Exxon im Faktencheck Wie gefährlich Fracking wirklich ist

Das US-Unternehmen ExxonMobil will in Deutschland Schiefergas fördern. Und startet weltweit eine Transparenzoffensive. Doch wie ehrlich ist sie?

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Die Debatte um Fracking nimmt in Deutschland zunehmend an Fahrt auf. Das ist kein Wunder, erarbeitet doch derzeit die Bundesregierung ein neues Gesetz, um die Förderung von Schiefergas in rechtliche Bahnen zu lenken. Am wahrscheinlichsten ist dabei, dass das Verfahren zu Forschungszwecken erlaubt wird, wenn Wasser nicht gefährdet ist und keine giftigen Chemikalien zum Einsatz kommen. Zudem darf wohl nur in Tiefen von mehr als 3000 Metern gefrackt werden.

Ob das wirklich genügt, um die Umwelt und die Bürger zu schützen und wie gefährlich das Fracking wirklich ist, darüber streiten Experten und Journalisten derzeit.

Der US-Konzern ExxonMobil, der über sein Tochterunternehmen XTO Energy in den USA einer der größten Player im Bereich der Schieferenergie ist, trommelt derweil auch in Deutschland für das Verfahren. Kürzlich schaltete das Unternehmen in deutschen Zeitungen große Anzeigen, die versprachen, das Verfahren sei harmlos. ExxonMobil-Deutschlandchef Gernot Kalkoffen hätte nach seiner Aussage auch nichts dagegen, würde in seinem Garten gefrackt. Seine Ingenieure tranken die Frackflüssigkeit auch schon vor laufenden Kameras.

ExxonMobil investiert auch seit längerem viel Zeit (und wohl auch Geld) in einen Bürgerdialog in Deutschland und Expertenstudien. Der Hintergrund für das Engagement ist einfach: Da die deutschen Erdgasvorräte langsam aber sicher zur Neige gehen, hätten die Unternehmen in spätestens 15 Jahren hierzulande nichts mehr zu tun. Immerhin rund zehn Prozent seines Erdgasverbrauchs deckt Deutschland derzeit noch aus den heimischen Quellen. Fracking ist also so etwas wie die Zukunftsversicherung für die Konzerne.

Auch in den USA versucht sich der sonst eher verschlossene Konzern derzeit an einer Transparenzoffensive und hat Ende September ein Papier veröffentlicht (hier als PDF), das darüber aufklären soll, wie sich die "Risiken des Frackings managen lassen". Doch ebenso wie in Deutschland betont der Konzern eher die positiven Auswirkungen des Verfahrens, vor allem die wirtschaftlichen. Aber auch bei den Umweltauswirkungen gibt sich ExxonMobil in der Publikation zuversichtlich, dass alles in bester Ordnung sei. Grund genug für einen Faktencheck.

Thema Wasserverschmutzung

Hier schreiben die Amerikaner: "Bisher gab es keine Fälle von Wasserverunreinigungen" durch Fracking. Verwiesen wird dabei auf eine Studie des US-Energieministeriums. Dumm nur, dass vor einigen Wochen eine Studie tatsächlich Verunreinigungen in Folge der Schiefergasförderung fand. Die Ursache waren aber wohl fehlerhafte Bohrungen und nicht Wasser, das durch Risse (Fracs) aus den Tiefen nach oben stieg. Das bedeutet aber auch, dass sich die Fehler abstellen lassen. Die großen Unternehmen verweisen zudem darauf, dass die Fehler meist bei kleinen unerfahrenen Unternehmen passierten, nicht bei ihnen. Ob das tatsächlich stimmt, lässt sich nicht überprüfen, da die Forscher von der Duke Universität, die die Verunreinigungen fanden, nicht öffentlich sagen, wer die Förderrechte an den getesteten Orten besitzt.

Ein weiteres Problem: Bisher werden in den USA kaum Wasserproben vor dem Fracking genommen. Spätere Verunreinigungen lassen sich also nicht zweifelsfrei nachweisen. Die Unternehmen reden sich gerne damit heraus, dass sie schon vorher bestanden haben könnten.

