Energie durch Schritte Dieser Fußballplatz erzeugt seinen Strom selbst

Flutlichter eines Spielfelds in Nigeria leuchten dank kinetischer Energie. Leider auch für eine zweifelhafte Image-Kampagne.

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Wenn sich elf Freunde auf dem Fußballplatz die Bälle zupassen, ist eine Menge Energie im Spiel. Womöglich überträgt sich die Spannung noch auf den einen oder anderen Zuschauer am Rand des Felds. Aber das war es dann meist auch schon.

In der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos hingegen bringt der Einsatz der Dribbler nun die Flutlichter zum Leuchten.

Unter dem Rasen sind 100 rechteckige Platten ausgelegt, jeweils etwa 45 mal 60 Zentimeter groß. Die Last, die von jedem Fußtritt der Spieler ausgeht, wandeln sie in elektrische Energie um, die in Batterien gespeichert wird. In diese Batterien wird auch der Strom einer nahe gelegenen Solaranlage geleitet. Nach Sonnenuntergang versorgen die Batterien die Scheinwerfer mit Energie.

Was in Afrika eine Premiere ist, wurde allerdings bereits im Herbst 2014 in einem Armenviertel von Rio de Janeiro aufgebaut - eingeweiht von der brasilianischen Fußballlegende Pelé persönlich.

Streitbarer SpotDie Technologie lieferte auch dort das vielfach prämierte Unternehmen Pavegen aus Großbritannien. Die Platten stellen sie aus dem recycelten Gummi ausrangierte Lkw-Reifen her. In Flughäfen, Büroräumen und Schulen haben sie bereits vorgeführt, welches Potenzial in der kinetischen Energie steckt, die Menschen im Alltag erzeugen.

Das Fußballfeld des Teachers College in Lagos hat in dreifacher Hinsicht Symbolcharakter, wobei die Erbauer auf ein Symbol wohl lieber verzichtet hätten - aber der Reihe nach:

Erstens: In den Städten des westafrikanischen Landes haben nur etwa 30 Prozent der Menschen Zugang zu Strom. Außerhalb der Zentren sind es mit 10 Prozent noch weniger. Aber elektrische Energie sei für sie essentiell, sagt der amerikanische Rapper Akon, der das Projekt in Lagos mit vorangetrieben hat: "Ich war eines der Kinder, das damit aufgewachsen ist, Kerosinlampen zum Kochen zu verwenden. Wir haben es getan, weil es das einzige ist, das wir hatten". So formuliert es der in Senegal groß gewordene Musiker in einem Video, das auf dem Fußballfeld gedreht wurde und fügt hinzu: "Es ist schwer, sich in einem Zustand der Dunkelheit zu entwickeln".

Deshalb hat er mit einem Unternehmer aus Mali die Initiative Akon Lighting Africa gegründet. Bereits in 15 Ländern haben sie dafür gesorgt, dass 100.000 Solarlampen die dortigen Straßen beleuchten. Kein Wunder also, dass er auch das Fußballprojekt unterstützt.

Zweitens: Rund 80 Prozent der nigerianischen Energie kommen von fossilen Brennstoffen. Die Ölreserven des Landes sind gigantisch. Nigeria ist der zwölftgrößte Ölexporteur der Welt - und gefährlich abhängig von dem Stoff, der 35 Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts ausmacht. Nicht erst seit den fallenden Ölpreisen wird den Regierenden klar, wie gefährlich eine solche Abhängigkeit sein kann.

Laurence Kemball-Cook, der Gründer von Pavegen, will ein Zeichen setzen, indem er ausgerechnet den Sportplatz einer Hochschule für das Projekt ausgewählt hat. "Wir wollen zehntausende Menschen inspirieren, insbesondere Lehrer, die in den nächsten Jahren vorangehen werden, so dass die nächste Generation afrikanischer Kinder anders über Energie denken wird", sagt er in dem Video, in dem er gemeinsam mit Akon zu sehen ist.

Drittens: Allerdings vollzieht bei der Einweihung des Platzes ein wankender Energieriese einen zweifelhaften PR-Move. Durch den öffentlichkeitswirksamen Einsatz für erneuerbare Energien will sich das niederländische Unternehmen Shell ein grünes Image verleihen. Ein Banner mit dem social-media-tauglichen Slogan #makethefuture prangt im Spot der Einweihung des Platzes.

Dabei hatte das Unternehmen die Zukunft vieler Nigerianer erst einmal gründlich versaut. Im Süden des Landes, im Mündungsdelta des Niger, fördert Shell schon seit vielen Jahren Öl. 2008 war das Unternehmen für eine verheerende Umweltkatastrophe verantwortlich. Die Pipeline war an zwei Stellen geborsten. Das ausströmende Öl zerstörte die Lebensgrundlage von mehr als 15.000 Menschen. Immerhin: Im Januar 2015 wurde Shell gerichtlich zu Schadensersatzzahlungen verdonnert.

Ein Jahr später, ungefähr zeitgleich mit der Einweihung des Spielfelds, streicht die Konzernleitung 10.000 Stellen. Wegen des niedrigen Ölpreises laufen die Geschäfte mies. Unter #makethefuture stellt man sich dann eigentlich doch etwas Anderes vor.

Sehen Sie hier das Video des tollen Projekts, das leider auch Teil einer zweifelhaften Imagekampagne ist:

https://www.youtube.com/watch?v=t4IsTWPdb1o

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