Desertec Was wir aus dem Scheitern lernen können

Bei Desertec war am Ende zu viel Sand im Getriebe. Dennoch brauchen wir auch künftig Großprojekte, wollen wir das Klima retten, meint Michael Salcher.

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Desertec ist 2009 als bahnbrechendes und öffentlichkeitswirksames Projekt gestartet. Umweltfreundliche Energie aus der Wüste, erzeugt durch Solarthermie, sollte 15 Prozent des europäischen Strombedarfs decken und gleichzeitig den Weg für etliche Öko-Kraftwerke in Nordafrika und dem Nahen Osten bereiten.

Nach nur fünf Jahren ist das Staaten übergreifende Prestigeprojekt gescheitert. Nachdem namhafte deutsche Unternehmen schon 2012 das Interesse an Desertec verloren hatten, ist jetzt klar: Die Gesellschaft in bisheriger Form wird nicht weitergeführt. Von den 20 Gesellschaftern des milliardenschweren Projekts wollen nur drei weitermachen – allerdings in deutlich kleinerem Umfang als bisher.

Vier Faktoren bliesen Sand ins GetriebeDer Rummel zu Beginn war beachtlich, trotzdem entwickelte sich das Wüstenstromprojekt nicht wie gedacht. Gründe dafür gibt es mehrere: So dürfte der Arabische Frühling wesentlich dazu beigetragen haben, dass Desertec nicht auf die Beine kam. Denn Investoren wollen ihr Geld sicher anlegen und brauchen deshalb stabile Rahmenbedingungen und Perspektiven. Die reichten schon vor dem Arabischen Frühling nicht aus, danach aber waren sind vollständig weggefegt.

Zudem hat der augenscheinliche Alleingang der deutschen Investoren ohne Abstimmung mit der Bundesregierung, der EU oder den nordafrikanischen Ländern das Vertrauen in Desertec untergraben. Das veranlasste beispielsweise Frankreich dazu, eigene nationalstaatliche Interessen zu verfolgen und das alternative Projekt Transgreen anzustoßen.

Schließlich haben die nationalen Projekte zur klimaschonenden Energieerzeugung in Deutschland – infolge des beschleunigten Kernenergieausstiegs nach der Katastrophe von Fukushima – das Interesse an Desertec schwinden lassen.

Und nicht zuletzt hat die Eurokrise zum Scheitern des Projektes beigetragen: Die Investitionsfreude ist abgeflaut. Gleichzeitig geht die Stromnachfrage in den europäischen Ländern, in denen die Wirtschaft schwächelt, zurück.

Aus dem Scheitern lernenFür ein Pilotprojekt hatten sich Politik und Wirtschaft mit Desertec zu hohe Ziele gesteckt: es war zu unüberschaubar. Kleinere Projekte, die nicht so lange Laufzeiten haben und weniger Länder einschließen, lassen sich vermutlich leichter realisieren.

Auch reicht es nicht, ein paar namhafte Unternehmen mit dem Ziel zu versammeln, ein Staaten übergreifendes Projekt im Infrastrukturbereich über einen so großen Zeitraum zu entwickeln. Und vor allem ist die Einbindung der Politik unerlässlich, wenn es um Vorhaben dieser Größenordnung geht. Nur zusammen mit den Regierungen der involvierten Länder kann so etwas gelingen.

Es ist schade, dass Desertec nicht erfolgreich war, dennoch können wir aus dem Scheitern  lernen.

Staaten müssen an einem Strang ziehenDesertec hat die Erwartungen aller Beteiligten nicht erfüllt und konnte die unterschiedlichen Interessen einzelner Staaten nicht vereinen. Trotzdem brauchen wir Projekte, die im großen Stil – nicht notwendigerweise mit großen Erzeugungseinheiten – umweltfreundlich Strom erzeugen, auch für Deutschland und Europa.