Thema Wasserverbrauch

Kritiker bemängeln häufig, dass Fracking sehr viel Wasser verbrauche. Das bestreitet ExxonMobil nicht einmal. Allein um eine einzige Förderstelle zu erschließen, würden für gewöhnlich bis zu 20 Millionen Liter Wasser gebraucht. Das Wasser sprengt unter hohem Druck das Gestein in der Tiefe auf. Allein im Marcellus Gasfeld im US-Bundesstaat Pennsylvania in den USA gibt es derzeit rund 14.000 Förderstellen. In den vergangenen drei Wochen kamen 61 neue dazu.

Das meiste Wasser bei der Strom- oder Wärmeerzeugung mit Erdgas werde aber nicht bei der Förderung verbraucht, schreibt Exxon, sondern am Ende im Kraftwerk zur Kühlung. Allerdings bleibt unklar, was das Unternehmen genau mit Verbrauch meint. Denn Kraftwerke recyceln das allermeiste Wasser aus dem Kühlungsprozess, beim Fracking geht es meist verloren. Für private Heizungen und den Gasverbrauch zum Kochen fällt dieses Argument ohnehin aus. Es bleibt also dabei: Wasserintensiv ist das Fracking ohne Zweifel.

Thema Abfälle

Das größte Problem beim Fracking und die höchste Gefahr, da stimmen derzeit alle Experten überein, geht vom Wasser aus, das aus dem Bohrloch wieder an die Oberfläche zurückfließt. Darin sind nicht nur die Chemikalien enthalten, die das Unternehmen in den Boden gepresst hat, sondern auch Verunreinigungen, die sich tief im Boden verstecken. Darunter krebserregende und radioaktive Stoffe. Dieser sogenannte Flowback lässt sich theoretisch reinigen, sogar bis zu Trinkwasserqualität, wie ein Gutachten des Umweltbundesamtes kürzlich feststellte. Allerdings ist das teuer. Bisher pumpen die Unternehmen in den USA die giftige Brühe deshalb in unterirdische Kavernen, von denen Geologen annehmen, dass sie dicht sind. Allerdings gibt es Studien, die nahelegen, dass Kavernen mit Rissen Erdbeben auslösen können. ExxonMobil prüft nach eigener Aussage die Kavernen seitdem genau. Ob mit Erfolg, lässt das Konzernpapier allerdings offen.

Theoretisch lässt sich der Flowback auch wieder als Frackflüssigkeit recyceln. In wasserarmen Gegenden machen das von ExxonMobil beauftragte Unternehmen auch schon. Insgesamt scheint ExxonMobil allerdings wenig euphorisch, was das Recycling angeht. Das Unternehmen schreibt: "Die Entsorgung (des Flowback, Anm. d. Red.) ist nicht sonderlich komplex, aber es gibt die Möglichkeit für menschliche Fehler und Unfälle." Vor allem Tanks für das Wasserrecycling könnten die Risiken für Unfälle erhöhen, schreibt das Unternehmen – schließlich könnten sie auslaufen.

Thema Subunternehmen

Die großen Öl- und Gasunternehmen fördern in den seltensten Fällen die Rohstoffe selbst. Auch die Bohrungen erledigen Serviceunternehmen wie Halliburton. Auch die Abfallbeseitigung ist in den USA ausgelagert. ExxonMobil beteuert zwar, dass alle Unternehmen mit denen es zusammenarbeite, die eigenen Konzernstandards erfüllen müssten. Aber in der Realität ist das outsourcen von Aufgaben durchaus ein Problem. Denn die Subunternehmen, die mit der Beseitigung des oftmals giftigen Rückflusswassers aus den Bohrungen betraut sind, nehmen es mit dem Umweltschutz mitunter nicht so ernst.

So sind in den USA Dutzende Verstöße bekannt geworden, bei denen die Entsorger die Brühe einfach in die Landschaft oder Flüsse kippten. Das spart die Entsorgungskosten. Die Auftraggeber können in diesen Fällen die Schuld leicht von sich weisen – das Vertrauen in der Bevölkerung gegenüber dem Fracking und den Unternehmen bestärken solche Vorfälle allerdings nicht. Im Januar musste sich aber auch XTO vor einem Gericht wegen rund 200.000 Liter ausgelaufener Frackflüsskeiten verantworten. Das Unternehmen bestreitet allerdings, für den Unfall verantwortlich zu sein. Bis kurz vor dem Unglück hatte sich ein Serviceunternehmen um die Tanks gekümmert.

