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Energieeffizienz "Unternehmen können Milliarden sparen"

Kosteneinsparung und Schlüssel zur Energiewende: Bosch sieht in der Strom- und Wärmeeffizienz riesiges Potenzial.

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Michael Blichmann ist Geschäftsführer der Bosch Energy and Building Solutions GmbH, die 90 Mitarbeiter beschäftigt. Sie helfen Unternehmen beim Energiesparen, indem sie neue, effiziente Technik installieren, die Energieversorgung umstellen oder die Abwärme aus Prozessen wieder für die Produktion nutzbar machen.

Für Blichmann ist die Energieeffizienz eine der wichtigsten Säulen der Energiewende. Denn Industrie Gewerbe verbrauchen den Großteil der Energie in Deutschland - sie allein nutzen mehr als 70 Prozent des Stroms. Im Gespräch mit WiWo-Green erklärt er, wie und wo Unternehmen Energie sparen können und warum sich eine eigene Versorgung lohnt.

Zurzeit wird viel darüber diskutiert, dass sich energieintensive Unternehmen stärker an der Energiewende beteiligen sollen. Etwa mit Energieeffizienzprojekten. Wie viel Effizienz-Potenzial gibt es denn bei den Energieintensiven noch zu heben?

Blichmann: Teile des produzierenden Gewerbes haben vor allem in der Produktion bereits ein beachtliches Effizienzniveau erreicht. Allerdings steckt in den Nebenprozessen wie Wärme, Kälte, Druckluft und Lüftung noch erhebliches Potenzial. In diese Prozesse ist in den vergangenen Jahren wenig investiert worden. Die Effizienzpotenziale in diesem Bereich werden deshalb meist nicht voll ausgeschöpft.

Warum halten sich die Unternehmen mit den Investitionen zurück?

Blichmann: Die meisten Unternehmer investieren in ihre unternehmerischen Kernprozesse statt in die angesprochenen Nebenprozesse. Wir zeigen ihnen auf, dass sich Energiesparen wirklich lohnt und Investitionen meistens innerhalb von zwei bis drei Jahren rechnen. Ein einfaches Beispiel: Wärme, die im Zuge eines Produktionsprozesses entsteht, kann vielleicht noch zur Stromerzeugung oder zur Heizung anderer Gebäude-Bereiche genutzt werden. Die Kosten, um das umzustellen, sind gering.

Wie findet man denn überhaupt die kritischen Stellen, an denen Energie verschwendet wird?

Blichmann: Unser erster Schritt ist eine Feinanalyse, um mit dem Unternehmer die spezifischen Potenziale der Versorgungssituation zu ermitteln. Ein Mitarbeiter von uns macht zum Beispiel eine Fabrikbegehung, stellt den genauen Energieverbrauch fest und erstellt dann ein Effizienzkonzept. Dabei ist es wichtig, nicht nur die „Big Points“ zu identifizieren, die meist mit höheren Investitionskosten verbunden sind, sondern auch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zu benennen und konkrete Lösungen dafür vorzuschlagen.

Wo genau lässt sich in der Regel Energie einsparen?

Blichmann: Im Bereich Lüftung und Klimatisierung sind häufig Optimierungsansätze zu finden, die kurzfristig umsetzbar sind. Gleiches gilt für Druckluft und Wärmeversorgung im Bereich Regelung und Steuerung und dem Wärmetransport. Hohe Einsparpotenziale beziehungsweise Möglichkeiten, die Energieeffizienz wirksam zu erhöhen, ergeben sich also vor allem im technischen Bereich. Das sind alles Sachen, die sich schnell rentieren.

Und die Maßnahmen, die eher auf langfristige Refinanzierung ausgelegt sind?

Blichmann: Die bieten die wirklich großen Potenziale. Hier gibt es Lösungen, die Effizienzsteigerungen im zweistelligen Prozentbereich ermöglichen. Zum Beispiel Maßnahmen zur Abwärmenutzung, Kraft-Wärme-Kopplung oder Umstellung des Endenergieträgers – etwa von Öl auf Biomasse. So hat die Brauerei Rothaus nach unserer Analyse ihre Energieversorgung von Öl auf Holzhackschnitzel umgestellt und spart damit nun enorm viel Geld. Und der Umwelt hilft es auch noch.

Auch die Regierung scheint das Einsparpotenzial in der Industrie erkannt zu haben. Laut dem neuen Stromsteuergesetz sind alle Großunternehmen künftig zum Stromsparen angehalten. Über wie viele Unternehmen sprechen wir hier eigentlich?

