Die Ziele der UN-Initiative „Sustainable Energy 4 All“, was zu Deutsch so viel wie eneuerbare Energien für alle bedeutet, haben es in sich: Bis 2030 sollen weltweit alle Menschen Zugang zu modernen Energiequellen haben, die Welt soll doppelt so energieeffizient wirtschaften wie heute, und der Anteil der erneuerbaren Energien am weltweiten Energiemix soll sich verdoppeln. Derzeit liegt deren Anteil bei 18 Prozent - und geht der Ausbau so weiter wie bisher, steigt er bis 2023 gerade mal auf 21 Prozent.
Das geht aus dem neuen mit „REmap 2030“ betitelten Report der Internationalen Erneuerbare-Energien-Agentur (IRENA) hervor. Der Tenor der Ökoenergiexperten: Wenn wir so weitermachen wie bisher, hat sich das Erneuerbaren-Ziel der UN erledigt.
Doch mit den heute verfügbaren Technologien, so heißt es in der Studie, wäre es durchaus erreichbar. Bis 2030 könnten 26 der wichtigsten Staaten der Erde ihre absolute Energiemenge aus Wind, Sonne und Biomasse problemlos vervierfachen. Dann hätten erneuerbare Energiequellen sogar bis zu 36 Prozent Anteil am Endenergieverbrauch.
Um das zu erreichen, fallen der IRENA zufolge nicht einmal unbedingt zusätzliche Kosten an. „Wenn man den Klimaschutz, die Auswirkungen auf die Gesundheit und die entstehenden Arbeitsplätze mit einbezieht, rechnet sich die Wende von allein“, sagt IRENA-Direktor Adnan Z. Amin.
Schönheitsfehler BiomasseEinfach wird der Umbau aber keinesfalls, denn die aktuellen 18 Prozent Anteil der Erneuerbaren haben noch einen Schönheitsfehler: Biomasse mache heute drei Viertel der Energie aus erneuerbaren Quellen aus, schreiben die IRENA-Experten. Doch nicht alle Biomasse-Energie sei nachhaltig – die „traditionelle Biomasse“, beispielsweise Holz, Holzkohle und Dung, sei wenig effizient und verursache Umwelt- und Klimaschäden.
In dem Irena-Szenario soll deshalb der Anteil der traditionellen Biomasse sinken und der Anteil der modernen Erneuerbaren (Wind und Sonne) um das Dreifache steigen.
Die IRENA will ihren Report als Fahrplan verstanden wissen. Der Anteil der erneuerbaren Energien müsse in allen vier Sektoren wachsen, in die die Agentur den Energieverbrauch einteilt: im Gebäudebereich, dem Verkehrssektor, der Industrie und der Stromerzeugung.
Fünf Politikempfehlungen haben die Autoren des Reports herausgearbeitet, an denen sich auch die aktuelle Bundesregierung ein Beispiel nehmen könnte:
1. Regierungen sollten nationale Ziele definieren und die Planungsprozesse bis auf regionaler Ebene durchsetzen
2. Ein Geschäftsumfeld schaffen: Die Zielvorgaben sollten langfristige Planungssicherheit für Unternehmen in allen Sektoren schaffen, das Investitionsrisiko sollte gering gehalten werden
3. Das Wissen über Technologien und deren Kosten sollte geteilt werden
4. Die Infrastruktur muss angepasst werden, insbesondere die Stromnetze
5. Staaten sollten angemessene Subventionsprogramme für moderne Energiequellen auflegen, je nach Entwicklungsstand und Perspektive der Technologien
Erneuerbare drängen fossile Energieträger aus dem MarktLaut dem REmap-Szenario wird der Anteil der erneuerbaren Energiequellen sektorenweise unterschiedlich schnell wachsen. 40 Prozent des globalen Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen entfielen dann auf den Stromsektor, während sich die anderen Sektoren die übrigen 60 Prozent teilen.
Die Wachstumsaussichten einiger Technologien sind dem Report nach sehr gut, wenn alle Empfehlungen umgesetzt werden. Eine Auswahl der Prognosen von 2012 bis 2030:
- Wasserkraft wächst um 60 Prozent von 1000 Gigawatt (GW) auf 1.600 GW
- Windenergie verfünffacht sich von 280 GW auf 1640 GW
- Photovoltaik wächst um das Zwölffache von 100 GW auf 1250 GW
- Die Kapazität an Solarthermie boomt ähnlich und wäre im Jahr 2030 zehnmal so groß wie derzeit
Der wachsende Einfluss erneuerbarer Quellen ginge zu Lasten fossiler Energieträger. Vor allem die klimaschädliche Steinkohle würde im Bereich der Primärenergie zurückgedrängt, wie diese Grafik zeigt (zum Vergrößern klicken):
Grundlage der IRENA-Analyse waren 26 Staaten, die zusammen fast drei Viertel des weltweiten Energieverbrauchs ausmachen. Allein sechs dieser Länder (China, Indien, Brasilien, Russland, Indonesien und die USA) machten rund die Hälfte des weltweiten Potenzials der REmap-Optionen aus, schreiben die Autoren.
Das Besondere: Das Szenario beruht nicht auf Rechnungen jenseits der Realität, sondern auf konkreten Zahlen und Potenzialen, die die Länder selbst an die Agentur gemeldet haben. Zu schaffen ist die Verdoppelung der Erneuerbaren bis 2030 also - ob das die Länder auch wollen, ist eine andere Frage.