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Energiewende Ein Kölner Startup macht jeden zum Investor

Bei Green Crowding kann sich jeder an Energiewende-Projekten beteiligen – auch mit wenig Geld.

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Bevor Sissy Müller ihren Job aufgab und sich ganz der Energiewende verschrieb, wollte sie sicher sein. Sie wusste, wie Märkte funktionieren, sie kannte die deutsche Energiewirtschaft und ihre Geschäftsmodelle. Doch um ihr eigenes zu entwickeln, suchte sie sich Hilfe. Auf ihre Idee folgten 16 Wochen Gründercoaching, immer nach der Arbeit, erst dann kündigte sie im Sommer 2012 beim französischen Energieversorger GDF Suez.

Dort war sie Portfolio-Managerin für deutsche Kunden. Sie verkaufte alles, was es in der Energiewirtschaft zu verkaufen gibt: Gas, Öl, Strom, Kohle, CO2-Zertifikate. Und sie half ihren Kunden beim optimierten Einkauf, damit die möglichst niedrige Preise für ihr Gas bezahlen. Nach einem Besuch von Müller wussten die Geschäftsführer deutscher Stadtwerke, wie sie ihren Stromeinkauf so takten, dass sie am Ende weniger bezahlen.

Dabei sah sie täglich, wie die Energiewende Deutschland verändert – und wie sie gerade ins Stocken gerät. Denn obwohl kaum eine Investition so planbar ist wie Erneuerbare-Energie-Projekte mit garantierter Verzinsung, klafft gerade bei kleinen Vorhaben eine große Finanzierungslücke. Während große, mehrere Millionen Euro teure Windparks Sonderkonditionen bei Banken erhalten, sind ein paar Solarmodule auf dem Dach einer Schule den Banken kaum einen genaueren Blick wert. Wenn man überhaupt Kredite dafür bekommt, dann im Pool mit anderen Projekten und oft zu miserablen Zinsen. Ein weiteres Problem: Investitionsbereite Bürger und Projekte auf der Suche nach Geld finden oft nicht zueinander.

Mit Mausklicks gegen die Finanzierungslücke

Sissy Müller hat darauf eine Antwort gefunden. Sie heißt „Green Crowding“ und folgt dem Prinzip des Crowd-Investing: Auf der Webseite des jungen Kölner Unternehmens kann sich jeder mit ein paar Mausklicks an Projekten zur Erzeugung erneuerbarer Energien beteiligen. Meistens funktioniert das als Darlehen, sodass der Bürger einfach zum Gläubiger wird. Nach ein paar Jahren fließt sein Geld verzinst zurück. So brauchen Projekte weniger oder überhaupt kein Geld von Banken – und viele, die sonst nicht realisiert worden wären, bekommen genügend Geldgeber.

Denkbar sind die Vorhaben kleinerer Stadtwerke, Energiegenossenschaften und Bürgerwindparks, die noch Mitglieder und Geldgeber suchen, oder einfach die kleine Solaranlage auf einer Kölner Schule. Die macht den Anfang: In Schritten von 642 Euro kann sich jeder eines der 91 PV-Module sichern, die auf dem Dach der Käthe-Kollwitz-Schule in Köln-Brück installiert werden sollen. Das Geld ist nach 13 Jahren wieder drin, fünf weitere Jahre bleiben dann, um Geld zu verdienen.

Täglich neue AnfragenDamit nichts schief geht, schauen sich Müller und ihre Kollegen jedes geplante Projekt vorher genau an. „Alles, was auf unserer Seite landet, ist garantiert gut geplant“, sagt Müller. Die Fragen, die das Team an ein Projekt stellt: Ist der Wirtschaftsplan realistisch? Sind es die Sonnenverhältnisse, die geschätzte Menge an eingespeistem Strom? Stimmen die Versicherungen, ist die Projektgesellschaft erfahren und verlässlich? Diese Fragen beantwortet Müller, bevor der erste Euro fließen kann.

„Wir wollen erreichen, dass Geldgeber und Finanzierungsbedarf zueinanderfinden“, sagt die Gründerin, „und dass jeder Bürger an der Energiewende verdienen kann.“ Denn bislang gehörten die Profiteure der Einspeisevergütung überwiegend zu einer kleinen, glücklichen Minderheit: Einfamilienhausbesitzer, Landwirte, Projektgesellschaften, sogar amerikanische Hedge-Fonds. Green Crowding will diesen Kreis erweitern. Das sei enorm wichtig für die Akzeptanz der Energiewende, glaubt Müller.

Die Kölner Schule wird nicht lange das einzige Projekt auf der Seite bleiben. Mehr als 40 Anfragen hat Müller schon auf ihrem Schreibtisch, beinahe täglich werden es mehr. Die muss sie erst einmal prüfen. Denn es ist wie mit ihrer Kündigung: Bevor jemand investieren darf, will sie absolut sicher sein.

Video-Tipp: Sissy Müller stellte ihr Konzept auf der EU Sustainable Energy Week in Brüssel vor und stieß auf reges Interesse. Denn nicht nur in Deutschland fragen sich viele, woher das Geld für den Ausbau erneuerbarer Energien kommen soll.

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