Endlich messbar Wie viel Umsatz Nachhaltigkeit schafft

Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen bleiben eine Nische – dabei tragen sie messbar zum Umsatz bei.

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Joachim Schöpfer ist Geschäftsführender Partner bei Serviceplan Corporate Reputation und beschäftigt sich dort unter anderem mit der Wirkung von Nachhaltigkeit auf Unternehmen.

Zumindest in den Chefetagen steht Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Accenture ist für fast alle CEO das Thema entscheidend für den Unternehmenserfolg. Gemeint ist dabei meistens Nachhaltigkeit im Sinne von Ressourcen-Schonung und sozialer Verantwortung.

Im Marketing sieht das Bild allerdings ganz anders aus. Nur knapp die Hälfte der Unternehmenslenker hält Nachhaltigkeit für einen Umsatztreiber. Entsprechend sparsam setzen sie das Thema zum Beispiel in der Marketing-Kommunikation ein. Auch weil viele Kommunikatoren und Marketingentscheider überzeugt sind, dass Kunden auf Nachfrage zwar behaupten, dass sie nachhaltige Produkte bevorzugen, doch in der Realität nur auf den Preis achten.

Es fehlen (auf Fakten gestützte) Antworten auf eine ganz einfache Frage: Wieviel trägt Nachhaltigkeit zum Umsatz bei?

Wir als Kommunikationsagentur Serviceplan Corporate Reputation haben zusammen mit den Forschungsinstituten facit und Biesalski & Company genau diesen Zusammenhang untersucht. Hinter der Studie steckt eine Konsumentenbefragung, die Nachhaltigkeit unter den Aspekten der Kaufentscheidung und Loyalität untersucht. Ein statistisches Verfahren stellt sicher, dass die Aussagen keine Gefälligkeitsaussagen sind, sondern das tatsächliche Kaufverhalten widerspiegeln.

Zehn Prozent mehr Umsatz möglichUntersucht wurden 100 Unternehmen aus 16 verschiedenen Branchen. Und die Ergebnisse zeigen: Ja, Nachhaltigkeit hat tatsächlich einen Einfluss auf den Umsatz. Der Anteil schwankt zwischen 13 Prozent beim Spitzenreiter HiPP und 0,7 Prozent beim Schlusslicht Penny.

Dabei zahlt sich Nachhaltigkeitsmarketing aus. Die vier Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsumsätze im zweistelligen Bereich liegen (HiPP, Frosta, Alete und Iglo) haben ihre Marken entsprechend positioniert und kommunizieren Nachhaltigkeitsthemen massenwirksam.

Interessant ist, dass das Nachhaltigkeitsimage und der damit verbundene Umsatz nicht von der Zugehörigkeit zu einer Branche abhängen. Beispielsweise stehen sowohl der Umsatzführer HiPP als auch Schlusslicht Penny im weitesten Sinne für Lebensmittel.

Ein weiteres Indiz dafür ist, das in den Top 10 des Umsatzrankings vier verschiedene Kategorien vertreten sind: Vor allem Lebensmittel (HiPP, Frosta, Alete, Iglo, Coppenrath & Wiese, Landliebe, Milupa), aber auch Haushaltselektronik (Miele), Automobile (BMW) und Reisedienstleistungen (Alltours).

Telekommunikationsunternehmen und Discounter noch wenig nachhaltigInsgesamt lässt sich allerdings auch beobachten, dass Nachhaltigkeit derzeit für bestimmte Branchen eine größere Rolle spielt als für andere. Da es aber in fast jeder Branche positive Ausreißer nach oben gibt, liegt auch nahe: Es könnte sich für alle lohnen, das Thema zu entwickeln.

Im Bankensektor erzielen Volksbanken und Raiffeisenbanken rund 6,4 Prozent ihres Umsatzes bei privaten Kunden aufgrund ihres guten Nachhaltigkeitsimage, bei der Deutschen Bank sind es nur 2,8 Prozent.

