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Energie Die Welt dreht der Kohlekraft den Geldhahn zu

Die USA haben es angekündigt, Weltbank und EIB ebenso: Sie wollen keine Kohlekraft mehr fördern, Erneuerbare umso mehr. Bricht das Ende des Kohlezeitalters an?

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Wer sich den Zustand der deutschen Energiewende anschaut, findet zuerst einen Widerspruch: Der Anteil der erneuerbaren Energien erreicht neue Rekorde – und der Strom aus Kohlekraftwerken erfährt einen ungeahnten Boom. Sonnen- und Windstrom haben Vorfahrt im Netz und wenn es viel davon gibt sind die Börsenpreise für Strom so niedrig, dass sich außerdem nur noch Kohlemeiler so wirklich lohnen. Im ersten Halbjahr haben deutsche Braun- und Steinkohlekraftwerke 12,4 Prozent mehr Strom als im Vorjahreszeitraum produziert. 

Denn Kohle ist billig. Der Fracking-Boom in den USA macht die dortigen Gaskraftwerke rentabler, längst braucht das Land weniger Kohle, als es fördert. Im Gegensatz freuen sich Bergwerksbetreiber im kohlereichen Polen, dem Land mit der hartnäckigsten Blockade-Haltung, wenn es um neue Klimaziele auf EU-Ebene geht. Bis 2022 werden alle deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen – und es sieht sehr danach aus, als treibe auch das den Anteil der Kohle an der Stromproduktion.

Der saubere Umbau des deutschen Energiesystems führt zu einem neuen Kohleboom? So war das sicher nicht geplant.

Wenn Deutschland mehr Kohle verstromt, ist das vielleicht hässlich für die deutsche Klimabilanz – weltweit hat es jedoch kaum einen Effekt. Denn den neuen Rekord beim globalen CO2-Ausstoß in 2012 hätte auch Deutschland nicht verhindern können.

Kein Weltbank-Geld für denKohle-BoomDer Energiebedarf steigt, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der Internationalen Energieagentur zufolge könnte er in gut 20 Jahren um ein Drittel höher sein als heute. Bislang hieß steigender Energiehunger auch steigende Emissionen – denn für Kohlekraftwerke gab es erstens gute Argumente (billiger Strom) und zweitens viele Fördergelder von Entwicklungsbanken. 1.196 Kohlekraftwerke sind derzeit weltweit geplant, hat das World Resources Institute ermittelt. 76 Prozent von deren Kapazität entfällt allein auf Indien und China.

Doch der Kohle-Boom könnte sich bald abschwächen – weil die Welt der Kohlekraft gerade den Geldhahn zudreht. Denn die wichtigsten Entwicklungsbanken der Welt erkennen gerade, wie sie mit der Kohle auch das Risiko einer viel rasanteren Erderwärmung subventionieren.

Allen voran die Weltbank, die sich bislang entgegen ihrer selbstgesteckten Ziele nur zögerlich als Klimaschützer hervorgetan hat. Zuletzt hatte die Weltbank 2010 mehrere Milliarden Dollar für ein großes neues Kohlekraftwerk in Südafrika bereitgestellt. Vor zwei Wochen kam dann aber eine wegweisende Ankündigung: Die Bank werde künftig nur noch „in Ausnahmefällen“ neue Kohlekraftwerke fördern.

Es ist vielleicht der entscheidende Umschwung in einem langsamen Wandel. Das UN-Ziel, mittelfristig alle Menschen der Erde mit moderner Energie zu versorgen, so scheinen inzwischen auch die wichtigsten Geldgeber zu denken, geht nur mit Strom aus erneuerbaren Quellen. Zwischen Juni 2011 und Juni 2012 flossen 8,2 Milliarden Dollar der Weltbank in Energie-Investitionen, 3,6 Milliarden davon in erneuerbare Energien. Nach den neuerlichen Entschlüssen dürfte dieser Anteil nun rasch zunehmen.

Vergangene Woche legte dann die Europäische Investitionsbank (EIB) nach: Für Kohlekraftwerke gibt es nur noch Geld, wenn sie maximal 550 Gramm CO2 pro kWh ausstoßen und damit extrem effizient sind. Das schaffen etwa Kohlekraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung oder solche mit einem Biomasse-Anteil. Künftig könnte diese Grenze noch verschärft werden.

Als Erster war ausgerechnet US-Präsident Obama vorgeprescht, als er vor einigen Wochen seine Klimastrategie vorlegte. Der Plan verbietet künftig Subventionen der US-Regierung für internationale Kohlekraftwerke. Einzige Ausnahme sind besonders arme Länder, in denen es keine bezahlbare Alternative zur Kohle gibt. Wenn die Obama-Administration ihre Strategie so umsetzt, wird sich ihre gesamte Finanzierung von Projekten außerhalb der USA weg von fossilen Brennstoffen verschieben.

Kohle verschärft Chinas WasserproblemNeben den schrumpfenden internationalen Finanzhilfen dürften in Zukunft auch Umweltbedenken die Kohlekraft ins abseits rücken. China, weltgrößter Kohleproduzenten der Welt, hat ohnehin ein Problem mit der Atemluft in Städten. Jetzt könnte ein heftiges Wasserproblem hinzukommen.

Bergbau und Kraftwerke machen laut Schätzungen 17 Prozent des gesamten chinesischen Wasserverbrauchs aus – und konzentrieren sich zum großen Teil im trockenen Norden des Landes. Dort lebt rund die Hälfte der Bevölkerung mit nur 20 Prozent der Wasserreserven. Beispiel Shanxi: Auf die Provinz entfallen laut Bloomberg 28 Prozent der chinesischen Kohle-Produktion. Pro Kopf gibt es dort Wasserreserven von 347 Kubikmetern. Das ist weniger als im Nahost-Staat Oman.

Kein Wunder also, dass China bis 2015 mehr als 470 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investieren will.

Vieles spricht für das Ende des Kohlezeitalters. Die Erderwärmung ist das wichtigste Argument, das Institute wie die Weltbank zum Umdenken bewegt. Lokale Probleme wie in China kommen hinzu. Der Energiebedarf in Entwicklungs- und Schwellenländern wächst unaufhaltsam; noch immer warten rund 1,2 Milliarden Menschen auf einen Anschluss ans Stromnetz.

Jetzt haben zumindest die wichtigsten Geldgeber eingesehen, dass man den wachsenden Energiehunger der Welt besser nicht mit Kohlestrom stillen sollte.

Linktipp: Woher kommt die deutsche Kohle - und wie schmutzig ist sie? In diesem Report (PDF) stehen Antworten.

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