Ethletic Vom fairen Start-up zur ambitionierten Sportmarke

Das Lübecker Unternehmen Ethletic ist zu einem der wichtigsten deutschen Label für grüne Mode geworden.

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Die Bedingungen, unter denen unsere Kleidung hergestellt wird, sind nicht immer ökologisch oder fair: Kinderarbeit, der Einsatz von Pestiziden und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen geraten immer wieder in die Schlagzeilen.

Würde der Kunde das beim Kauf mitbekommen, hätte die Industrie vielleicht eine ganz andere Umstellung in Angriff genommen. So zumindest ging es James Lloyd und Martin Kunz. In Pakistan bekamen sie mit, wie Fußbälle von Hand gefertigt wurden. Von Kindern. Aus Kautschuk, der aus Monokulturen und unter Einsatz von Pestiziden gewonnen wurde - eine Belastung für Luft, Böden und nicht zuletzt das Grundwasser.

Der Engländer und der Deutsche waren sich sofort einig, dass das auch anders gehen muss und setzten sich in den Kopf, die weltweit ersten fair produzierten Fußbälle auf den Markt zu bringen. Das war 2004. Sie gründeten das Unternehmen Ethletic und zertifizierten als erstes Unternehmen der Welt Kautschuk aus Sri Lanka durch den Forest Stewardship Council für nachhaltige Forstwirtschaft. Die Geschichte zur Fußball-WM auch durch die Medien.

Die positiven Berichte halfen, über die Startschwierigkeiten hinwegzuhelfen, denn die Plantagenbesitzer ließen sich gar nicht so einfach überzeugen. Lloyd und Kunz schafften es, unter anderem mit einer ausgeklügelten Prämie: Fünfzehn Prozent des Einkaufspreises fließen an eine Einrichtung des Unternehmens – "die Frauen und Männer entscheiden bis heute eigenverantwortlich, für welche Projekte sie das Geld einsetzen", erklärt Geschäftsführer Marc Solterbeck.

Manchmal werden die Gelder für die Schulbildung ihrer Kinder verwendet, manchmal für die Rente, die Gesundheitsvorsorge oder für Mikrokredite. "Dies ist eines der sinnvollsten Engagements von Ethletic", so Solterbeck.

Wechsel zu SchuhenVon den Fußbällen weg hat sich das Lübecker Unternehmen inzwischen vor allem auf Sportschuhe spezialisiert. Gummisohle, Stoff - nichts davon wurde bisher nachhaltig produziert. Es war der pakistanische Produktionsleiter, der dieses neue Geschäftsfeld entdeckte und sich sofort an die Arbeit machte. Das Ergebnis: "Der weltweit erste Sneaker am Markt, der mit dem Fairtrade-Gütesiegel für fair gehandelte Biobaumwolle ausgezeichnet wurde", sagt Solterbeck nicht ohne Stolz.

Regelmäßig reist der Geschäftsführer nun zu den Produktionsstätten nach Sri Lanka, Indien, wo die Biobaumwolle angebaut wird, und nach Pakistan, wo die Treter hergestellt werden. Um ein Auge auf die Qualität zu haben, die Mitarbeiter zu schulen und vor allem um die verschiedenen Verknüpfungen der Lieferkette im Blick zu behalten - Fairness und Nachhaltigkeit sind schließlich die wichtigsten Verkaufsargumente.

Eine Idee, die andere Visionäre in den Bann gezogen hat. Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel lässt zusammen mit Ethletic "Karma Chakhs" produzieren. 2014 entwarf der Berliner Künstler Kay Wright 2014 eine limitierte Modekollektion für Ethletic: die "Ethical Couture" aus 100 Prozent Fairtrade-Biobaumwolle. Im selben Jahr reiste Sänger Ole Feddersen mit dem Ethletic-Team zu den Kleinbauern nach Indien und verarbeitete seine Eindrücke in dem Song "Have a Good Feeling".