Blichmann: Das betrifft vor allem Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder über 50 Millionen Euro Jahresumsatz. Sie erhalten seit 1. Januar 2013 den Stromsteuer-Spitzenausgleich nur noch, wenn sie bis Ende 2013 nachweislich mit der Einführung eines Energiemanagementsystems begonnen haben. Wir schätzen deren Anzahl auf rund 4.500 Unternehmen in Deutschland. Bei den kleineren Stromverbrauchern im Mittelstand sind es noch einmal rund 200.000 Unternehmen, die massiv Energie sparen könnten, aber von dem neuen Gesetz nicht betroffen sind. Insgesamt würde der effizientere Umgang mit Energie den Unternehmen pro Jahr mehrere Milliarden Euro sparen.

Deutschland gilt als Vorreiter bei grüner Technik. Wie sieht es denn bei Ihnen mit den Exporten aus? Wo ziehen die Märkte besonders stark an?

Blichmann: Bosch Energy and Building Solutions ist ein Anbieter von Dienstleistungen und Systemlösungen, die man nicht so ohne weiteres exportieren kann. Interessante Märkte sind die großen europäischen Volkswirtschaften, die BRIC-Staaten, Nord-Amerika, aber auch Japan und Korea. Überall dort sehen wir Trends, die Energieeffizienz auf Abnehmerseite zu erhöhen – manchmal weniger vor dem Hintergrund der Klimadebatte, eher mit dem Ziel Kosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Man hört immer öfter, dass Unternehmen auf eine eigene Stromversorgung setzen. Ist das ein größerer Trend, den auch Sie bemerken?

Blichmann: Ja, und wir freuen uns darauf, diese Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre eigene Energiewende zu vollziehen. Das gilt im Übrigen nicht nur für Unternehmen. Auch Städte und Gemeinden sowie Privatverbraucher in einer Region schließen sich in Genossenschaften zusammen und setzen mehr und mehr auf eigene und damit dezentrale Energieerzeugung. Meistens mit kleinen Blockheizkraftwerken (BHKW), die mit Gas betrieben werden. Ein Aspekt ist hierbei, dass der Wärme- und der Strommarkt immer stärker zusammenrücken und die dezentrale Erzeugung unter dem Gesichtspunkt eines ganzheitlichen Konzepts stattfindet. Damit hat man einen höheren Gesamtnutzungsgrad im Vergleich zu einer Trennung von Wärme und Strom, wie es bei der derzeitigen Energieversorgung durch große zentrale Kraftwerke sehr häufig der Fall ist.

Warum rentiert sich die Eigenstromversorgung für die Unternehmen oder Gemeinden – und wie sieht die Ökobilanz der eigenen Stromversorgung aus?

Blichmann: Das lässt sich so pauschal nur schwer beantworten. Grundsätzlich hat die Eigenversorgung mit Wärme und Strom mehrere Ziele. Da sind einmal wirtschaftliche Aspekte wie die vermiedene Nutzung des Stromnetzes und Erneuerbare-Energien-Umlage und weitere Einsparungen zum Beispiel aufgrund von Wärmerückgewinnung. Eigene BHKWs rentieren sich vor allem dann, wenn ein günstiger Brennstoffpreis einer hohen Nutzung durch vermiedene Stromkosten gegenübersteht. Ein Ziel kann aber auch sein, den CO2-Footprint zu verringern sowie die Unabhängigkeit von den Energieversorgen.

Von welchen Technologien und Entwicklungen erwarten Sie in Zukunft deutliche Fortschritte beim Thema Energieeffizienz?

Blichmann: Das Internet der Dinge und Dienste spielt auch im Bereich Energieeffizienz eine immer größere Rolle. Durch die Vernetzung werden in den kommenden Jahren mehr Lösungen und Dienstleistungen rund um die effiziente Nutzung von Energie entstehen – Fabriken werden so zu Smart Factories. Um diese Entwicklung zu beschleunigen, brauchen wir dynamische Tarife für Strom, wie es sie in den USA schon gibt: Sie richten sich nach der Nachfrage. Zu Spitzenzeiten ist der Strompreis höher– nachts dagegen preiswerter. Die Energiewirtschaft kann so Nachfragespitzen ausgleichen. Dieses Tarifmodell kann man auch hier nutzen, denn heute ist es möglich, den aktuellen Strom-, Wärme- oder Kältebedarf in einem Gebäude sehr genau zu ermitteln und zu steuern.

Im privaten Hausbau haben wir Passivhäuser und sogar Häuser, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Sind in Zukunft energieautarke Fabriken denkbar?

Blichmann: Das ist auf jeden Fall denkbar. Es gibt zunehmend Standorte und Unternehmen mit einer CO2-freien Fertigung (Stichwort: Zero Carbon Production) oder einer Versorgung aus 100% regenerativen Energien. Bereits heute haben sich das große und kleinere Unternehmen zum Ziel gesetzt. Zum Beispiel für Strom oder für Wärme, oder für ein bestimmtes Produkt, welchem ein niedriger „carbon footprint“ als Vermarktungsargument hilft. Das funktioniert bei konsequenter Nutzung aller kleinen und großen Optionen für Einsparungen und regenerative Erzeugung schon sehr gut.

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