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Elektroschrott Neues Verfahren verwertet Bildschirme vollständig wieder

Pro Jahr landen tausende Tonnen Fernseher auf dem Müll. Immerhin lassen sich jetzt ihre Bildschirme recyceln.

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Verblüffend einfach ist das erste Recyclingverfahren für Röhren- und Flachbildschirme, bei dem sämtliche Wertstoffe zurückgewonnen werden. Bisher muss zumindest das Glas aus Röhrenbildschirmen als Abfall gelagert werden, weil es Blei enthält. Entwickelt hat das Verfahren zusammen mit einer Gruppe von Forschern Michael Stelter, Direktor am Institut für Nichteisenmetallurgie und Reinststoffe der Technischen Universität Freiberg.

Und so funktioniert es: Die ausgedienten Geräte werden grob zerkleinert und in einen Schmelzofen geschüttet. Das Gemisch wird auf etwa 1400 Grad Celsius erhitzt. Dabei verflüssigen sich alle Bestandteile und trennen sich. Glas schwimmt dabei oben, weil es ein geringeres spezifisches Gewicht hat, die Metalle sammeln sich unten. Dazu gehört vor allem Blei, das im Glas steckt.

Bildschirm als RohstoffquelleBis zu 30 Prozent macht der Anteil dieses Schwermetalls aus, das eine phänomenale Eigenschaft hat: Es wirkt als Lösungsmittel für alle übrigen Metalle, die in den Monitoren verarbeitet worden sind. Darunter sind wertvolle Materialien wie Silber, Gold und Indium sowie Zinn und Antimon.

Wenn der gesamte Inhalt geschmolzen ist, findet der sogenannte Abstich statt. Zunächst fließt Glas heraus, das nur minimal verunreinigt ist. Es folgt das Blei mit den gelösten anderen Metallen. Michael Stelter will das Verfahren nun so weiter entwickeln, dass Metall und Glas kontinuierlich durch zwei Öffnungen im unteren und mittleren Bereich des Ofens abfließen.

Ebenso kontinuierlich wird der Ofen dann mit Bildschirmschrott gefüllt. „Dieses Verfahren ist auch in modernen Großanlagen üblich“, sagt Stelter. Das Glas kann wieder verwertet werden. Die Metalle werden aus der Bleischmelze durch gängige metallurgische Verfahren eins nach dem anderen herausgelöst. Testreihen zeigten, dass jetzt schon 80 Prozent des wertvollen Indiums zurückgewonnen werden.

Abfallwirtschaft zeigt bisher kein InteresseDie Freiberger Forscher erwarten, dass bis 2017 innerhalb der Europäischen Union 550.000 Tonnen Schrott anfallen, der mit ihrem Trennverfahren recycelt werden kann. Als „strategisch und wirtschaftlich interessante, innovative Lösung“, bezeichnet Robert Wolf vom Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie in Freiberg das Verfahren, an dessen Entwicklung er beteiligt ist.

Trotzdem gibt es noch keinen Interessenten in der Abfallwirtschaft.

Das liege am „interdisziplinären Ansatz des Verfahrens“, glaubt Stelter. Es gebe einfach weltweit kein Unternehmen, das gleichzeitig Blei und Glas verarbeite. „Wir sind aber überzeugt, dass die Vorteile, auch die ökonomischen, Unternehmen überzeugen werden.“ Das Verfahren ist, beteuern die Freiberger Forscher, auch zum Recyceln von Solarmodulen und LED-Leuchtmitteln geeignet.

Ende Juni erhielten die Forscher für ihr Projekt in Goslar den mit 50.000 Euro dotierten Kaiserpfalz-Preis der Metallurgie. „Das Geld können wir gut gebrauchen“, sagt Stelter. Der Prozess soll weiter entwickelt werden, um noch mehr Indium zurückzugewinnen.

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