Auf der nächsten Seite: Die Flop 20 der Untersuchung.

Demnach scheint sich der Aufbau eines Nachhaltigkeitsimages zu lohnen, auch wenn es im Moment in einigen Branchen noch bei keinem Unternehmen entwickelt ist. Als Beispiele seien hier die Telekommunikations-Anbieter und Discounter genannt. Alle Unternehmen dieser Branchen befinden sich in den "Flop 11".

Dabei bieten sich gerade diesen Unternehmen große Chancen, sich als Pioniere mit Nachhaltigkeitsthemen gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren. Denn wie in jedem Markt gilt auch bei Nachhaltigkeit: Nachfrage lässt sich nur mit einem kommunikativ wahrnehmbaren und relevanten Angebot generieren. Nur dann kann es zur Kaufentscheidung betragen. In Märkten, wie z. B. in der Automobilindustrie, ist das Thema präsent und insbesondere Premium-Anbieter wissen sich damit zu profilieren.

Sauber werben, schmutzig verkaufen?BMW erwirtschaftet bereits 9,2 Prozent seines Umsatzes über sein Nachhaltigkeitsimage. Es ist damit ein milliardenschwerer Erlöstreiber. Dabei ist es - und das muss sehr deutlich gesagt werden - nicht nur die faktische Nachhaltigkeit des Produktes, die Konsumenten bewegt, sondern das nachhaltige Markenimage.

BMW ist es gelungen, durch seine wahrgenommene Vorreiterrolle in der Elektromobilität, den Ausstieg aus der Formel 1 und anderen kommunikativ wirksamen Maßnahmen, ein hoch umsatzrelevantes Nachhaltigkeitsimage aufzubauen.

Für den zusätzlichen Umsatz sorgen nicht primär die Elektromobile, sondern die konventionellen Fahrzeuge. Und das führt zu einer weiteren belegbaren These: In ausdifferenzierten Märkten, also dort, wo Angebote ähnlich sind, kommt dem Nachhaltigkeitsimage eine wachsende Bedeutung für den Umsatz zu.

Um beim Beispiel Automobil zu bleiben: Wenn ich die Wahl habe zwischen mehreren Fahrzeugen, die sich bei Qualität, Leistung und Preis wenig unterscheiden, wird das Nachhaltigkeitsimage der Marke zunehmend zum wichtigen Wettbewerbsfaktor.

Kritisch könnte man jetzt anmerken, ob hier nicht ein "sophisticated greenwashing" wirkt: Indem man durch Leuchtturm-Projekte sein Nachhaltigkeitsimage ausbaut, unterstützt man auch den Abverkauf nicht nachhaltiger Produkte.

Tatsächlich ist dieser Effekt nicht vermeidbar, denn nachhaltiger Konsum entwickelt sich meistens evolutionär und nicht disruptiv. Leuchtturm-Projekte öffnen sozusagen das Tor zum nachhaltigen Konsum immer weiter, so dass am Ende immer mehr Konsumenten, immer nachhaltigere Produkte kaufen. Die Aufgabe des Marketings ist es, Konsumenten auf diesen Weg zu führen.

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Zum Sustainability Value Score (SVS):



Die Berechnung des SVS basiert auf fundierten statistischen Analyseverfahren, so genannten "Multivariaten Analysen". Die Daten zur Berechnung der Wertschöpfungsanteile von Nachhaltigkeit entstammen der Konsumentenbefragung von Facit Research, die zur Analyse des Sustainability Image Score (SIS) 2015 erhoben wurden. Dazu waren mehr als 8.100 Käufer bzw. Kunden von und zu 104 Unternehmen aus 16 Branchen befragt worden. Die Quantifizierung der finanziellen Wirkung von Nachhaltigkeit basiert auf einer Gegenüberstellung der wahrgenommenen Nachhaltigkeit eines Unternehmens und dem Kaufverhalten aus Konsumentensicht.

Die ausführliche Studie gibt es als Download unter: http://sp-url.com/svs2016

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