Energie aus Vibrationen Bäume können bei Wind Strom erzeugen

US-Forscher behaupten, Bäume hätten die ideale Form, um kinetische Energie aus Vibrationen zu gewinnen.

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Als wir unsere Leser im Herbst nach Klimaideen befragten, bekamen wir auch einige Gedankenspiele zugeschickt. Zum Beispiel von unserem Leser Robert Köcke: "Beim Betrachten der Bäume im Wind kam mir die Idee zum Beitrag am Wettbewerb, den Baum als Stromerzeuger zu nutzen", schrieb er.

Baum als Stromerzeuger? Wer an die berühmte Kartoffelenergie denkt, liegt daneben: Köcke wollte die mechanische Energie, die durch Windbewegungen entsteht, nutzen. Und zwar "mit einem Netz aus Seilen, die vom Boden bis zur Spitze des Baumes reichen."

Diese Seile sollen über Zugfedern mit einer Magnetspule verbunden sein. Die Bewegung der Äste im Wind zieht an den Federn, die wiederum Energie auf die Spule übertragen - und diese erzeugt daraus Strom. "Eine angenehm günstige und sehr leise Form der Stromgewinnung", ergänzt Köcke.

Einige Fragen stellen sich natürlich: Kommt so überhaupt genug Energie zusammen? Ist der Eingriff in die Natur nicht zu groß? Lohnen sich die Kosten im Vergleich zum Aufwand? Forscher der Ohio State University könnten darauf eine Antwort geben, denn sie arbeiten bereits an einem ähnlichen Projekt.

Allerdings haben sie gleich den ganzen Baum künstlich gebaut. Doch das Konzept ist dasselbe: Die einzelnen Teile sind miteinander verbunden; wenn der Wind sie auseinandertreibt und sie sich wieder in ihre Ursprungsposition zurückbewegen, entsteht Energie.

Wegen dieser Funktionsweise würde der Baum übrigens auch auf einer Brücke funktionieren, sind die Forscher überzeugt. Selbst ein Erdbeben könnte so Ökostrom erzeugen. Hintergrund ist die Entdeckung einer neuen Eigenschaft von Vibrationen, welche die Forscher in der aktuellen Ausgabe des "Journal of Sound and Vibration" erstmals beschreiben.

Bäume sind ideal für VibrationenVibrationen, die durch Bäume (oder "baum-förmige Objekte", wie es im Aufsatz heißt) gehen, sind besonders geeignet, um Strom zu erzeugen. Es reicht nicht, um an die Effizienz eines Windrads oder einer Solaranlage heranzureichen, erklärt Projektleiter Ryan Harne. Aber im kleineren Maßstab, wenn Wind und Sonne keine Alternative sind, können solche Energiebäume sinnvoll sein.

Wichtig sind vor allem die Äste – Blätter bräuchte es gar nicht. (Obwohl die Idee, Solarblätter anzubringen, etwas für sich hat.) So ein Baum könnte Sensoren mit Strom versorgen, vielleicht sogar Beleuchtung - der Einsatz auf einer Brücke, für Ampeln und Verkehrszähler, ist also gar nicht abwegig.

"Häuser schwanken durchgehend ein wenig im Wind, Brücken vibrieren, wenn wir darüberfahren und Stoßdämpfer im Auto können Schlaglöcher abfedern", sagt Harne. "Es gibt so viel kinetische Energie, die im Grunde verloren ist. Wir wollen diese zurückholen und wiederverwerten."

Echte Bäume bislang ohne stabile FrequenzDen Traum, kinetische Energie nutzbar zu machen, gibt es schon länger. Auch bei Bäumen. Allerdings standen andere Forschungsprojekte, die versucht haben, kinetische Energie aus dem Wald zu ziehen, immer vor einem Problem: Die zufälligen Schwankungen des Windes sorgen dafür, dass auch die Netzfrequenz zu sehr schwankte, um den Strom praktikabel nutzen zu können.

Erst die Baum-Struktur, die Harne nun anhand seiner neuen Erkenntnisse zur sogenannten "inneren Resonanz" nachbauen will, soll eine stabile Frequenz ermöglichen. Genauere technische Erklärungen stehen auf der Internetseite der Universität.

Tatsächlich konnten die Forscher schließlich eine konstante niedrige Spannung nutzen - und haben damit zumindest grundsätzlich gezeigt, dass zufällige Energien gezielt zur Stromgewinnung genutzt werden können. Und das zuverlässiger als gedacht, egal welche Störungen auftreten, erklärt Harne: „Das war so zuvor nicht bekannt.“

Nur ist ein künstlicher Baum kein echter Baum, kein Teil natürlicher Kreisläufe und kein CO2-Speicher. Auch wenn sie in dieser Form technisch noch nicht umsetzbar ist – die Idee unseres Lesers Robert Köcke mit echten Bäumen hatte da mehr Charme.

Ganz im Sinne eines Zitates des ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, das er uns mitschickte: „Holz ist ein einsilbiges Wort, aber dahinter verbergen sich viele Märchen und Wunder.“

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