Sigmar Gabriel, Wirtschafts- und Energieminister der SPD, zeigt die Muskeln. Jedenfalls in Richtung Brüssel - und in Richtung einiger Unternehmen. Das Thema: Die Rabatte, die deutsche Unternehmen auf die Zahlungen für die Energiewende (EEG-Umlage) erhalten. Der EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia hatte deshalb vor kurzem ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Sein Vorwurf: Die Rabatte würden deutsche Unternehmen im Wettbewerb mit ihren europäischen Konkurrenten begünstigen und sollten deshalb verringert oder ganz abgeschafft werden.
Das Wirtschaftsministerium weist laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung jetzt die Auffassung zurück, dass die sogenannte Ausgleichsregelung für stromintensive Unternehmen eine unzulässige Beihilfe ist. Sigmar Gabiel will dafür kämpfen, das zumindest Teile der Rabatte erhalten bleiben. Die Aussichten dafür stehen gar nicht schlecht.
Seinen Plänen zufolge, über die der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, sollen die Ausnahmen künftig nur noch Unternehmen in 15 energieintensiven Branchen zu Gute kommen. Unter anderem in der Stahl-, Chemie- und Papierindustrie. Aber auch diese Branchen sollen sich stärker als bisher an den Kosten der Energiewende beteiligen. Aktuell profitieren mehr als 2500 Unternehmen in Deutschland von den Rabatten, 2005 waren es noch knapp 300. Bald schon soll die Zahl wieder sinken.
Gabriel taktiert in Richtung BrüsselDie Maßnahme soll laut Berechnungen von Gabriels Ministerium die EEG-Umlage für alle Verbraucher um rund 20 Prozent auf fünf Cent pro Kilowattstunde senken. Einen Durchschnittshaushalt mit 2000 Kilowattstunden Stromverbrauch im Jahr würde das eine Ersparnis von rund 26 Euro bringen. Auch kleine und mittlere Unternehmen, die die Umlage bisher voll zahlen müssen, würden profitieren.
Auch den EU-Bürokraten dürften die Pläne gefallen, denn die genannten Industrien erfüllen laut Brüssel die Kriterien für eine Vorzugsbehandlung.
Interessant an der Sache: Heute hat der Berliner Think-Tank Agora Energiewende eine Studie veröffentlicht, die direkt aus Gabriels Ministerium kommen könnte - oder die Grundlage für Gabriels Vorschläge gewesen ist. Immerhin war Gabriels oberster Energiewendeplaner Rainer Baake bis vor kurzem Chef von Agora.
Die Studie selbst wurde vom Berliner Öko-Institut durchgeführt. Auch dessen Energieexperte Felix Matthes wurde von Rainer Baake für eine Reform des EEG konsultiert.
Vor allem spannend an der Studie sind folgende Aussagen:
1. Auch begünstigte Unternehmen sollen sich künftig an der Finanzierung der Energiewende beteiligen. Für sie sei eine EEG-Umlage von 0,005 bis 0,006 Euro pro Kilowattstunde zumutbar. Der Hintergrund: Die Großverbraucher profitieren aktuell von den gesunkenen Preisen an der Strombörse und könnten deshalb etwas mehr an Abgaben bezahlen.
2. Außerdem soll auch selbst erzeugter Strom künftig nicht mehr automatisch von Abgaben befreit sein. Er soll lediglich einen Nachlass von 3,5 Cent auf die EEG-Umlage erhalten.
3. Agora Energiewende rechnet damit, dass diese Maßnahmen die von Abgaben befreite Strommenge von aktuell 160 Terawattstunden um rund 30 Prozent auf etwa 113 Terawattstunden jährlich reduzieren.
Man kann von Gabriels Plänen für die Energiewendereform halten was man will. Was erfreulich ist: Endlich scheint die Planung für die Energiewende in die Hand von Experten gegeben worden zu sein, die sich seit Jahren mit der Materie beschäftigen. Der Dilettantismus der Schwarz-Gelben Koalition in Energiefragen scheint damit zu Ende.
Jetzt kann man nur noch hoffen, dass der Energieminister hart bleibt und sich nicht von Lobbyisten von seinem Kurs abbringen lässt. Denn eins ist klar: Die Energiewende braucht einen Kursschwenk. Und an dem müssen sich alle beteiligen, Unternehmen und Ökostromerzeuger.