Um ein erfolgreiches Großprojekt auf den Weg zu bringen, muss Energiepolitik Staaten übergreifend funktionieren. Alles andere ist ineffizient und führt zu Mehrkosten. Jedes Land und jede Region muss die jeweiligen geografischen Vorteile nutzen und zur Energieerzeugung einbringen: Windkraft muss im Meer und an der Küste erzeugt werden, Solarenergie von den Mittelmeeranrainern.

Stromerzeugung muss also dort stattfinden, wo sie sich am meisten lohnt und Energie muss dorthin fließen, wo sie gebraucht wird – über ausgebaute Leitungsnetze innerhalb der EU.

Noch sind die Industriestaaten von einer klimafreundlichen Energieerzeugung weit entfernt. Für viele Experten ist jetzt schon klar, dass Deutschland die geplante Reduktion seiner CO2- Emissionen nicht erreichen wird. Denn der CO2-Ausstoß in Deutschland ist 2013 erneut angestiegen, der Emissionshandel funktioniert nicht wie gewünscht und die EU-weit festgelegten 20-20-20-Ziele zum Klimaschutz (20 Prozent mehr Erneuerbare Energien im Energie-Mix, 20 Prozent Einsparung durch Energieeffizienz, 20 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020) werden aufgeweicht.

Der Klimaschutz braucht LeuchtturmprojekteÜber die Hälfte der Stromerzeugungskapazität in der EU verfeuert Kohle, Erdgas oder Erdöl. Zudem stößt Deutschland beim Ausbau Erneuerbarer Energien zunehmend an seine Grenzen: Die Standorte für Wasserkraftwerke sind ausgereizt. Hinzu beschränken Naturschutz-Standards sowie mangelnde Wirtschaftlichkeit den Bau neuer Anlagen.

Auch die Ausbauziele deutscher Offshore-Windparks werden voraussichtlich nicht erreicht. Und mit dem umweltfreundlicheren Erdgas gibt es mangels passender Marktmodelle Schwierigkeiten.

Während Deutschland als Vorreiter der Energiewende gilt und zumindest theoretisch verstanden hat, dass die Zukunft der Stromerzeugung nur in den Erneuerbaren Energien liegen kann, hat in anderen Ländern noch kein Umdenken stattgefunden. So hält Polen weiterhin an der Kohleverstromung fest, 90 Prozent seiner benötigten Energie bezieht das Land aus dem fossilen Energieträger.

Die Energiewende ist in manchen Staaten ein Luxusprojekt – man muss sie sich leisten können. Genau das ist das Problem: Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, verliert der Klimaschutz schnell an Bedeutung.

Dennoch gibt es keine Alternative: Wenn man Klimaschutz ernst nimmt, muss sich etwas ändern. Es braucht erfolgreiche und öffentlichkeitswirksame Großprojekte, um Schwung in die Sache zu bringen.

Wenn es den EU-Ländern gelänge, unter Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Potenz sichtbar auf Erneuerbare Energien umzusteigen, wäre das ein starker Impuls in Richtung der Wirtschaftsräume Nordamerika und Asien. Dazu gehören Mut, ein langer Atem und die Bereitschaft, die nationalen Interessen gelegentlich dem großen gemeinsamen Ziel unterzuordnen. Das nächste Wüstenstromprojekt unter dem Namen TuNur steht jedenfalls schon in den Startlöchern: In Tunesien soll das größte Solarturmkraftwerk der Welt erbaut werden und 9,5 Milliarden Kilowattstunden über Italien nach Großbritannien liefern.

Am Erfolg von TuNur wird sich zeigen, wie viel wir aus der Desertec-Pleite gelernt haben.

*** Michael Salcher ist Partner und Head of Energy & Natural Resources bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Außerdem leitet er das im Frühjahr 2014 gestartete KPMG Global Energy Institute EMEA in Berlin – ein Think Tank zur Lösung von Fragen rund um das Thema Energie.

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