Erdgas-Alternative Leipziger Unternehmen macht Stroh zu Biomethan

Verbio speist Biomethan aus Stroh statt Nahrungsmitteln ins Gasnetz ein - und vermeidet so den Teller-oder-Tank-Konflikt.

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Die Diskussion um Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen lässt sich meistens auf eine plakative Frage reduzieren: Teller oder Tank? Für das Leipziger Unternehmen Verbio, das Biokraftstoffe aus Essbarem wie Getreide und Rapsöl herstellt, ist dieser Konflikt künftig weniger beunruhigend.

In seinen Biogasanlagen in Zörbig in Sachsen-Anhalt und im brandenburgischen Schwedt vergärt das Unternehmen Stroh – und speist das im Produktgas enthaltene synthetische Methan ins Erdgasnetz ein. Die Reste aus der Vergärung durch sorgsam ausgesuchte Mikroorganismen verkauft es als hochwertigen Dünger. Das Verfahren haben die Verbio-Ingenieure selbst entwickelt und dafür zahlreiche Preise gewonnen. Über Einzelheiten schweigen sie, um sich vor Konkurrenten zu schützen.

Vor wenigen Tagen hat das Unternehmen einen spektakulären Vertrag abgeschlossen: Mit bis zu 22,3 Millionen Euro vergütet die Europäische Union die Einspeisung von Biomethan, das Verbio aus Stroh gewinnt. Pro Kilowattstunde gibt es einen festen Vergütungssatz, ganz ähnlich dem Fördermechanismus für Strom aus erneuerbaren Quellen nach dem deutschen EEG. In der zweiten Jahreshälft soll das erste Stroh-Gas fließen.

Bis 2030 könnten laut Prognosen der Deutschen Energie-Agentur mehr als zehn Prozent des deutschen Gases aus Biomasse stammen. Das relativ junge Verfahren gilt auch als politisches Instrument, um Deutschland unabhängiger von Erdgasimporten zu machen – allerdings hängt das stark von der Entwicklung der Erdgaspreise ab. Denn Biomethan ist noch mindestens doppelt so teuer wie Gas aus Russland oder Norwegen.

Großes Potenzial: Zehn Millionen Tonnen StrohBisher setzt das Unternehmen in seinen Anlagen Schlempe ein. Das ist ein flüssiger Rückstand aus Bioethanol-Anlagen zur Herstellung von Alkohol. Sie wird ganz klassisch mit Roggen angereichert. Dessen Qualität reiche nicht einmal aus, um ihn an Vieh zu verfüttern, betont das Unternehmen. Bio-Alkohol wird dem Treibstoff E10 beigemischt.

Außer Stroh und Schlempe schlucken die beiden Biogasanlagen noch Mist, Gülle und Abfälle aus der Lebensmittelproduktion. Die derzeitige Kapazität der beiden Anlagen liegt bei 48 Millionen Kubikmetern pro Jahr. Tatsächlich produziert wurden im vergangenen Geschäftsjahr 33 Millionen Kubikmeter – das entspricht dem Heizbedarf von mehr als 7.000 mittleren, gut gedämmten Einfamilienhäusern.

Pro Standort werden 20.000 Tonnen Stroh verbraucht. „Deutschland könnte theoretisch bis zu zehn Millionen Tonnen des jährlich anfallenden Strohs für die Energieerzeugung nutzen, ohne die Bodenfruchtbarkeit einzuschränken“, sagt Andreas Schütte, Geschäftsführer der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, die das Stroh-Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft betreut.

Das würde die derzeitige Biomethanproduktion um den Faktor 250 erhöhen. Die Gesamtmenge reichte für die Versorgung von drei Millionen Erdgas-Pkw. Die Kohlendioxid-Emissionen würden dadurch um 90 Prozent reduziert.

Die Kapazität der Anlagen in Zörbig und Schwedt werden im Laufe des Jahres je um die Hälfte beziehungsweise das Doppelte erhöht. In den vergangenen vier Jahren hat Verbio 105 Millionen Euro investiert. Wie teuer das hergestellte Biomethan wirklich ist, verrät Verbio lieber nicht.

Es spricht lediglich von Marktpreisen: Die liegen bei Erdgas bei zwischen zwei und drei Cent und bei Biogas bei mehr als sechs Cent pro Kilowattstunde. Ohne die EU-Förderung wäre für Biomethan im Gasnetz also noch kaum konkurrenzfähig.

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