Thema Chemikalien

Wer erwartet hätte, dass ExxonMobil in seinem Transparenzpapier auch in den USA die Chemikalien offenlegt (wie das Unternehmen es in Deutschland für die geplanten Fracks getan hat), der wird enttäuscht. Seit einiger Zeit geben aber die Unternehmen zum Beispiel auf Seiten wie Fracfocus.org an, welche Chemikalien sie für einzelne Bohrungen nutzen und in welcher Konzentration. Allerdings: Bei vielen Bohrungen berufen sich die Unternehmen auf Geschäftsgeheimnisse und geben nicht alle Zusätze an, wie ein Report des US-Energieministeriums im Februar kritisierte. Bei mehr als 80 Prozent der Bohrungen sei das der Fall. Das Argument geht ungefähr so: Auch Coca-Cola behalte die Rezeptur für seine Brausemischung für sich. Der kleine Unterschied allerdings: Coca-Cola wird für gemeinhin nicht als potenziell wassergefährdend betrachtet.

Einige Unternehmen legen aber seit kurzem tatsächlich alle Fracking-Chemikalien offen, aber nicht deren genaue Zusammensetzung. Auch ExxonMobil will sich dieser Politik anschließen, wie das Unternehmen Anfang Oktober verlauten ließ.

Thema Klimaschutz

Während es als ausgemacht gilt, dass Erdgas generell ein klimafreundlicherer Energieträger ist als Kohle, streiten sich die Experten, ob das für Schiefergas ebenso gilt. Der US-Ökologe Robert Howarth von der Cornell University hat in einigen Studien vorgerechnet, dass Schiefergas sogar klimaschädlicher als Kohle ist. Der Grund: Bei der Förderung tritt Methan in die Atmosphäre aus, ein starkes Treibhausgas. Das Problem ist allerdings, dass es so gut wie keine unabhängigen Messungen über diesen sogenannten Methanschlupf gibt. ExxonMobil wiederum verweist auf eigene Messungen und die von Universitäten und Umweltschützern an Bohrungen auf Exxon-Feldern, die keinen signifikanten Austritt von Methan feststellten.

Kritiker werfen diesen Messungen allerdings vor, dass sie nur an vom Unternehmen freigegebenen Bohrungen durchgeführt worden seien. Die Vermutung: Weniger dichte Förderstätten hätte Exxon den Forschern vorenthalten.

Was ist nun das Fazit der Selbsteinschätzung von ExxonMobil? Das Unternehmen selbst schreibt: Bisher habe es keine durch einen Peer-Review-Prozess abgesegnete, "solide Studie" gegeben, die negative Gesundheitseffekte durch die unkonventionelle Erdgasförderung nachgewiesen habe.

Und tatsächlich existieren bisher zwar einige Studien, die Verunreinigungen des Grundwassers durch Fracking konstatieren – aber deren Methoden und Datensätze sind unter Forschern umstritten. Den genannten Forschern der Duke Universität gelang als ersten der Nachweis von Verunreinigungen in Zusammenhang mit der Schiefergasförderung. Aber auch hier behaupten Industrievertreter, diese seien natürlichen Ursprungs.

Allerdings: In den USA fehlt es den Behörden schlicht an Personal, um die Bohrungen zu überwachen. Zudem sind systematische und unabhängige Forschungsvorhaben bisher die Ausnahme. Sicher ist aber, dass dem Fracking bisher keine immanenten Gefahren nachgewiesen wurden, es aber in den USA immer wieder zu Unfällen und Verstößen gegen Umweltauflagen kam und immer noch kommt. Die Frage ist, ob das in Deutschland anders wäre?

// Nachtrag//

Korrektur: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass Unternehmen in den USA die Konzentrationen der Chemikalien in den Fracflüssigkeiten nicht offenlegen. Das tun sie aber inzwischen für die einzelnen Bohrungen. Informationen zur Offenlegung der Chemikalien durch die Unternehmen wurden im Text ergänzt.

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