Bio ist nicht gleich bioFür Solterbeck ist Bio-Baumwolle aber noch längst nicht gleich bio: Für ihn gehört nicht nur der Verzicht auf chemischen Dünger, genmanipulierte Saat und Pestizide dazu. Sie muss auch nachhaltig bewirtschaftet werden. "Das bedeutet eine lokal angepasste Komposition der Nutzung von vorhandenen und nachwachsenden Ressourcen", erklärt der ehemalige Ingenieur. Wichtig seien zudem Mischkulturen und ein vorsorgender Einsatz von Schädlingsbekämpfung. Und die Materialien sollen nicht nur bio, sondern auch fair sein - hier hilft eine Organisation aus Bonn.

Die Bio-Baumwolle für die Ethletic-Sneaker stammt aus FLO-zertifizierten Kleinbauernplantagen aus Indien. FLO steht dabei für Fairtrade Labelling Organizations International, eine internationale Organisation mit Sitz in Bonn.Sie entwickelt die Standards des fairen Handels und begleitet Produzentenkooperativen und Kleinbauen darin, die Anforderungen des fairen Handels zu erfüllen.

Die Bauern in der Region  im Südosten Indiens haben eine Gemeinschaft mit dem Namen "Chetna Organic" gegründet, der sich inzwischen 15.000 Bauern angeschlossen haben. Sie bebauen etwa 30 bis 40 Prozent ihres durchschnittlich zwei Hektar großen Landes mit Bio-Baumwolle. Der Rest der Flächen wird mit Bohnen, Nüssen oder Zitrusfrüchten für den Eigenbedarf bebaut, so dass keine Monokulturen entstehen.

Solterbeck: „Der Einsatz von Pestiziden ist unter den Bauern verpönt, weil sie verstanden haben, dass der Einsatz von Dünger oder genmanipuliertem Saatgut sie nicht nur in finanzielle Abhängigkeiten bringt, sondern auch mittelfristig ihrer Existenzgrundlage beraubt, weil dem Boden wertvolle Nährstoffe entzogen werden.“

"Mafiöse" Saatguthändler

Für die Kleinbauern sei dies keine Modeerscheinung, sondern ein Selbstverständnis, den Grund und Boden in gutem Zustand an die nächste Generation weiterzugeben. Bisher, so der Geschäftsführer, seien sie von den Zwischenhändlern abhängig gewesen, die genmanipuliertes Saatgut mit dem dafür notwendigen Dünger verkauften. Das, so Solterbeck, seien fast mafiöse Strukturen. Die Bauern hätten sich nicht selten hoch verschulden.

Die Sohlen der Schuhe bestehen aus ökologisch angebautem Naturkautschuk und tragen das Logo des Forest Stewardship Councils (FSC). Die verwendeten Stoffe, Sohlenkerne und Schnürsenkel bestehen aus fair gehandelter Bio-Baumwolle, die nach den FLO-Richtlinien angebaut werden. Darüber hinaus werden bei der Herstellung der Ethletic Schuhe weder Leder, tierische Öle & Fette noch künstliche Kleb- & Farbstoffe verwendet – die Schuhe sind somit auch noch 100 Prozent vegan.

Bisher werden die Sneaker vor allem online vermarktet. In der Schweiz, Holland und in Schweden hat Ethletic Distributionspartner. Dabei soll es nicht bleiben. Der internationale Handel wird jetzt flächendeckend ausgebaut. Zudem sollen in Deutschland auch von kleineren Händlern die Öko-Schuhen vermarktet werden. Die übrigens nicht teurer als vergleichbare Schuhe sein sollen. Solterbeck will keinen Bio-Aufschlag, er will aus seinem Unternehmen eine wettbewerbsfähige Sportmarke machen. Und natürlich hilft die nachhaltige Ausrichtung: "Nachhaltigkeit ist ein Trend."

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