es so billig ist. Schuld daran ist vor allem die „Aldisierung“ in der Tierhaltung und Fleischproduktion. Die Folge: Beim Discounter oder im Großhandel kostet ein Kilo Hähnchen weniger als ein Kilo Kartoffeln im Biosupermarkt. Wäre Fleisch teurer, würde sich der Konsum wohl rapide verringern. Ob solch eine Preiserhöhung allerdings politisch machbar ist, lässt sich bezweifeln.

Keine Änderung beim FleischverzehrEs gibt noch einen zweiten Weg, wie der Fleischkonsum sinken könnte: Nämlich durch die Einsicht der Verbraucher. Und die scheint, so könnte man meinen, tatsächlich um sich zu greifen. Immer mehr Menschen ernähren sich zunehmend vegetarisch oder sogar vegan. Und immerhin rund elf Prozent der Deutschen, das ergab eine Studie der Universität Hohenheim, essen bewusst wenig Fleisch. Ein weiteres interessantes Ergebnis der Befragung: Der Fleischkonsum sinkt mit steigendem Bildungsgrad und höherem Einkommen.

Das Problem hierbei: Der Trend zu weniger Fleisch kommt bei der breiten Masse der Bevölkerung nicht an. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Fleischkonsum in Deutschland nicht verändert, wie eine Untersuchung im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW zeigt (hier als PDF).

Sprich, insgesamt wird nicht weniger Fleisch konsumiert als früher. Erhöhter Fleischkonsum mit seinen gesundheitlichen Folgen scheint außerdem mehr und mehr zu einem Phänomen der Unterschicht zu werden.

Ein Veggie-Day, der bei allen Gesellschaftsschichten ankommt, wäre deshalb dringend geboten – auch außerhalb der Kantinen und Mensen. Eins ist aber klar: Politisch erzwingen lässt er sich nicht.

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