Ob grüner Strom, Car-Sharing oder die biologischen Eier vom Bauern um die Ecke: Die Deutschen lieben Öko. Bereits letztes Jahr ergab eine Studie der Management-beratung Kienbaum, dass rund 94 Prozent der deutschen Verbraucher Umweltschutz als wichtig empfinden.
Zudem glauben mehr als 80 Prozent, dass sie nicht zuletzt durch ihr eigenes Konsumverhalten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Nachhaltigkeit in der Produktion und ökologisch korrekte Produkte entwickeln sich damit mehr und mehr zu Verkaufsargumenten – sowohl bei Investitionsgütern als auch bei Produkten des täglichen Gebrauchs.
Auch bei Möbeln scheint dieser Trend inzwischen angekommen. Doch weder Fichte, Eiche oder Buche, sondern gebrauchsübliche Pappe verwandelt Einrichtungsgegenstände in die ökologischen Raumwunder der Stunde.
„Möbel und Einrichtungsgegenstände aus Pappe haben eine sehr gute Ökobilanz“, weiß Katharina Semling, Wohnexpertin und Einrichtungsberaterin. „Wenn die Möbel gut und intelligent gemacht sind, können sie genauso lange halten wie herkömmliche Möbel aus Holz oder Verbundstoffen“.
Günstig und alles andere als instabilDiese Tatsache wusste auch schon Peter Raacke zu schätzen. Der Produktdesigner aus Berlin entwickelte in den 1960er Jahren die weltweit erste Möbelserie aus Pappe. „Ich wollte Möbel für junge Leute entwickeln, die noch nicht wussten, wo sie leben wollen“, sagt er heute rückblickend. Die Möbel sollten deswegen besonders leicht und schnell abbaubar sein.
Seine Designs verkaufte er damals zu Schleuderpreisen: Ein Sessel kostete 18 Mark, ein Regal gerade mal 25 Mark. Auch heute sind die Möbel aus Pappe verhältnismäßig günstig; ganze Betten kosten gerade mal 100 Euro. Zu kaufen gibt es sie aber meistens nur im Internet und zum Selbstaufbau. „Das ist zum Glück ganz leicht“, weiß Semling aus eigener Erfahrung. Die Pappteile könne man meist, ganz ohne Werkzeug, einfach ineinander stecken.
Form und Farbe der Möbel sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Das liegt an den vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten der Pappe. Selbst Kronleuchter, Schmuckständer oder CD-Halter sind kein Problem für den Werkstoff. Die ursprünglich Flache Pappe wird durch Falzen und Kleben zu wandelfähiger Wellpappe, die extrem stabil ist.
Das Geheimnis hinter der Tragkraft steckt in der wellenförmigen Struktur. Schon im Mittelalter wussten Architekten die enorme Tragleistung von Rundbögen an antiken Brücken und Kirchen zu schätzen.
Ähnlich funktioniert es mit Pappe: Die Wellenform zwischen zwei Deckbahnen macht den Werkstoff zu einer stabilen Leichtbaukonstruktion aus Luft und Papier – sogar mit Polsterfunktion. Wie ein Airbag fängt das Papier ganz einfach Stöße, Stürze und ähnliche Belastungen ab. Was man alles aus Pappe für die eigenen vier Wände machen kann, zeigt diese Bildergalerie: [nggallery id=38]
Möbel aus Pappe sind aber nicht nur besonders preiswert, praktisch und stabil, sondern vor allem umweltfreundlich. Die wichtigsten Gründe dafür sind die nachwachsenden Rohstoffe und die gute Reyclingfähigkeit der Pappe. Zum Einen werden die für die Produktion eingesetzten Frischfasern nur aus schnell wachsenden Baumsorten gewonnen, die deutlich mehr Kohlendioxid binden als andere Sorten.
Zum anderen kommt überwiegend Bruch- und Durchforstungsholz zum Einsatz, das bei der notwendigen Bewirtschaftung der Wälder anfällt. Die Herstellung geht also nicht etwa zu Lasten des Waldes, sondern fördert ihn sogar im Wachstum.
Vom Karton zum TischkickerNachhaltiges Wohnen und stilvolles Design passen also wunderbar zusammen. Dass man mit Pappe aber auch Spaß haben kann, beweisen zwei junge Männer aus Braunschweig. Marcus Anlauff und Ludwig Prüß, eigentlich Maschinenbauer und Industriedesigner von Beruf, entwickelten zusammen mit einer taiwanesischen Firma einen Tischkicker aus Pappe. Das war im Herbst 2011. Schon fünf Monate später stand der erste Prototyp aus Fernost in ihrem deutschen Wohnzimmer und löste bei Freunden und Familie Begeisterung aus.
Inzwischen gibt es den Kicker online zu kaufen. Zwischen 69 Euro und 79 Euro kostet der Spaß – je nach Modell. Geliefert wird er in einer handlichen Box, die zeitgleich Teil des Tischkickers ist. Wie bei den meisten Pappmöbeln, braucht es auch hier nicht einmal Kleber, Schrauben oder Werkzeug, um den Tisch aufzubauen. Trotzdem ist er stabil genug, um auch die härtesten Bälle abzufangen, wie dieses Video zeigt: