Dass die Zukunft der Windenergie wahrscheinlich auf dem Wasser liegt, ist eine Binsenweisheit. Neu ist, dass sie genau dort liegt, wo das Meer eine Tiefe hat, die herkömmliche Fundamente für Offshore-Windräder nicht mehr überwinden. Es geht um 40 Meter und mehr.
Weltweit ist ein erbittertes Rennen um die beste und kostengünstigste Technik im Gang, mit der sich diese Standorte erschließen lassen.
Tief, tiefer, SchottlandJetzt beteiligt sich auch Schottland daran. Offshore Renewable Energy aus dem schottischen Aberdeen, Spezialist für Meeresenergie aller Art, das ebenfalls schottische Engineeringunternehmen MacAskill und das US-Unternehmen Principle Power wollen bis Ende 2017 fünfzehn Kilometer südöstlich von Aberdeen die Kincardine Offshore Windfarm in Betrieb nehmen.
Eine Umweltverträglichkeitsstudie (hier als PDF) ist schon abgeschlossen, jetzt sollen die weiteren Planungen beginnen. Nach derzeitigem Stand sollen in Wassertiefen von 60 bis 80 Meter acht Windgeneratoren installiert werden, die eine Leistung von jeweils sechs Megawatt oder mehr haben. Es wäre der bisher größte schwimmende Windpark weltweit. Zu den Kosten des Projektes, ist bisher nichts bekannt.
Errichtet werden die Windräder auf so genannten Halbtauchern, die wie Schiffe einen gewissen Tiefgang haben. Sie bestehen aus drei gewaltigen, im Dreieck angeordneten Tonnen. Auf einer davon thront die Mühle. Damit WindFloat, wie Principle Power aus Seattle im US-Bundesstaat Washington seine Entwicklung nennt, nicht ausbüxt, halten ihn Stahlseile fest, die im Meeresboden verankert sind.
Erster Prototyp erfolgreichUm Schwankungen zu verhindern, etwa durch hohe Wellen, wird Ballastwasser zwischen den Tonnen ausgetauscht. Fünf Kilometer vor der Küste von Aguçadoura in Portugal haben die Amerikaner 2011 ihr ersten schwimmendes Fundament versuchsweise installiert, mit Erfolg. Die darauf montierte Windmühle hat mittlerweile mehr als neun Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt.
Die acht WindFloats für Schottland werden an Land gebaut und gleich mit den Windgeneratoren bestückt. Die Fundamente sind für Anlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Megawatt und Rotordurchmesser von 170 Meter ausgelegt. Maße, die heutige Generatoren noch längst nicht erreichen. Schlepper bugsieren die fertig montierten WindFloats zum Standort.
Die Schotten glauben, mit der ausgewählten Technik nicht nur in den tiefen Gewässern des eigenen Landes Chancen zu haben, sondern weltweit. Das wollen andere natürlich nicht zulassen.
Die Edelstahl und Umwelttechnik Stralsund (ESG) etwa baut in den Hallen der insolventen Stralsunder Volkswerft ein schwimmendes Fundament, das von den Grundseilen teilweise unter Wasser gezogen wird. „Die Haltekraft der Seile und der Auftrieb der Schwimmkörper sorgen für eine stabile Lage“, sagt Burkhard Schuldt, der die Entwicklung bei ESG leitet. Ein Umpumpen von Ballast ist bei dieser Konstruktion nicht nötig (wir haben an dieser Stelle über die Entwicklung berichtet).
Pilotprojekt in 150 Meter WassertiefeDen ersten schwimmenden Windgenerator haben Siemens und der norwegische Energiekonzern StatoilHydro vor fünf Jahren vor der norwegischen Küste positioniert. Der untere Teil des Fundaments reicht 150 Meter tief ins Wasser. Dadurch wird es stabilisiert.
Außerdem hat die Europäische Kommission mit FloatGen ein Entwicklungsprogramm für schwimmende Großmühlen aufgelegt, das mit 19 Millionen Euro ausgestattet ist. Daran sind sechs Länder beteiligt, darunter zwei Institutionen in Deutschland. 2015 sollen die ersten Anlagen im Mittelmeer vor der spanischen Küste stationiert werden.
Auch Japan bereitet sich auf die Energieerzeugung auf hoher See mit großen Wassertiefen vor. Der Handelskonzerns Marubeni und der Windgeneratorhersteller Hitachi haben versuchsweise eine schwimmende Zwei-Megawatt-Mühle 20 Kilometer vor der Küste Japans in 120 Meter tiefem Wasser positioniert (wir berichteten an dieser Stelle).
Einen Vorteil sollen alle schwimmenden Mühlen laut ihren Entwicklern haben: Da sie an Land aufgebaut werden können, sollen sie künftig günstiger sein, als ihre feststehenden Pendants auf See, die vor Ort auf dem Wasser aufwendig installiert werden müssen.